„Die goldene Göttin“ – im Original seriengetreu „The Golden Godess Gambit“ betitelt – schließt nicht nahtlos an den ersten Band der Serie an. Mindestens eine Mission steht zwischen diesen beiden Bänden, wie Hannibal Fortune indirekt dem Leser mitteilt.
Larry Maddox hat aber in diesem zweiten Roman der Serie ein besseres Gespür für eine überzeugende Mischung aus historischen Fakten, Zeitreiseabenteuer und dem Konflikt zwischen T.E.R.R.A und in diesem Fall einem abtrünnigen Agenten. Zu Beginn des Buches erläutert der Autor noch einmal die Komplexität des Hintergrundes seiner Geschichte. Nach dem Verbot von Zeitreisen sind die beiden Wissenschaftler auf die andere Serie – in diesem Fall E.M.P.I.R.E – übergelaufen und wollen dort die Zeit manipulieren. T.E.R.R.A hat mehr als vierzig besiedelten Welten zehntausende von Agenten gestaffelt in der Vergangenheit positioniert, welche ungewöhnliche Phänomene melden sollen. Eine Handvoll von Zeitagenten wie Hannibal Fortune haben anschließend die Lizenz, sich in diese Zeitzone zu begeben und dort Reparaturen vorzunehmen und die Feinde zu bekämpfen. Alleine die Komplexität dieser Aufgabe und vor allem deren Organisationsstruktur zeigt auf, welche sehr sich Larry Maddock im Vergleich zu dem in dieser Hinsicht noch rudimentären ersten Bandes in die Materie eingearbeitet hat. Bei den eigentlichen Vorbereitungen zu einer Mission spielt Zeit keine echte Rolle.
Aus Kretas Vergangenheit erreicht eine Inschrift die Gegenwart. Anscheinend wurde eine Sprache verwendet, welche erst über tausend Jahre später zugeordnet werden kann. Es deutet einiges auf eine Zeitmanipulation hin, zumal niemand den Kult um die goldenen Göttin später gehört hat. Larry Maddock deutet mit dieser Ausgangslage allerdings auch an, dass Veränderungen in der Vergangenheit wie Wellen sich in die Gegenwart fortpflanzen und anscheinend zumindest ein Teil der alten Daten überschrieben wird. Alleine die in der Vergangenheit stationierten Agenten scheinen gegen diese Zeitwellen immun zu sein und können deswegen von ihnen berichten.
Hannibal Fortune wird zu Beginn des Buches im Zweikampf mit dem Schwert und Schild ausgebildet. Zusammen mit seinem Begleiter Webley soll er in dieser Zeit nach dem Rechten schauen.
Während sich die anderen Abenteuer mit dem Konflikt zwischen T.E.R.R.A. und Grogor Maliks E.M.P.I.R.E auseinandersetzen, liegt der Tenor bei diesem Abenteuer anders. Interessant erscheint, dass die Manipulationen in der Vergangenheit zu einer kurzzeitigen Blüte einer kleinen Gruppe von Menschen in einer überschaubaren, schwer zugänglichen Landschaft Kretas geführt haben. Die Hintermänner des Kults um die goldene Göttin haben mit einigen wenigen Einschränkungen sowohl die Kultur als auch die Wirtschaft reformiert und eine freie kapitalistische Marktwirtschaft inklusiv einer entsprechenden Währung eingeführt. Allerdings gibt es bis auf die hohe Priesterin keine echten Frauenrechte. Der Hintermann ist sich zwar dieser Manipulationen bewusst, sieht sich aber in einer kleinen isolierten historischen Nische. Er will weder die Weltherrschaft noch die Zukunft verändern. Im Grunde will er seine Ruhe haben.
Am Ende der Geschichte unterstreicht Larry Maddock, das die einzelnen historisch auch verbürgten Ereignisse eben nicht auf einer natürlichen Basis basieren, sondern nur Folgen von Eingreifen und den entsprechenden Korrekturen der T.E.R.R.A. Agenten sind. Der Autor zeigt auf, dass der Konflikt eine Quadratur des Kreises mit tödlichen Folgen für tausende von Menschen ist und sein wird. Oder schon war. Auf diesen Thema geht Larry Maddock abschließend nicht mehr ein, aber es stellt sich die Frage, ob eine andere humanistischere Lösung nicht möglich gewesen wäre. Am Ende des Buches verfällt der Autor in die klassischen, allerdings auch klischeehaften Muster dieses Subgenres und folgt den Handlungssträngen der Pulp Fiktion. Dabei ist Hannibal Fortune als Zeitagent sowohl Täter als auch Opfer des Systems.
Bis zu diesem dramaturgisch interessanten Ende inklusiv zweier Aufstände der einfachen Bevölkerung beginnend im Hafen konzentriert sich Larry Maddock auf zwei Eckpfeiler der Tetralogie. Da wäre zum Einen Hannibal Fortunes Verhältnis zu Frauen. Er rettet in einer fast absurd erscheinenden Situation eine alte Hexe vor der Steinigung. Angeblich hat er schon vorher hinter die Kulissen schauen können. Aus der alten Hexe wird eine junge Frau, die mittelbar mit der Vergangenheit der Königsfamilie in Verbindung steht. Larry Maddock erweitert den Handlungsbogen mit einigen Ideen, die auf einen außerirdischen Einfluss schließen lassen, ohne dass diese Flanke das ganze Buch betrachtend geschlossen wird. Es ist nicht der einzige rote Faden dieser Serie, den der Autor absichtlich oder unachtsam die Tatsachen ignorierend im Laufe des jeweiligen Romans fallen lässt.
Das Verhältnis zwischen dem Bier liebenden Webley und seinem Freund/ Partner Hannibal Fortune wird in diesem Roman besser herausgearbeitet. Zwar landet Fortune wieder in der Gefangenschaft seiner Feinde und wieder soll/ muss Webley dessen Befreiung organisieren, aber im Gegensatz zur Parodie im ersten Band ist es Fortunes Naivität, welche der Szene Spannung gibt. Interessant erscheint, dass er eine junge Frau mit ihm in der Zelle nicht ausreden lässt. Auf der anderen Seite ist Webley immer wieder überrascht, wie es Hannibal Fortune mit seiner unvergleichlichen Fähigkeit des Überblicks schafft, immer wieder am richtigen Ort zur richtigen Zeit zu sein, auch wenn er mit seiner chaotischen Vorgehensweise nicht immer direkt die entsprechenden Resultate erzielt. Webley ist eher für das große Ganze zuständig. Er denkt und handelt nicht unbedingt weitsichtig, aber mit weitreichenden Folgen. Dank seiner Fähigkeit, unabhängig von der 15 Pfund Körpermasse Protoplasma, seine Gestalt zu wandeln, wäre er eine perfekte Waffe. Allerdings zeigt sich, dass einzelne Verwandlungen an der Glaubwürdigkeit scheitern. Eine 15 Pfund schwere Ratte fällt nun einmal auf. Interessant ist, dass sich Webley für die Gestalt eines Fisches entscheidet und somit als eine Art Fischgott am politischen Status Quo zu rütteln. Mit Folgen, die er selbst nicht ahnen kann.
Daher fehlt die klassische „Ich-rette-meinen-Partner“ Abfolge. Viel mehr sieht er wie das literarische Vorbild „The Man from U.N.C.L.E.“ die beiden Agenten als gleichberechtigte Partner mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Im ersten Band der Serie arbeitete Larry Maddock noch an diesem Gleichgewicht, auch wenn Webley einen weiteren Gefängnisausbruch organisieren sollte. Die beiden Agenten agieren auf der gleichen Mission autark.
Während der erste Roman in der Gegenwart der Leser – das Jahr 1966 – spielt, greift Larry Maddock mehr auf klassische Zeitreisethemen zurück. In der zweiten Hälfte des Buches definiert er die einzelnen Zeitreiseeinschränkungen, auf welche er im vierten und letzten Roman der Serie noch einmal zurückgreifen sollte. Ohne die Konsequenzen zu beschreiben, darf sich ein Mensch nicht selbst in der Vergangenheit begegnen. Weiterhin muss ein Eingreifen immer vor dem eigentlichen „Moment“ erfolgen. Bei einer Verfolgungsjagd mittels zweier Zeitmaschinen muss Hannibal Fortune also quasi nicht nur vor seinem Gegner in der Vergangenheit landen, sondern notfalls auch abwarten, um seiner ersten Ankunft in der Vergangenheit auszuweichen. Die Zeitmaschinen selbst lassen sich erstaunlich einfach bedienen , wie die „Falle“ zeigt, welche Hannibal Fortune mittels Schwert und Schnürsenkeln baut.
Auch wenn die Szene rückblickend ausgesprochen effektiv und feurig, beinhaltet sie eine Schwäche. Während Hannibal Fortunes Antagonist bis zum aktiven Eingreifen der beiden T.E.R.R.A Agenten noch von etwas Zeit ausgeht, nimmt Hannibal Fortune in dieser Szene keine Rücksicht auf irgendwelche Auswirkungen hinsichtlich des Zeitflusses. Dabei muss noch einmal betont werden, dass der Antagonist weder ein Mitglied von E.M.P.I.R.E. noch ein klassischer Zeitverbrecher ist, sondern ein Mensch, der sich eine allerdings opulente Nische in der Zeit gesucht hat und bereit ist, nach einer Katastrophe zur nächsten temporären Nische zu reisen. Beispiele führt Larry Maddock an.
Ohne auf Slapstick zurückzugreifen und mit einigen pointierten Dialogen sowie einzelnen lustigen Szenen – insbesondere das Ausgeben von Wein hat Folgen – liest sich „Die goldene Göttin“ unabhängig von den im Kern klassischen Szenarien – UFOs und Verdummung – des ersten Buches komplexer, zeitloser und vor allem auch besser strukturiert. Hinzu kommt, dass Larry Maddock den Hintergrund seines Universums gleich zu Beginn sehr viel ambitionierter und umfangreicher definiert hat. Wer „Agenten der Galaxis“ noch ein wenig „blass“ um die Nase gefunden hat, wird von diesem zweiten Buch mit eher unterentwickelter Satire, aber dem Drang, eine spannende Geschichte zu erzählen, versöhnt.
- Herausgeber : Apex Verlag
- Sprache : Deutsch
- Taschenbuch : 192 Seiten
- ISBN-10 : 3754154036
- ISBN-13 : 978-3754154038