Andrea Bottlingers Debütroman „Die brennende Welt“ reiht sich nahtlos in diesen schwachen Zyklus ein. Obwohl stilistisch sauber und mit guten Dialogen geschrieben hat sie eigentlich keine Chance gegen Frank Borschs uneinheitliches Gesamtexpose. Zähneknirschend kann der Leser vielleicht nach Naat Hacker in Hawaihemden akzeptieren, aber das Onat aus seinem medizinischen Heilschlaf erwachend mittels Extrasinn die Namen der zwölf Epetransarchivträger mit den Daten der Erde Perry Rhodan mitteilt, ist erbarmungswürdig schwach und zeigt, mit welch heißen Nadeln Frank Borsch inzwischen „Neo“ strickt. Der aufmerksame Leser wird sich erinnern, dass Crest ins Ungewisse aufgebrochen ist, weil er die Welt der Unsterblichen und nicht die Erde suchte. Dabei muss er ja eine Reihe von Welten besucht haben. Onat und somit auch die Träger konnten gar nicht wissen, ob seine Expedition erfolgreich gewesen ist oder nicht. Weiterhin erscheint es gegen die Idee der Archivs, dass ein Außenstehender mittels seines Extrasinns wichtige Daten quasi „anfordern“ und die entsprechenden Träger benennen kann. Entweder ist es nur auf Plot technischer Notwendigkeit hinsichtlich der Position der Erde möglich oder Frank Borsch hat über diesen Widerspruch zu wenig nachgedacht. Ganz in Vergessenheit scheint Atlan geraten zu sein. Immerhin befand sich auf der Erde ein arkonidisches Stützpunkt, der mit Atlantis untergegangen ist. Aus den ersten „Neo“ Romanen ist klar zu erkennen, dass die Arkoniden mit Menschen in noch heute erkennbarer Form Kontakt gehabt haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Informationen in den Archiven der Flotte liegen und damit über den potentiellen Sektor – durch Rhodans dumme Handlungen im Grunde selbst da Treffon schon bekannt – mit einfachen Mittel herausgefiltert werden könnten, kommt anscheinend niemand. Selbst Perry Rhodan nicht. Oder gar Atlan. Immerhin sollte es wie „Neo“ bislang bewiesen hat, nicht zu viele Welten geben, auf denen Humanoide leben. Also ist die Suche bislang sinnlos. Das die Frage nach der Eliminierung der Daten – Mord oder Entführung – zumindest im vorliegenden Roman angesprochen wird, deutet in eine neue Richtung. Passend befinden sich drei der Datenträger auf Arkon II, wo der Absturz der Orbitalstation „Gath´Etset Moas“ Verwüstungen verursacht hat. Einer der drei Datenträger könnte schon ums Leben gekommen sein, die anderen beiden werden von getrennt operierenden Teams unter der Leitung von Reginald Bull – der Künstler Ratkoth da Iskwar – und Perry Rhodan – die Ingenieurin Serema Edenor – gesucht.
Hier zeigt sich die nächste Schwäche des vorliegenden Romans. Ursprünglich war die Orbitalstation als übergroßes Raumschiff beschrieben worden. Selbst wenn es ein Ring um den Planeten gewesen ist, können die beschriebenen Schäden nicht von dieser Station verursacht worden sein. Bedenkt man, dass selbst mit einem Durchmesser von hundert Metern die betroffene Zone relativ klein ist, müsste die Station schon mit hunderten von Atomreaktoren bestückt worden sein. Weiterhin ist sie durch eine „Explosion“ – diese Szene ist eine der schwächsten der ganzen Serie – aus dem Orbit gerissen und zerstört worden. Die aufkommende Anziehungskraft des Planeten wird Teile der Station wahrscheinlich über ein weiteres Feld verstreut haben, aber ohne Hitzschild – der ist ja nicht nötig im All – wären sie teilweise verglüht. Weiterhin sollte es mehrere Stunden, wenn nicht Tage ohne Eigenantrieb dauern, bis die Teile aufgeschlagen sind. Außerdem haben die auf Arkon III spielenden Szenen mit Atlan eher bewiesen, dass die Katastrophe eingrenzbar ist, während Andrea Bottlinger sie mit einer Vehemenz zu beschreiben beginnt, die der Ausgangsprämisse nicht entsprechen kann. Es gibt auf dieser Welt also große Brände, da Industrieanlagen mit brennbaren Substanzen explodieren. Selbst diese Auswirkungen könnten die Zerstörungen nicht rechtfertigen. Der Tsunami wäre cineastisch nutzbar, wirkt hier aber derartig aufgesetzt, das man nur mit dem Kopf schütteln kann. Die Autorin braucht ihn nur, um den Abstecher zur schwimmenden Stadt dramaturgisch interessanter zu gestalten. Auch wird Arkon II als Industrieplanet ausgesprochen ambivalent beschrieben. Selbst beim Kriegsplaneten Arkon III versuchten die Autoren Scheers dunkle Vision zu relativieren, aber das Bild von Arkon II ist derartig ambivalent und pragmatisch, das man angesichts der Einfaltslosigkeit nur den Kopf schütteln kann. Weiterhin gibt es einen Widerspruch zur Lebensart der Arkoniden. Entweder sind die endlich das dekadente, virtuellen Spielen unterliegende Volk, das kaum lebensfähig ist. In diesem Fall würden auf Arkon II keine Künstler, sondern nur noch Überwachungspersonal und vor allem Roboter existieren. Oder „Handwerk“ ist weiterhin gefragt, dann wäre es wichtig, diese Spezialisten unabhängig von den Kosten zu retten. So oder so macht das Handeln des Gouverneurs keinen Sinn und dient in erster Linie als Seitenfüller und Alibi für Rhodan Teams, um auf der Planetenoberfläche nach den Archivteilen suchen zu können, ohne dass sie von tausenden oder eher Millionen von Helfern gestört werden. Militär finde übrigens so gut wie gar nicht statt. Viele dieser Szenarien hätten auf einer gänzlich anderen Welt noch akzeptiert werden können, aber die Katastrophe findet unter den Augen des Regenten im Herzen des arkonidischen Imperiums statt, so dass dieser ganze Handlungsabschnitt wirklich keinen Sinn ergibt.
Der Gouverneur von Arkon II beschließt, die Feuer ausbrennen zu lassen, da es billiger ist, alles später wieder aufzubauen. Hier stellt sich die Frage, wozu es eigentlich den Regenten gibt, wenn alle alles selbst entscheiden. Wann braucht man den Regenten, der paranoid bislang eher alles kontrollierte und zu entscheiden suchte?
Viel schlimmer ist, dass der Hacker schließlich die Befehle entsprechend fälscht und den im Orbit stehenden Rettungsschiffen den Zugang zur Welt ermöglicht. Dazu muss mit einer Art schwarzem Raubtier als Killerprogramm in der virtuellen Irrealität gekämpft werden. In ihrer eigenen Serie „Beyond“ hat Andrea Bottlinger bewiesen, dass ihr der moderne „Cyberpunk“ liegt. So gehören diese zu langen Sequenzen zu den Höhepunkten des vorliegenden Romans.
Perry Rhodan und Reginald Bulls Teams haben sich aber im Gegensatz zum arkonidischen Gouverneur, der zu seinem Glück gezwungen wird, entschieden, den Hilflosen von Beginn an auch zu Lasten ihrer Mission zu helfen. Diese Szene gipfelt in der Begegnung mit Chabalh, der zum Prophet werdend Rhodan natürlich sterbend warnt, die Elysische Welt aufzusuchen. Auch diese Prophezeiungen mit kryptischen Mahnungen durchziehen die „Neo“ Serie wie ein dunkelroter Faden. Sie schaffen allerdings nicht Spannung, sondern sollten die Leser vom sich dahin schleppenden Minizyklus ablenken. Es ist schade, dass selbst dramaturgisch solide geschriebene, auf Unlogik basierende Szenen mittels dieser „Botschaften“ unterminiert und ins Unglaubwürdige gezogen werden. Auf jeden Fall schaffen es Bull und Rhodan, die Zielpersonen zu finden, zu betäuben und an Bord des Raumschiffs zu bringen.
Ein weiteres Problem des vorliegenden Romans ist die Länge des Taschenheftes. Das hört sich absurd an, aber der Handlungsbogen reicht in diesem Fall noch weniger für einen ganzen Roman als in den Vorgängerbänden. Mehr und mehr hat der Leser das unbestimmte Gefühl, als habe Andrea Bottlinger ihn nicht nur in die siebziger Jahre, sondern vor allem in einen Irwin Allen Film versetzt, in denen ja eine Handvoll Charaktere – meistens alternde Schauspieler – sich mehr oder minder zufällig an einem Ort versammeln – Hochhäuser, alte Passagierschiffe oder in „Erdbeben“ auch nur in einer Stadt -, eine Katastrophe eintritt und sie immer gegen höhere Hürden kämpfen müssen. Viele Passagen nutzen sich zu schnell ab und selbst die weitere Opferung einer Nebenfigur, die logisch betrachtet bei ihrer Mission durch ihr äußeres Erscheinungsbild auch zu auffällig ist, erhöht leider den Spannungsfaktor kein bisschen. Viel mehr schleppt sich der Roman seinem Ende entgegen und wirft natürlich überwiegend wieder mehr Fragen auf als das Antworten geliefert werden.
Auch Bulls Information von Perry Rhodan ist kryptisch, unterstreicht aber den tönernen Unterbau, auf dem sich die Serie befindet. Nicht eine einzige Frage wird konkret beantwortet und macht „Die brennende Welt“ angesichts der eklatanten logischen Schwächen zu einem weiteren sehr schwachen „Neo“ Roman.
- Format: Kindle Edition
- Dateigröße: 1308 KB
- Seitenzahl der Print-Ausgabe: 160 Seiten
- Verlag: Perry Rhodan digital (13. März 2014)
- Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
- Sprache: Deutsch
- ASIN: B00HK5BMSC