Das schwarze Kamel

G.G. Pendarves

Detlef Eberwein präsentiert mit “Das schwarze Kamel” zum dritten und dieses Mal am umfassensten Geschichten aus der Feder einer der wenigen Pulp Autorinnen.  Robert N. Bloch hat neben zwei anderen Texten zwei Storys dieser Anthologie in seinem Privatdruck “Ein Werwolf in der Sahara” veröffentlicht, zwei weitere eher Gruselgeschichten und nicht wie hier im Orient spielende Storys erschienen als “Buntes Abenteuer” im TES Verlag aus Erfurt. 

Am Ende findet sich neben den Quellennachweisen auch ein von Detlef Eberwein recherchiertes Lebenslauf, in welchem er einigen der bisherigen biographischen Daten auch widerspricht. 

G.G. Pendarves hat mit ihren neunzehn Geschichten die meisten Beiträge einer Frau zum legendären Weird Tales Magazin beigetragen. In den insgesamt dreizehn Jahren zwischen 1926 und posthum 1939 ist sie der einzige Autor, dessen Story zweimal im Magazin nachgedruckt worden ist. 

Die am 02.02.1885 geborene Gladys Gordon Trenery schloss 1907 ihre Ausbildung zu einer Musiklehrerin in Großbritannien ab. 1938 starb sie als unverheiratete Frau, wie Detlef Eberwein recherchierte. Daher sollte G.G. Pendarves tatsächlich als PSeudonym angesehen werden. 1923/ 1924 veröffentlichte sie ihre ersten Kurzgeschichten quasi im britischen Pendant zu Weird Tales - “Hutchinson´s Mystery Story Magazine”. Zwei dieser Geschichten sind später im Weird Tales nachgedruckt worden, wobei die Autorin für ihre britische Veröffentlichung von “The Return” das PSeudonym Marjory E. Lambe verwandte. 

Ab 1926 verfasste sie Geschichten für “Weird Tales”. Anscheinend hat sie auch einige Jahre in den Staaten gelebt und sich Geld unter anderem als Journalistin verdient. Vielleicht daher auch der Wechsel von britischen Pulp Magazinen zu “Weird Tales”.  Daneben verfasste sie Geschichten unter anderem auch für das kurzlebige “Oriental Tales” oder auch “Argosy All Story Weekly”. 

Als Schriftstellerin ist sie die Vorgängerin, aber nicht Inspiration der heute deutlich bekannteren Leigh Brackett und Catherine L. Moore. Ihre Geschichten sind aber deutlich dunkler. Sie greift als Protagonisten gerne auf gebildete Europäer zurück, die sich nicht nur mit den brutalen Sitten des Orients auseinandersetzen müssen, sondern in einigen der hier gesammelten Geschichten echter oder vorgetäuschter Magie begegnen. Mit gut recherchierten Hintergründen malt die Autorin ein gänzlich anderes Bild der faszinierenden wie tödlichen Wüste und seiner Ureinwohner. Nicht so kitschig verklärt wie Karl May mit einem deutschen Überhelden. Aber trotz oder vielleicht auch wegen der Überzeichnung der Schurken als geheimnisvolle, nicht selten verkleidet agierenden Bandenführern bleibt ihr auch Zeit, die Herzlichkeit und Gastfreundschaft des vorderen Orients zu beschreiben.   

 

Die Titelgeschichte “Das schwarze Kamel” erinnert atmosphärisch ein wenig an Kiplings Kurzgeschichte “Der Mann, der König sein wollte”. Gissing verkauft wertvolle Schmuckstücke an einen jüdischen Händler in London, die er einem berüchtigten Banditenanführer mit dem Decknamen “Das schwarze Kamel” gestohlen hat. Niemand kennt seine wahre Identität, seinen Namen oder gar sein Gesicht. Ein Motiv, das die Autorin in einigen der Geschichten gerne wiederholt. Der Verbrecher stiehlt sich seinen Schatz zurück und tötet den Händler. Der sich im Orient ausgezeichnet auskennende Gissing - ein weiteres wiederkehrendes Motiv in den hier gesammelten Geschichten - beschließt, sich seinen Schatz zurückzuholen und dringt nicht nur in den Versammlungsort der Banditen ein, in einer spektakulären, aber auch provokativen Aktion gelingt ihm natürlich nur ein Pyrrhussieg. 

Gissing erinnert an eine paranoide Version Kara Ben Nemsis mit rücksichtslosen Zügen. Er kann als Einheimischer durchgehen, kennt die Sprache und die Kultur. Im Laufe der Geschichte wird er mehr und mehr zu einem Ziehbild seines Feindes.  Um sein Ziel zu erreichen, agiert er immer rücksichtsloser und wie sich im Laufe der Geschichte herausstellt mit einer entschlossenen fast autistischen Vorgehensweise, deren Ziel die Wiederinbesitznahme seines Schatzes ist. Notfalls nur für einen Moment. 

Das hohe Tempo und vor allem die gute, aber ein wenig exzentrische Zeichnung der Protagonisten überdecken einige kleinere Zufälligkeiten, die nur in der streng hierarchischen arabischen Kultur funktionieren. 

“Die Macht des Hundes” ist eine der kürzesten Geschichten dieser Sammlung.  Es ist der Konflikt zwischen der “aufgeklärten” ersten Welt in Form eines europäischen Ingenieurs und einem arabischen Magier, welcher die kleine Gemeinde bislang tyrannisiert hat. Der Streit entfacht sich bei einem Hundekampf, wo der Europäer einen gelben Hund retten möchte. Die Story ist ausgesprochen stringent erzählt. Die nachgeschobene Pointe in Geschichten dieser Art klar erkennbar. Die Zeichnung der Figuren ist interessant, zumal der größte Teil des Textes aus der Sicht des aufgeklärten und arrogant agierenden Europäers erzählt wird.     

In “Der verschleierte Leopard” wechselt die Erzählerebene. Der Ich- Erzähler will als europäischer Archäologe unbedingt zu einer geheimnisvollen Tempelstadt mitten in der Wüste. Er schleicht sich gegen den Willen der lokalen Autorität in die Karawane, in dem er einen taubstummen Mann spielt, einen Verwandten des geachteten Karawanentreibers. Schließlich wird er vom verschleierten Leoparden und seiner Bande gefangen genommen und als Sklave in die Tempelstadt Ghorg gebracht, sein eigentliches Ziel. Niemand kennt die Identität des Leoparden. Die Extrapolation ist interessant, auch wenn sie den bisher etablierten Mustern - Unbekannter Bandenführer; Konflikt Euopa- Orient - entspricht. Die Autorin beschreibt nicht zum ersten Mal in diesen Geschichten die Brutalität der Sklaventreiber, die Ich- Erzählerperspektive senkt vor allem hinsichtlich der finalen Auseinandersetzung allerdings auch die Spannung. Das Ende ist hektisch und wirft einige Fragen auf. Der Leser ist in einigen Aspekten dem Ich- Erzähler aufgrund der offensichtlich angelegten Strukturen einen Schritt voraus, so dass die finale Wendung inklusiv der Rettung in letzter Sekunde weniger packend wirken als von der Autorin geplant. 

Zwei Männer verirren sich in “Der geheime Pfad” in der Wüsten und werden schließlich von den Bewohnern einer Oasenstadt gerettet. Dort werden sie versklavt. Eine junge Frau wird entführt, den Männern gelingt mit einer Mischung aus Waghalsigkeit und Improvisation die Flucht. Am Ende kommt es zur direkten Auseinandersetzung mit den Entführern. Obwohl der Text ausgesprochen geradlinig ist, wird wieder auf einige eher konstruiert erscheinende Zufälligkeiten zurückgegriffen. 

Der Titel “ Dreißig  Silberlinge” ist eine Anspielung auf Judas und dessen Verrat an Jesus Christus. Inhaltlich kann man auch an eine der bekanntesten Sherlock Holmes Geschichten “Das Zeichen der Vier” denken, in denen schließlich ein Verräter, ein Verbrecher gegen die eigene Familie seinem Schicksal nicht entkommen kann. Ein Forscher und Arzt rettet im Prolog einem der bekanntesten Verbrecher der Gegend uneigennützig das Leben. Kurze Zeit später verschwindet der Europäer und ungeklärten Umständen. Ein Mitglied der Familie will ihn für tot erklären, um sich den Nachlass, aber auch die Tochter unter den Nagel zu reißen. Ihr potentieller Verlobter und Neffe des Verschwunden macht sich auf die Suche und gerät in die Fänge des Verbrechers. 

Die schwarzweiße Zeichnung vieler Geschichten aus Pendraves Feder fällt in “Dreißig Silberlinge” weg.  Der Verbrecher mit einem Hang zu sadistischer Gewalt ist seinen Freunden und deren Angehörigen gegenüber ein Mann, der sein Ehrenwort hält und schließlich während des Epilogs im Grunde den gordischen Knoten durchschlägt. 

An Robert E. Howard erinnert der wirklich exotische Hintergrund nicht nur der Festung eines wahnsinnig, aber im Sterben liegenden Tyrannen, sondern dessen anscheinend magischer Helfer, eine Art Monster aus einer anderen Welt. Der Fall des Tyrannen erscheint auf den ersten Blick eher wie ein “Deus Ex Machina” Moment, da er die beiden tapferen Suchenden vor einem brutalen Ende bewahrt.  Das Finale ist wieder relativ hektisch, aber da die Geschichte generell durch ein sehr hohes Tempo geprägt ist, fällt dieses in einigen anderen Texten nicht zufriedenstellend gestaltetes Ende nicht so sehr auf.  Generell gehört “Dreißig Silberlinge” zu den besten Geschichten dieser Anthologie.   

“Der Altar des Melch Taus” ist trotz vertrauter Elemente eines der besseren Geschichten dieser Anthologie. Eine junge Frau wird mit einer Art Teufelszeichn markiert, das sich nicht von der Haut ablösen lässt. Sie soll dadurch zur Braut eines mit übernatürlichen Kräften agierenden arabischen Magiers werden. Ein klassisches Motiv mit den finsteren Arabern, die natürlich in erster Linie nach bildhübschen europäischen Frauen greifen. Ihr Mann versucht sie aus dem Einfluss des Magiers zu befreien. Die Rituale werden genau wie der arabisch exotische Hintergrund erstaunlich gut, allerdings fast pathetisch übertrieben beschrieben. Es ist eine von mehreren Geschichten, in denen die Autorin die historischen Vorurteile gegen die Jesiden als Teufelsanbeter extrapoliert.  Das Ende ist eher schwach, kommt wie bei anderen Texten aus dem Nichts heraus und nicht nur die Protagonisten, sondern auch die Leser werden überrumpelt. Es ist aber auch eine der ersten Geschichten, in denen die Autorin den von den Arabern umworbenen Frauen eine aktivere Rolle zuspricht. Meistens beschränken sich deren Auftritte auf Wehklagen und Schluchzen angesichts der Gefahren, denen sich ihre jeweiligen wahren Lieben oder Ehemänner stellen müssen. 

“El Hamel, der Verlorene”  stellt eine arabische Frau in den Mittelpunkt der Geschichte. Die Tuareg überfallen eine Festung der Franzosen. Sie werden zurückgeschlagen, ihr Anführer gefangen genommen und geköpft. Seine Frau will an den Fremden rächen und schmiedet mit ihren “Zauberkräften” einen perfiden Plan. Die Tuaregfrauen scheinen ihren Männern zumindest gleichberechtigt zu sein. Es ist die dreidimensionalste Zeichnung einer Frau in allen hier gesammelten Geschichten. Der magische Hintergrund ist ein wenig vage; die Auswirkungen auch ambivalent, aber die Geschichte verfügt zumindest über eine kraftvolle, wenn auch nicht gänzlich überraschende Pointe.   

“Der Dschinn von El Sheyb” greift das Thema einer ehemals blühenden Karawanenstadt wieder auf. Angeblich soll ein Dschinn die Stadt übernommen haben, allerdings leben auch noch Priester in den Gemäuern. Ein amerikanischer Forscher macht sich auf den Weg, das Geheimnis der Stadt zu untersuchen, weil er nicht an das Bölse glaubt. Gleichzeitig sucht er nach einem Freund, einem Touristen, der vor mehr als einem Jahr in dieser Gegend verschwunden ist. Eine aus der ebenfalls hier nachgedruckten Story “Dreißig Silberlinge” bekannte und dort effektiver verwandte Idee. Daher wirken auch die Erlebnisse in der Stadt inklusive des Dschinns und seinen Machenschaften - diese nutzt die Autorin auch immer wieder - auch vertraut. Die Pointe ist für die dreißiger Jahre auch nicht mehr originell. 

Die Faust Idee benutzt “Abd Dhulma, der Herr des Feuers”. Ein europäischer Gelehrter erkauft sich ein weiteres Jahr Augenlicht, um seine Arbeiten abzuschließen. Als Ausgleich bietet er nach dieser Zeit seine Seele an. Sein Freund ist entsetzt und versucht den Deal zu unterminieren. Auch dem Gelehrten kommen Bedenken. Gemeinschaftlich versuchen sie sich aus dem Pakt zu befreien. Der Schlüssel könnte das Grab eines verlorenen Herrschers sein. Der Auftakt mit dem Faustpakt ist interessant, zumal die Autorin eine Reihe von orientalischen Mythen einbaut. Auch das Finale mit einer durchaus gewalttätigen Auseinandersetzung beinhaltet eine Reihe von Überraschungen. Dazwischen findet sich eine Reihe von lesenswerten Hintergrundinformationen.     

“Passierschein für die Wüste” besteht aus bekannten Versatzstücken. Ein Konflikt zwischen zwei europäischen Brüdern, befeuert durch die geerbte Firma. Dazwischen steht auch eine Frau, für die sich auch ein Bandit interessiert. Ausgangspunkt ist Sklavenhandel. Die Menschen werden auf den Schiffen geschmuggelt. Im Prolog wird wieder der Schurke von einem der beiden Brüder gerettet. Das ist der Schlüssel für das Finale der Geschichte. 

Auf den ersten Blick ist der Titel “Ein Werwolf in der Sahara” eher ein vergnüglicher Widerspruch. Er verbindet die Monstren der alten Welt mit den Mythen des Orients. Es gibt auch tatsächlich einen Werwolf in der Geschichte, auch wenn dessen Entstehung nicht auf den Ideen bekannten Texte basiert. Die Autorin verwendet wieder die bekannte Dreierkonstellation zwischen einer Frau zwischen einem arabischen Magier und einem europäischen versklavten Mann. Ein Dämon - der Werwolf - hat sich in die Seele Gunnars eingenistet. Die finale Konfrontation besteht weniger aus einem Kampf, denn der effektiven Nutzung des alten Wissens, das bislang auch dem Magier verborgen gewesen ist. Wie die Tuargkriegerin beschreibt G.G. Pendarves eine entschlossene, westliche Frau, die sich aber nicht ihrem Schicksal ergibt, sondern mit Klugheit dagegen ankämpft und gleichzeitig den Mann, den sie liebt, zu retten sucht. 

In der letzten Story “Der Herrscher von Zem-Zem” findet eine in der Wüste verirrte Expedition eine verfluchte Stadt,. Die Menschen retten sie, die Belohnung soll ein wertvoller Diamant sein. Während ein Teil der Gruppe zurückbleibt, wollen ihn zwei Andere holen. Da die Frist abläuft, will der Herrscher die Zurückgebliebenen auf eine brutale Art und Weise töten. Die Rettung ist wieder in letzter Sekunde und kommt quasi aus dem Nichts. Bestimmend ist der Konflikt zwischen dem aufgeklärten, aber auch teilweise hilflosen Europa/ Amerika und den verschlagenen arabischen Herrschern/ Magiern, die sadistisch wie brutal ihre Herrschaft ausüben. 

Die hier zusammengestellten Geschichten geben nicht nur einen eher seltenen Einblick in die Welt der Abenteuergeschichten abseits von “Weird Tales”.  Harold Lamb oder Robert E. Howard haben sich ebenfalls der Thematik gewidmet. Ihre Geschichten sind farbenprächtiger, nicht unbedingt exotischer. Ihre Helden überdimensionaler und heroischer. Die Schurken haben die gleiche Qualität wie bei Howard. Aber sie waren die besseren Erzähler. Howard konnte mit wenigen Sätzen eine bedrohliche Atmosphäre erzeugen. Seine Pulpgeschichten sind eher Heldenballaden als klassische Unterhaltung. Lamb dagegen ist tief in die Historie eingestiegen und belebte die Geschichte mit seinen auch historisch verbürgten Charakteren.  

Fairerweise nutzt G.G. Pendarves eine Reihe von Versatzstücken - verschollene Städte; Sklavenhandel, Dreikonfliktkonstellationen -, die sich öfter wiederholen. Aber auch Robert E. Howard hat einige seiner früheren Geschichten auf seinen bekanntesten Protagonisten einfach umgeschrieben. Hinsichtlich der Geschichte der Pulps ist die Wiederentdeckung einer frühen Autorin immer lesenswert, auch wenn die literarische Qualität der Geschichten auch in der überzeugenden Übersetzung von Detlef Eberwein qualitativ sehr stark in sich voneinander abweicht.  Alleine das macht den Erwerb dieser Sammlung als Ergänzung zum im TES Verlag veröffentlichten Heft mit zwei klassischen Mystery/ Grusel Geschichten zu einem Pflichtkauf.

Das Schwarze Kamel

Paperback, 228 Seiten

DRM: Wasserzeichen

ISBN-13: 9783754350805

Verlag: Books on Demand

Erscheinungsdatum: 27.05.2021

Sprache: Deutsch

Kategorie: