Im Wilden Westen Nordamerikas Band 15: Der Schatz der Kristall- Höhle

Axel J. Halbach

Auch wenn der Plot nahtlos vom ersten Teil „Im Land der Saguaros“ in diesen abschließenden Band übergeht, hat der Autor Axel J. Halbach die wichtigsten Konflikte nicht nur etabliert, sondern einer grundlegenden Schwierigkeit mit der entführten Tochter des Aztekenhäuptlings die Grundlage entzog.

 Auf neudeutsch könnte man davon sprechen, dass es nur noch um die Abwicklung des Konfliktes zwischen gut – Old Shatterhand mit seinen beiden Freunden, sowie dem erstaunlich geistig aktiven Kaziken des Pueblos Zuni – und  böse -die wenigen Schurken um den roten Joe und des verräterischen nach der Macht greifend wollenden Bruder des Aztekenhäuptlings – in Form der Suche nach dem seit Jahrhunderten verschwundenen Schatz geht.

 Unabhängig von dieser Ausgangsbasis verzögert Axel J. Halbach das Tempo deutlich, in dem sowohl Sam Hawkens als auch Hobble- Frank den kindlichen Indianern abenteuerliche Geschichten aus ihrem Trapperleben erzählen. Pflichtschuldigst zeichnet Old Shatterhand diese ihm vertrauten Episoden für die Nachwelt, sprich die Leser auf. Auch wenn die Episoden so markant wie die May´schen Grundfiguren sind, hat der Leser auf den ersten fünfzig oder sechzig Seiten des vorliegenden Bandes das unbestimmte Gefühl, ein wenig hingehalten zu werden.

 Zumal der sehr clever agierende Kazike beim Interpretieren der Karte den Schurken nicht so sehr hilft, wie die es sich wünschen. Der beschriebene Weg mit den zahllosen Hindernissen ist aufregend genug, um die ganze zweite Hälfte des Buches zu füllen. Daher kommt diese Jagd fast zu kurz, auch wenn Axel J. Halbach mit einem Anschlag auf Old Shatterhand und dessen „Sturz“ in die Tiefe ein dramaturgisch sehr überzeugendes Element einführt.

 Auch das Vorgehen das Kaziken ist interessant und lässt dieses Buch aus der Masse vergleichbarer Geschichten positiv herausragen. Er kann die Verräter im eigenen Stamm nicht einfach und vor allem auch nicht ohne schlüssige Beweise festnehmen lassen, um das labile Mächtegleichgewicht im Stamm nicht zu gefährden. Die potentiellen Anschläge auf sein Leben angesichts eines besonderen Festtages muss er mit gewissen Risiken auch für das eigene Leben kontern. Später gibt er Old Shatterhand die richtigen Informationen und warnt ihn für eine lebensbedrohlichen Situation, aus welcher seine Gefährten und er mit dem richtigen Futter wieder fliehen könnten.

 Der Häuptling der Kaziken ist Old Shatterhand intellektuell mindestens gleichwertig, taktisch vor allem in der zweiten Hälfte des Buches sogar überlegen. Old Shatterhand agiert in bekannter Karl May Manier mit offenen Visier und dem Risiko, in verschiedene Fallen zu laufen, während das Häuptling immer seine individuellen Handlungen mit dem Wohlergehen des ganzen Stammes abwägen muss, auch wenn nicht alle Krieger wirklich hinter ihm stehen.

 Ohne den belehrenden Tonfall Karl Mays informiert der Autor die Leser über die Kultur der Azteken, lässt aber auch nicht deren blutige Menschenopfer aus. Hinzu kommen faszinierend exotische Exkurse in die Flora und Fauna dieser herausfordernden Wüste. Im Gegensatz zu Karl May zitiert Halbach nicht seitenlang aus sekundärliterarischen Werken, sondern bemüht sich, diese zusätzlichen Hinweise unauffälliger und geschmeidiger in den Text einfließen zu lassen.

 Mit dem Aufbruch in die Kaktuswüste nimmt der Plot zwar wieder Fahrt auf, aber selbst das Durchbrechen der Erzählerebene und  das Wechseln der Perspektive zwischen dem roten Joe und Old Shatterhand hebt nicht den Spannungsbogen. Damit soll an keiner Stelle zum Ausdruck gebracht werden, das der Roman grundsätzlich langweilig oder langatmig ist, das Gegenteil ist der Fall. Aber Karl May hat vor allem in seinen klassischen Stoffen noch mehr die Tempi teilweise mit langen, aber kurzen Dialogen variiert, so das der Leser den Druck der Protagonisten bildlich gesprochen am eigenen Leib ertragen musste. An einigen nur in der Theorie spannenden Stellen – Old Shatterhand kann nun mal nicht sterben – verweilt Axel J. Halbach in seinem erzähltechnischen Duktus und wenn Old Shatterhand selbst der tödlichen Gefahr entronnen sich gleichmütig an die Leser wendet, muss dieser Schulter zuckend weniger von Glück gehabt, als solide gelöst sprechen.

 Interessant ist, dass wie bei Karl Mays „Der Schatz im Silbersee“ der Showdown zwischen Schurke und Held nicht stattfindet. Ohne zu viel zu verraten geht Axel J. Halbach nicht so weit wie Karl May, aber die Ansätze sind vorhanden. Durch diesen Hang zum mystischen, der ein wenig an Sir Henry Rider Haggard als Karl May erinnert, wird der Plot zufrieden stellend und packend, aber nicht in actiontechnischer Sicht konsequent genug abgeschlossen.

 Der Epilog wirkt allerdings ein wenig zu sehr aus der Zeit gehoben. Immerhin schreibt der Autor über das 19. Jahrhundert, die mexikanische Regierung und schließlich auch die Rechte der Indianer. Jüngere Leser mögen an diese Art von Happy End glauben, die Erwachsenen sehen das realistischer.

 Wie mehrfach angemerkt ist das Doppelabenteuer sehr kurzweilig zu lesen. Die Protagonisten sind überwiegend prägnant, an einigen Stellen sehr dreidimensional mit Ecken und Kanten gezeichnet worden. Old Shatterhand entwickelt im zweiten Abenteuer nicht zuletzt nach einer lebensgefährlichen Situation mehr Dynamik, während vor allem Sam Hawkens und Hobble- Frank nach ihren den Indianern erzählten Abenteuern fast gänzlich aus der Handlung verschieben und der Doppelband an Flair verliert.

 Axel J. Halbach verzichtet auf eine Modernisierung oder gar Verfremdung der Karl May Stoffe und seiner Figuren. Es ist eine klassische, vielleicht ein wenig klischeehafte, aber gut erzählte Geschichte mit einem heldenhaften Old Shatterhand, der einem Sterbenden sein Wort gibt und es auf der einen Seite nur indirekt, aber hinsichtlich der zukünftigen Auswirkungen perfekt hält.

  Im zweiten Teilband „Der Schatz der Kristall- Höhle“ fordert der Autor anfänglich ein wenig zu viel Geduld von seinen Lesern, um abschließend zu wenig Raum zu haben. Der abschließende Schrecken, den die Leser dank Old Shatterhand und dem Kaziken kennen, kommt daher wenig überraschend, auch wenn der rote Joe zu einer pragmatischen, aber absolut unrealistischen Lösung greift. Wahrscheinlich hat ihn der Gedanke an den unendlichen Reichtum schließlich geblendet und seinen Überlebensinstinkt ausgeschaltet. Old Shatterhand hat in dieser Hinsicht die richtige Lösung griffbereit und so wirkt der Plot inhaltlich ohne Frage zufrieden stellend abgerundet, aber auch ein wenig unrund hinsichtlich der Balance dieses zweiten Bandes.

 Auch die brüderlichen Konflikte schwinden zu plötzlich. Da genügt ein Hinweis im Epilog des vorliegenden Bandes und der letzte dieser nicht zuletzt auf Schuldgefühlen oder falschen Verbundenheiten basierende Trennungsgrund entschwindet.

 Zusammengefasst sind die beiden Bücher aber vielleicht auch eine leichtere, weniger von Friedrich Gerstäcker wie bei Thomas Ostwald beeinflusste Einstiegslektüre in diese Neuinterpretation der Abenteuer Old Shatterhands. Damit soll keinesfalls ausgedrückt werden, dass Thomas Ostwalds Texte schlechte sind, das Gegenteil ist der Fall. Aber Axel J. Halbach hat ein wenig mehr Gespür für den reinen, durchaus manchmal auch ein wenig verkitschten Karl May, den er in dieser wunderbaren Hommage wieder zum Leben erweckt.    

Taschenbuch, 172 Seiten

www.blitz-verlag.de

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