Im Original heißt der mittlere Teil der „Indrana- Krieg“ Trilogie „After the Crown“. Und der Titelpasst sogar besser zu dem rasanten Plot.
Am Ende des ersten Buches musste Hail Bristol, die jahrelang unter einem anderen Namen und unter anderem als Waffenschmugglerin im Exil gelebt hat, erkennen, dass das Besteigen des Throns im Rahmen einer natürlichen Erbfolge gegen alle Wahrscheinlichkeiten leichter ist als auf dem Thron wirklich lange und erfolgreich zu herrschen. Viele ihrer Verwandten und in der Thronfolge vor ihr stehend sind entweder umgebracht worden oder unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen.
Ihre Mutter ist ja langsam vergiftet worden und hat deswegen auf dem Thron schlechte Entscheidungen getroffen.
Die Handlung der Fortsetzung setzt nur wenige Tage nach dem ersten Buch „Before the Thron“ ein. Der Roman beginnt mit den Hinrichtung der Verschwörer, die ihre Verwandten umgebracht haben. Auch wenn Hail kein brutaler und sadistischer Mensch ist, weiß sie, dass sie in der futuristischen und doch archaischen Monarchie durchgreifen und Profil gewinnen muss. Deswegen ist es konsequent, die Verschwörer offiziell und öffentlich hinzurichten. Es ist die Stärke der Autorin, diese schwierige und ohne Frage auch provozierende Szene so gut zu schreiben, dass die bedrohliche Stimmung bleibt, aber Hails Denkweise vom Leser akzeptiert werden kann.
Dem in sich zerstrittenen Königreich droht aber auch ein Konflikt mit den Saxons, die vor allem hinter den Kulissen sehr aggressiv agiert haben. Das erste Treffen mit König Trace verläuft nicht gut. Vielleicht baut die Autorin in diesem Szenario zu sehr auf Vertrautes und schleicht am Rande des Komik entlang, um Hails schwierige Position noch unmöglicher zu machen.
Vor allem weil die Autorin ihr auch relativ schnell wieder die Thronposition nimmt. Im ersten Band hat sie deutlich gemacht, das Hail im Grunde wenig Wert auf die Krone wie auch die Zeremonien oder die Verantwortung legt. Mühsam hat sie die Pflichten auf den ersten Seiten des zweiten Buches akzeptiert, aber nicht verinnerlicht, als ihr der Thron schon wieder entriessen worden ist.
Der große thematische Unterschied zwischen den beiden Bücher liegt in der Perspektive. Im ersten Band konnte sie auf dem Weg zum Thron zwar nur reagieren, aber sie hatte ein klares Ziel vor Augen und der Weg war ausgesprochen geradlinig. Im zweiten Buch muss sie nach dem Verlust der Macht durch die Saxons, aber auch Verräter in den eigenen Reihen agieren, um genau das wieder zu erobern, das sie eigentlich nicht mag. Von einer bitteren Ironie zu sprechen wäre zu viel gesagt, dazu ist die Action zu rasant und die Autorin konzentriert sich positiv darauf, das Tempo hochzuhalten als Exkurse in die Politik anzubieten.
Mittlere Bücher einer Trilogie sind immer schwer zu schreiben. Der Plot muss weiter voran getrieben werden, auf der anderen Seite darf nicht zu viel aus dem Schlussband quasi nach vorne gezogen werden. Auch K.B. Wagers Roman leidet unter diesen beiden Prämissen. Am Ende des Buches ist im Grunde keine inhaltliche Entscheidung getroffen worden. Die Situation ist noch komplizierter.
Im Gegensatz zu den weiterhin viel zu oberflächlichen Hintergründen des Universums, die nicht selten nur aus beiläufig von der Ich- Erzählerin eingeworfenen Phrasen, in den seltesten Fällen erklärenden Beschreibungen bestehen, ist die komplexe Handlung sehr gut und meistens jederzeit nachvollziehbar entwickelt worden. Schon im ersten Buch hat die fast ausschließliche Fokussierung auf Hail geholfen. An ihrer Seite hat der Leser nicht nur zahlreiche Abenteuer und aussichtslose Situationen erlebt, auch alle politischen Hintergründe sind ihr stellvertretend für den Leser erläutert worden.
Wagers verzichtet auf die Idee eines unzuverlässigen Erzählers. Heils Stimme ist weiterhin erfrischend und man kann sich vorstellen, das die junge Frau von ihrer Zeit als Waffenschmugglerin extrem geprägt einen frischen Wind in die verstaubten Monarchien bringen würde. Kritisch ist dabei zu sehen, dass sie aus ihrer im Kern demokratisch freien Zeit als Piratin zu wenig Basisdemokratie mitnimmt und sich mit ihren Leibwächtern Emmerory und Zin an ihrer Seite sehr schnell in das Herrschen von oben herab eingewöhnt. Zumindest die kurze Zeit auf dem Thron.
Hails Stimme erinnert zwar vordergründing an die sarkastischen, weltmüden und mit sich selbst unzufriedenen Erzähler/ Detektive des Film Noir, aber Im Gegensatz zu diesen vom Leben enttäuschten Protagonisten ist Hail zu aktiv. Sie ist es gewöhnt, auf eigene Verantwortung auch zum Frust ihrer Leibwächter zu handeln und nicht immer wieder zu taktieren und politisch zu reagieren. Diese Mischung aus Erziehung und Instinkten macht sie zu einer ausgesprochen lebendigen Figur in einem Universum, das mit dieser inzwischen manchmal stereotypen Mischung aus ferner Zukunftstechnik mit zu Generationenkriegsschiffen und königlichen Pflichten so fremdartig und doch vertraut erscheint. Hail ist eine Figur der gegenwärtigen Abenteuerliteratur, die in die Zukunft verlegt worden ist.
Dieser Reifeprozess durchläuft verschiedene Stufen. Am Ende muss Hail zu Hao, ihrem Ziehvater aus der Zeit der Waffenschmuggler zurückkehren, da sie neue vertrauenserweckende Alliierte benötigt. Wagers geht dabei einen Schritt weiter als im ersten Roman und baut die inzwischen standesgemäßen Unterschiede auf eine interessante Art und Weise in die laufende Handlung ein.
Auch wenn sie ihre direkte Umgebung beginnend mit den beiden verheirateten Leibwächtern und endend bei Heao mit ihrer fast immer improvisierten Plänen frustriert. In der direkten Figurenkonstellation macht Wagers den kleinen Fehler, den vor allem im Auftaktbuch dominanten und immer wieder in wichtigen Szenen dominierenden Emmoery nicht zuletzt aufgrund seiner schweren Verletzung eher in den beratenden Hintergrund zu stellen. Dadurch fehlt einigen Dialogen nicht nur die pointierte Schärfe, sondern beim Leser genau in dem Augenblick die Idee, dass Hail wirklich nicht alles alleine wissen/ entscheiden kann und gerade diese Mischung aus der Kampferfahrung der Leibwächter und Hails „Anything Goes“ Attitüde den Unterschied zu den verkrusteten monarchischen Strukturen macht.
Das Tempo ist nicht einmal deutlich höher, auch wenn einige der nicht wenig brutalen Actionszenen gut geschrieben, aber angesichts des menschlichen Leids auch zu oberflächlich geschrieben worden ist. Hail hetzt im Grunde nicht auf einen Punkt – den Thron – wie im ersten Buch zu, sie wird buchstäblich auch durch Verräter in den eigenen Reihen von einer Fluchtbasis zur nächsten getrieben, bis ihr in die Ecke getrieben nur noch die Offensive bleibt. Diese dürfte das Herzstück des letzten Buches bilden.
Es ist wichtig, die Trilogie im Grunde als einen großen Roman anzusehen und unbedingt mit dem ersten Buch anzufangen und nicht darauf zu hoffen, dass einige der Lücken während des Laufes erläutert werden. Diese Hintergrundinformationen sind wie erwähnt eher spärlich, aber wie das erste Buch haucht die Autorin der klassisch modernisierten und nicht etwa barocken Space Opera mit diesen sehr kurzweilig zu lesenden Büchern ein erstaunlich dreidimensionales Leben beginnend mit den Protagonisten und endend bei den zahllosen Actionszenen ein.
- Taschenbuch: 464 Seiten
- Verlag: Heyne Verlag (13. August 2018)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 9783453318786
- ISBN-13: 978-3453318786
- ASIN: 3453318781
- Originaltitel: After the Crown