Bad Brains

Kathe Koja

Der Apex Verlag legt auch Kathe Kojas zweiten Roman „Bad Brains“ neu auf. Ihre weiteren Arbeiten sind bei auf zwei Kurzgeschichten aus „The Magazine of Fantasy & Science Fiction“ nicht mehr in Deutschland erschienen. Eine Erstauflage inklusiv entsprechender Übersetzung wäre also schwierig und teuer.

Wie „The Cipher“ erschien „Bad Brains“ im Rahmen der provokanten Dell Abyss Reihe. Es empfiehlt sich nicht unbedingt, die beiden Romane unmittelbar hintereinander zu lesen. Sie wirken von der abstrakten Grundstruktur her zu ähnlich.  In beiden Arbeiten verzichtet die Autorin auf eine klassische Plotstruktur. Aktion und Reaktion vermischen sich zu einer Art surrealen Alptraum, aus dem die Protagonisten nicht entkommen können. Im Falle von „The Cipher“ mit dem Funhole im Keller des Appartementhauses wollen sie es auch nicht wirklich.

In beiden Romanen spielen Außenseiter der Gesellschaft eine wichtige Rolle. Vielleicht sind sie wegen ihrer Rollen, die teilweise selbst gewählt sind, so empfänglich für die unerklärlichen Situationen. Kathe Koja wandelt zusätzlich auf einem sehr schmalen Grat, denn sie braucht auf der einen Seite mindestens Sympathien ihrer Leser gegenüber den schwierigen Protagonisten, auf der anderen Seite überschreitet sie als noch junge und auf der charakterlichen Ebene noch unerfahrene Autorin auch die Grenze des Zumutbaren und macht aus ihren Figuren teilweise eindimensionale Chiffren. Hier besteht das Risiko, das der Leser die Figuren nicht mehr für voll nehmen möchte und deswegen von ihnen im wahrsten Sinne des Wortes genervt ist.

Austen Bandy sieht sich selbst als Künstler. Während Kathe Kojas männlicher Protagonist in „The Cipher“ als Bediener in einem Videoladen einen der langweiligsten und passiven Jobs der Welt hat, zeigt sie mit Austen Brandy eine selbstzerstörerische Seele. Der Leser kann nicht beurteilen, ob der Protagonist wirklich ein Künstler ist oder sich nur selbst in maßloser  Selbstüberschätzung als einen solchen sieht.

Ein Unfall bringt ihn ins Krankenhaus. Anscheinend hat er sich den Kopf angebrochen. Dazu eine schwere Gehirnerschütterung. Auf dem Weg der Heilung sieht er aus einen verzerrten Blickwinkel etwas silbriges. Es beginnt sein Blickfeld zu dominieren und vor allem seine bisherige Welt zu destabilisieren.

Diese innere Bedrohung ist schwierig zu beschreiben. Austen Bandy ist von Beginn an ein schwieriger, exzentrischer, immer nahe am Wahnsinn lebender Charakter. Daher wirkt dieser eine Schritt in Richtung Abgrund nicht einmal wirklich überraschend, sondern der Unfall könnte nur der Katalysator sein, der diesen Getriebenen endgültig in den Abgrund stürzt. Und damit wäre der Bogenschlag zu der Dell Reihe perfekt.

Die Behandlungsmethoden im Krankenhaus finden keinen Ansatz, um ihm zu helfen. Das Silber beginnt mehr und mehr seine Welt zu kontrollieren. Auch der Arzt als Bezugsperson scheint andere Motive zu haben, als überzeugt von Austen Brandys Visionen ihm wirklich zu helfen. Hinzu kommt, dass seine Ex Frau hinter den Kulissen Intrigen spinnt.

Wie eingangs erwähnt verfügt das Buch über einen eher rudimentären Plot. Auf der anderen Seite versucht die Autorin eine Art inneren Roadtrip zu gestalten, an dessen Ende Erlösung nur durch die Kunst kommen könnte. Man sollte an diesem Punkt ganz bewusst den Konjunktiv setzen, denn Auston Bandys Art von Kunst hat ihn von Beginn mit dem Unfalls als eine Art Beschleunigungsmittel, als eine körperliche Speed Versehrtheit erst in diese seine geistige Gesundheit angreifende Situation gebracht. Daher wirkt es fast schizophren, dass die Kunst ihn von etwas heilen soll, was die Autorin in ihrem Buch nicht einmal überzeugend definiert hat. Daher könnten Leser in diesem Roman eine Provokation um ihrer selbst willen sehen. Eine Reise, die ein Mensch unternimmt, ohne sich wirklich im realen noch im geistigen Raum zu bewegen. Ein Anfang ohne Ende, aber auch ein Ende ohne einen echten Anfang.

Normalerweise sollten klassische Roadtrips eine Art Metapher für eine Charakterentwicklung oder mindestens einen Moment der Besinnung sein. Dabei sollte die äußerliche Reise und die innere Reife zu mindestens einem, im besten Fall mehreren Zielen führen. Da Kathe Koja ja keine Antworten anbietet und selbst die silberne Bedrohung eingebildet sein kann, wirkt die Reise unvollendet. Es sind vielmehr die einzelnen Etappen, welche den Leser unangenehm berühren, aber auch nicht immer wirklich Mitleid aufkommen lassen.

Auston Bandy  möchte aber dem Phänomen auf die Spur kommen. Seine Selbstanalyse sagt, dass die Alpträume, die Visionen eine Ursache haben müssen. Seine Ärzte sehen in ihm einen exzentrischen Hypochonder. Er hat niemanden, an den er sich wirklich wenden kann. In „The Cipher“ haben die beiden Protagonisten eine Art selbstzerstörerische Gemeinschaft gebildet. In „Bad Brains“ kann sich Auston Bandy nicht an seine Ex Frau wenden, da sie ihn im Grunde weder akzeptiert noch ein Interesse hat, seine Schmerzen zu lindern. Sie will sie aus seiner Sicht in sadistischer Art und Weise sogar verschlimmern.

Der Künstler hinterlässt seine Bilder einem Bekannten in dessen Galerie und flieht mit seinem Auto aus der Stadt. Zuerst fährt er natürlich nach Hause zu seiner noch lebenden Mutter.  Ab diesem Moment folgt eine Reihe von fast profan erscheinenden Erkenntnissen, welche Kathe Koja in ihrem expressiven, fast hekltischen Stil zu verfremden sucht. Man oder besser der Protagonist kann nicht nach Hause zurückkehren. Nicht zu dem Zuhause, das er vor vielen Jahren verlassen hat. Nur an den Ort. Aber es ist nicht der gleiche. Auch die zufällige (?) Begegnung mit dem nicht nur seine Bilder ausstellenden, sondern auch verkaufenden Freund sowie schließlich der allgegenwärtigen und doch ominösen ehemaligen Gattin helfen nicht, seinen Zustand zu verbessern. Das Gewaltpotential baut sich weiter auf. Während manche Menschen rot sehen, ist es bei Austen Bandy im Grunde silber. Während er bis zur Begegnung mit seiner Ex Entschuldigungen suchte, um aus der Haut zu fahren und andere Menschen zu verletzen, sieht er plötzlich in ihr die vage Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen. Kathe Koja beschreibt sie allerdings derartig ambivalent, das Bandys Perspektive auch nur ein Teil seiner inzwischen wirren Visionen sein kann. Sie reicht ihn von einem Arzt zum Nächsten, bis er ausgerechnet beim atypischen Dr. Quiet eine vordergründige innere Ruhe findet.

Und ab diesem Moment baut die Autorin den rudimentären Handlungsbogen ab und lässt den Plot auslaufen. Diese atypische Struktur widerspricht dem klassischen stereotypen Horrorroman. "Bad Brains" ist noch mehr eine Abfolge von exzentrischen, schockierend wirkenden Szenen eines kranken, aber nicht eines krankhaften Geistes. Die subtilen Unterschiede spielen vordergründig keine Rolle, hintergründig möchte aber die Autorin niemanden verurteilen. Deswegen sind die Ausbrüche mittelbar auch Folgen eines Unfalls.

"Bad Brains" ist noch experimenteller als "The Cipher". Während "The Cipher" durch das Funhole noch eine Art übernatürliches, unerklärliches, aber auch unerklärtes Element dem Leser präsentiert, muss "Bad Brains" sich alle auf die bedingt zwischenmenschlichen Beziehungen- ein fast zu starkes Wort - verlassen, um die Leser an sich zu binden. Es ist auschließlich Inner Body Horror, der mit den Urängsten der Leser spielt. Auston Bandy hat dieses Stadion zwischen Hypochonder und Wahnsinniger schon längst verlassen. Er hat keine "Zeit" mehr, um sich mit seinen Ängsten zu beschäftigen. Dieser Ritt auf der Rasierklinge erfordert Akzeptanz vom Leser, damit dieser sich mit diesem uralten Thema nicht nur das Gruselgenres auszusetzen beginnt.  

Diese Prämisse funktioniert nur bedingt, ab einem bestimmten Punkt des rudimentären Plots beginnt der Leser auch abzudriften und sich von den durchgehend unsympathischen, ein wenig zu sehr am Rande des Wahnsinns gezeichneten  Protagonisten gedanklich zu entfernen und deren im Grunde vages Schicksal nicht mehr zu verfolgen.  Natürlich ist "Bad Brains" provokative Literatur, aber der Roman zeigt auf einem noch ansprechenden Niveau auch die spätere Kehrseite der Dell Abyss Reihe mit provozierenden aber unbedeutenden Horror.  Wer einmal bei Kathe Koja hineinschauen möchte, ist bei "The Cipher" besser aufgehoben, wer angefixt ist, sollte "Bad Brains" nachschieben und sich danach an die amerikanischen Veröffentlichungen machen, die allerdings mehr und mehr bodenständiger werden.

Bad Brains: Ein Horror-Roman

  • Herausgeber ‏ : ‎  Apex Verlag
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Taschenbuch ‏ : ‎ 396 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3746768446
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3746768441
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