Koshkin und die Kommunisten aus dem Kosmos

Ben Calvin Harry

Die nach Worten des Autoren SF Periflage „Koshkin und die Kommunisten aus dem Kosmos“ ist Ben Calvin Harys nicht nur erster professionell veröffentlichter serienunabhängiger Roman, sondern ein wenig der Versuch, die goldenen Zeiten der Science Fiction mit Respekt, aber auch einem Augenzwinkern wiederzubeleben.

Die Geschichte beginnt im Zeitalter des Kalten Krieges. Der Sputnik Schock erschüttert die USA.  Dabei konzentriert sich dieses Ereignis auf die Konfrontation zwischen zwei Männern. Auf der einen Seite Werner von Braun, der ein wenig hochtrabend in einer Talkshow davon spricht, dass ihn die NASA eher gängelt, sonst wäre man schon lange im All. Auf der anderen Seite der aus der damaligen Sowjetunion schon 1942 übergesiedelte Forscher Boris Koshkin, der sich eher mit kryptischen Andeutungen und exzentrischen Behauptungen am Rand der Öffentlichkeit hält als das er wirklich einen praktischen Wert für die Amerikaner hat. Beide Männer können sich nicht leiden. Koshkin hatte angeblich ein Angebot der Nazi abgelehnt. Interessant ist, dass Koshkin Werner von Braun gleich als Nazi erkennt und im Off quasi auch eine Begründung liefert. Diese Fakten dürften in den fünfziger Jahren höchstens Mitgliedern des Geheimdienstes bekannt gewesen sein, erst viele Jahre später hat Rainer Eisfeld beginnend mit der Lektüre in einem Landser Roman mit seinen Recherchen hinsichtlich der braunen Vergangenheit des Raketenpioniers begonnen.

Wutentbrannt macht Koshkin in dieser Fernsehsendung eine weitreichende Ankündigung. Er hat einen Sternenantrieb erfunden, der es ermöglicht, innerhalb von nicht einmal zwei Tagen zum Jupiter zu fliegen. Und das will er der Öffentlichkeit beweisen, in dem er in seinem Garten ein Raumschiff baut und damit losfliegt.

Die Ausgangsprämisse ist absurd und ignoriert jegliche Logik. Aber bei einer Persiflage ist das zu verzeihen. Die Amerikaner werden nie angesichts der Paranoia einen Forscher alleine in seinem Garten werkeln lassen. Vor allem nicht an einem neuen Raumantrieb. Vielmehr hätten ihn die Behörden einkassiert. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, woher die Mittel kommen, um selbst eine Art trojanisches Ablenkungspferd im Garten zu errichten? Reich scheint der Professor nicht zu sein.

Das spielt auch keine Rolle. Vor allem geht es in dem Roman um das Spielen mit Versatzstücken. Koshkin ist natürlich ein aufgeblasener exzentrischer Russe, wie man ihn sich nicht unbedingt in seinen Träumen, aber zumindest zweitklassigen vor allem amerikanischen Filmen vorstellt. Er liebt seine Tochter und möchte alles für sie tun.  Diese ist mit einem Mann der Tat, einem Ingenieur liiert. Nicht unbedingt im Sinne des Vaters. Ben Calvin Harry zeichnet Koshkin dreidimensional. Abwehrend, arrogant und doch verletzlich. Es ist schade, dass diese Charakterisierung nicht durch den ganzen Roman durchgehalten wird und die Protagonisten mit ihren Ecken und Kanten vor allen in der zweiten Hälfte des Buches ein wenig zu sehr in den Hintergrund gedrängt werden.

Nicht nur alle amerikanischen Fernsehzuschauer haben Koshkins Ankündigung gehört.  Auch im All ist die Sendung mit deutlicher Verspätung empfangen worden. Die Außerirdischen – die Kommunisten aus dem Kosmos – erhoffen sich von dieser aus dem Nichts vom Himmel gefallenen ihnen überlegenen Technik ein Handwerkszeug, mit dem sie je nach Moment entweder einen Krieg anfangen können oder zumindest ihren stupiden Wachdienst in einem hinterwäldlerischen Sonnensystem beenden können.

Sie entführen die Rakete inklusiv Koshkins kleiner Familie und dem Nachbarn Saizew einfach ins All. Die Außerirdischen sind eine bananoide Lebensform, die in einer Art kommunistischen Gesellschaft zusammenleben.

Zur Slapstickkomödie gehört nicht selten der Hindernisparkour  der Mißverständnisse. Hier auch. Koshkin hat Angst, dass sein Geheimnis auffliegt und versucht sich mit allen Mitteln zu wehren. Die Fremden agieren nicht unbedingt erkennbar wie Kommunisten. Hier ist eine der großen Schwächen des Buches. Ein entflohener Russe wird quasi von seiner sozialen Vergangenheit eingeholt und wird zwangsweise in einem System festgehalten, das er im Gegensatz zu seiner Tochter und seinem Schwiegersohn bis ins Detail erkennen kann oder mindestens erkennen sollte. Anstatt diese Karte zu spielen und sie für doppeldeutige Dialoge oder zumindest Anspielungen zu nutzen, fällt dieser Aspekt des Romans flach.

Über die Kultur der Außerirdischen erfährt der Leser sehr wenig und dann gipfelt es in Bestäubungswitzen. Das reicht nicht, um den markanten und eindringlichen gut gewählten Titel des Buches zu rechtfertigen. 

Viel mehr orientiert sich der Autor eher an den C Klassikern und Trashperlen, wobei er an einigen Stellen absichtlich, aber kontraproduktiv über den guten Geschmack hinausschießt. Da werden ordentlich in einer Konfrontation Augen ausgedrückt und Gliedmaßen abgeschlagen. Der Unterton  hätte ein wenig subversiver, einfühlsamer sein können.

In der Person des Nachbarn Saizew zeigt sich ein wenig das Dilemma des Autoren. Anfänglich agiert er mit allen absichtlich platzierten Klischee wie der spion aus der Seifenoper. Er wird nachts beim Fotographieren des Raumschiffes erwischt. Im All entführt entpuppt er sich anfänglich als eine ambivalentes Wechselbalg, bevor er über sich hinauswächst. Sein Hinweis, dass er einer der Guten ist, unterstreicht das Potential der Figur bis zum dramatischen Ende des Buches. Aber Ben Calvin Hary geht zu wenig in die Tiefe und verschenkt hier zu Gunsten einer Reihe von sicherlich ohne Frage notwendigen, aber nicht wirklich spannenden Actionszenen das Potential, über die Persiflage hinauszuwachsen und einen humoristischen Klassiker des deutschen Science Fiction Genres zu schaffen. Vielleicht hätte er sich ein wenig bei den Angloamerikanischen Autoren wie Fredric Brown, Lloyd Biggle, mit einigen Abstrichen hinsichtlich der Hilflosigkeit der Protagonisten Jack Williamson Nachhilfe holen sollen, um genau dieses Abdriften der Handlung nach einem sehr guten und vor allem auch überzeugenden Auftakt zu verhindern.

Das Ende ist cineastisch und dramaturgisch zufriedenstellend, nachdem die Handlung ein wenig sich selbst überschlagend die beiden Probleme der MacGuffin Erfindung Koshkins und der Bedrohung der Menschen durch lebende Bananen abgehandelt hat. Im Epilog geht Ben Calvin Hary wieder auf Koshkin zu, den er ja nach Lust und Laune als exzentrisches Genie; als alten Mann voller Ängste und Neurosen oder als egoistischen Narzissten beschrieben hat. Alle Facetten passen zu dieser Figur und es ist schade, dass Ben Calvin Hary im All auf die angesprochene direkte Konfrontation zwischen diesem mit starken Akzent sprechenden Choleriker und seiner politischen „Vergangenheit“ in Form der Fremden verzichtet hat.

Es ist mutig, mit seinem ersten serienunabhängigen Roman einen gänzlich anderen Weg zu gehen und teilweise mit den Klischees zu spielen. Nicht alles sitzt perfekt und insbesondere der zweiten Hälfte des Buches fehlt die Balance zwischen Dramatik und humorvoller würdevoller Persiflage zu Lasten der Action. Das Buch liest sich kurzweilig, die Dialoge sind realistisch bis pointiert geschrieben und mit den meisten der Figuren geht der Autor absichtlich in die Extreme. Das überspielt einige kleinere Logiklöcher und konstruierte Handlungsbögen.  Zusammen mit „Mein Freund Perry“ ist es aber die bislang beste Arbeit des noch jungen Autoren.  

Bildergebnis für koshkin und die kommunisten aus dem all

  • Broschiert: 260 Seiten
  • Verlag: Atlantis Verlag (15. September 2018)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 9783864026201
  • ISBN-13: 978-3864026201
  • ASIN: 3864026202