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"The Omega Expedition" ist der sechste und abschließende Roman von Brian Stablefords "Emortality" Serie. In den voran gegangenen fünf Bänden hat sich der Brite nicht selten positiv unterstützt durch einen Kriminalfall oder ein Rätsel ein atemberaubendes Zukunftsszenario mit philosophischer Tiefe aufgebaut, dessen Grundpfeiler neben der Expansion in Alls ein interessanter soziologischer Wandel sowie eine Verlängerung des Lebens für Reiche sind. In seinem Vorwort erläutert Stableford, dass dieser abschließende Roman durchaus alleine stehen kann. Er holt absichtlich eine Reihe von aus den anderen Romanen bekannte Charaktere an "Bord" und erzählt seine Geschichte im Grunde aus der Perspektive Adam Zimmermanns fast noch einmal. Wie alle anderen Romane dieses Zykluses basiert "The Omega Expedition" ursprünglich auf einer Kurzgeschichte, die Stableford allerdings nicht klassisch er weitert, sondern als integralen Bestandteil dieses vielschichtigen, aber auch in der Mitte nicht immer packenden oder zufriedenstellenden Romans gesehen hat.
Es ist die Geschichte eines Mannes, der nicht sterben wollte. Adam Zimmerman hat eines Tages nach der Lektüre eines Klassikers der Literatur erkannt, das alles vergänglich ist. Die Chance aufs Überleben ist gering. Also setzt er alle Hebel in Bewegung, um reich zu werden. Unermesslich reich. Mit diesem Reichtum will er sich eine relative Unsterblichkeit kaufen. Sein Körper soll zu einem vorher bestimmten Zeitpunkt eingefroren werden. Erst wenn die Menschheit zumindest teilweise die relative Unsterblichkeit dank Genmanipulation und moderner Medikamente erreicht hat, möchte er wieder aufgetaut werden. Die Grundidee ist verblüffend einfach- es ist interessant, dass Zimmerman und indirekt Stableford sich nur bedingt an H.G. Wells "When the sleeper awakes" orientieren, auch wenn die Grundausrichtung des vorliegenden Romans nicht einmal verkehrt ist. Stableford hat den Roman im Jahre 2002 veröffentlich und einige Aspekte des Plots erscheinen moderner denn je. Denn Adam Zimmerman hat für einen Moment die Welt still stehen lassen. Mit umfangreichen Börsenaktionen - der Autor vermeidet die Idee von Hebelungen über Future - hat Zimmerman die finanzielle Krise des Jahres 2008 im Kleinen herauf beschworen. Nur die Großkonzerne als Profiteure haben das" Kapital" aus Eigeninteresse retten können. Es ist die erste spektakuläre Aktion einer ganzen Reihe, an deren Ende Zimmerman reich genug ist, um seine eigene Stiftung zu gründen und sich schließlich nach einer Reihe von mehr oder minder freiwilligen Testobjekten einfrieren zu lassen.
Der Auftakt des Romans ist rasant. Gehetzt vor Todesangst lebt Zimmerman in den siebzig biologischen Jahren seiner ersten Existenz fast drei Leben. Einsam, isoliert und besessen arbeitet er auf sein Ziel hin und ist Vater und Profiteur der "Emortality" Studien. Zimmerman ist kein sympathischer Charakter. Das will und kann er nicht sein. In engem Zusammenhang mit seinem Aufstieg ist der Hintergrund zu sehen. Eine wenig behutsame Modernisierung der Cyberpunk Zukunft eines William Gibsons ohne Sonnenbrillenladys und mit einer deutlich westlicheren Ausrichtung.
Dann folgt nicht unbedingt negativ ein Bruch im Roman. Der Sprung in die Zukunft - fast eintausend Jahre vergehen zwischen dem ersten Spannungsbogen und der anschließenden zweiten Handlungsebene - beinhaltet auch einen Charakterwechsel. Die Änderung der Erzählerebene ist nicht unbedingt neu in dieser Serie. Nur zum ersten Mal greift der Autor auf eine dem Leser vertraute Figur zurück: Madoc Tamlin aus "Inherit the Earth". Er ist als Verbrecher eingefroren worden. Der Leser des ersten Romans weiß allerdings, dass dieser sympathische wie bodenständige Techniker in einem Meer Intellektueller eher Opfer als Täter gewesen ist. Sein Erwachen auf einer Stadion in den Tiefen des Sonnensystems umgeben von Emortals, die alle wie neunjährige Mädchen - ein schwieriges Element, dass Stableford respektvoll behandelt, da die Mädchen über das Wissen von quasi Unsterblichen ohne die körperliche Reife verfügen - aussehen. Er kann sich weder an sein Einfrieren noch an seine Taten erinnern. Zusammen mit ihm wird die mehrfache Mörderin Christine Caine aufgeweckt. Beides sind Testobjekte, während das Sonnensystem auf das Erwachen des Heilands Zimmerman förmlich wartet und daraus ein gigantisches Medienspektakel gemacht werden soll. Wie schon angesprochen ist der Wechsel der Erzählperspektive ausgesprochen gut für den Roman. Mit den Augen des überforderten Tamlin und der unter ihrem schlechten Ruf leidenden Caine erfährt der Leser intim und intensiv eine Zukunft, die emotional unterkühlt und intellektuell überfordernd erscheint. Stableford geht sehr geschickt vor. Tamlin muss sich auf der einen Seite mit der Zukunft auseinandersetzen, auf der anderen Seite Teile seines Gedächtnisses widerherstellen. Seine einzige Vertraute ist eine mehrfache Mörderin, der Medienstar einer absichtlich krude produzierten Sendung. Aus seiner anfänglichen Abneigung gegen die rebellisch und aggressiv auftretende Caine wird später zumindest Respekt. Insbesondere mit Caine verfügt der Plot über einen sperrigen Charakter, der gegen diese zu sanft gespülte Zukunft ohne echte Emotionen rebelliert. Vielleicht wirkt es wie ein Kompromiss, dass Caine nicht mehr ihren Vorurteilen entspricht und eher Opfer denn Täter ist. Aber bis diese Erkenntnis durchsickert, bildet sie einen interessanten Kontrast zum eher bodenständigen Techniker Tamlin. Sie beide teilen das gleiche Schicksal und könnten auch in Hinblick auf die Erwartungen der ihnen unfreiwillig aufgezwungenen „Zukunft“ nicht unterschiedlicher sein. Aus einer absichtlich zynisch distanzierten Perspektive – insbesondere Talmin kennt Zimmerman noch aus seinen Lebzeiten als einziger lebender Zeuge dieser wilden Ära – wird die Wiedererweckung, die an eine Wiederkehr eines Heilands erinnert, beschrieben. Mit Zimmerman erwacht allerdings eine Figur zum Leben, für die Stableford ein interessantes wie einzigartiges Schicksal zur Hand hat. Sein Wunsch ist ihm auf der einen Seite in Erfüllung gegangen, auf der anderen Seite hat seine grundlegende Idee der „Emortality“ ein Eigenleben entwickelt, das ihn wieder zu einem Außenseiter macht. Zwar ein Primus unter pares, doch ein Außenseiter, da „Emortality“ diese Schwächen nicht „heilen“ kann. Wie in den anderen Arbeiten seiner Zukunftssage müssen Stablefords Charaktere einen inneren Reifeprozess durchlaufen, der öfter konträr zu der soziologischen und vor allem technologischen Entwicklung seiner Zukunftswelt verläuft. Das Ende des Buches ist optimistisch und pessimistisch zu gleich. Geschickt schließt der Autor nicht nur den Kreis dieses Romans, sondern der ganzen Serie ab. Wie interessant der Autor die anderen fünf Romane miteinander verknüpft hat, zeigt sich bei Zimmermans anfänglich zumindest in der Theorie dominierenden Einfluss. Als Fanal einer längst vergessenen, kapitalistisch orientierten im Vergleich zur deutlich sozialistischeren Zukunft besuchen ihn mit Mortimer Gray oder Alice Fleury politisch elementare Figuren, die ihre Feuertaufen in den voran gegangenen Romanen hinter sich gebracht haben.
Während Zimmerman wie ein kurioses Artefakt und im Vergleich zu Wells Protagonisten deutlich passiver diese Zukunft kennenlernen und zu verstehen sucht, droht aus einer gänzlich anderen Richtung Gefahr. Stableford versucht mit den Mitteln der tragischen Komödie die teilweise düsteren Vorgänge der ersten Romane durch die neue herangezüchtete „Bedrohung“ im abschließenden Band zu relativieren, schießt dabei aber über das Ziel deutlich hinaus. Wie angesprochen boten insbesondere die ersten vier Romane eine überzeugende Mischung aus Kriminalgeschichte und futuristischem Hintergrund, wobei die „Morde“ nicht immer zufriedenstellend aufgelöst worden sind. Alleine die Idee einer Suche nach der buchstäblichen Nadel im Heuhaufen führte zu einer äußerlichen Relativierung der Umstände und einer Selbstreflektion über das bisher im Leben erreichte. Diese konträren Positionen bog der Autor niemals zurecht, so dass am Ende die emotionale Ebene immer den eigentlichen Plot dominierte. In „The Omega Expedition“ ist die Bedrohung fast schon wie bei einer Farce überzogen und wirkt angesichts des dreidimensionalen, existentiellen Hintergrunds der Figuren und ihre Wirkung auf die überraschte, unvorbereitete Welt wie ein Kompromiss gegenüber dem klassischen Leser, der keine Stillleben, sondern Actionelemente erwartet. Daher wirkt der etwas zu lange Mittelteil des Romans weniger ambitioniert, sondern mit seinen Verfolgungsjagden und Entführungen inklusiv der obligatorischen Befreiung durch die einzigen lebenstüchtigen Menschen dieser Zukunft zu stark konstruiert und weniger fließend als die stimmigen Beschreibungen einer gesellschaftlich sozialen Extrapolation, basierend alleine auf dem Gedanken, dass die Fortschritte in der Medizin Langlebigkeit mit allen Vor- aber auch Nachteilen versprechen. „The Omega Expedition“ ist vielleicht kein krönender, aber ein aus unterschiedlichen Gründen sehr interessanter Abschluss eines Sechsteilers, der zu den ambitioniertesten Projekten der Science Fiction seit vielen Jahren gehört. Wer das ganze Panorama kennen lernen möchte, sollte die sechs Romane nicht in der chronologischen Reihenfolge, sondern in der Abfolge ihres Erscheinens lesen. Wer nur einmal kurz in diese fremdartige Zukunft schauen möchte, dem reicht der vorliegende letzte Band mit seinen ausführlichen, aber niemals den Lesefluss störenden Hintergrundinformationen.
- Format: Kindle Edition
- Dateigröße: 1174 KB
- Seitenzahl der Print-Ausgabe: 544 Seiten
- ISBN-Quelle für Seitenzahl: 0765305984
- Verlag: Tor Books (1. April 2010)
- Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
- Sprache: Englisch
- ASIN: B000FA5UXC