Max Allan Collins ist vor allem durch seine historischen Detektivromane, die Serie um den Auftragsmörder Nolan und schließlich auch die Fortführung der „Mike Hammer“ Reihe bekannt geworden. Eine detaillierte Recherche in Kombination mit exakt gezeichneten eindrucksvollen Protagonisten und die Kombination von historischen Fakten mit spekulativen Ideen hat ihn ausgezeichnet. Höhepunkt ist in dieser Hinsicht die Serie um den Privatdetektiv aus Chicago beginnend in den dreißiger Jahren der Gangsterkriege und fortlaufend bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.
Zusammen mit seinem Recherche Assistenten Matthew V. Clemens hat der Amerikaner mit der „Reeder & Rodger“ Serie sich auf das Mienenfeld des modernen politischen Paranoiathrillers gewagt und ist zumindest was den ersten Band angeht krachend gescheitert. Max Allan Collins macht in der Figur des ehemaligen Secret Service Agenten Joseph Reeder klar und deutlich, was er von den Republikanern im Allgemeinen und dem aus seiner Sicht egoistischen alternden Führungselite dieser Partei selbst in der Zeit vor Trump hält: gar nichts. Joseph Reeder ist ein Held. Er hat die Kugel für einen amerikanischen Präsidenten abgefangen, den er selbst niemals gewählt hätte. Obwohl wahrscheinlich deutlicher jünger – die Charakterzeichnung mit der neunzehnjährigen Tochter und den Geburtsdaten erscheint eher ambivalent als nachhaltig zwischen den beiden Autoren abgestimmt - als Clint Eastwood erinnert der Charakter an eine Mischung aus „Dirty Harry“ und dem Leibwächter eines amerikanischen Präsidenten, den der Schauspieler in „In the Line of Duty“ verkörperte. Ein wenig älter hätten die bislang drei Romane um Joseph Reeder sogar direkt Fortsetzungen dieses Films sein können. In dieser Hinsicht nicht einmal schlechte Fortsetzungen.
Joseph alias Joe Reeder ist als Held aus dem aktiven Dienst ausgeschieden, hat patriotisch eine saubere Sicherheitsfirma gegründet, neunundvierzig Prozent davon verkauft und ist jetzt vermögend. An einer Stelle vergleicht Max Allan Collins seine Figur mit der Baseball Legende Pete Rose, der aufgrund seiner Spielsucht niemals in die „Hall of Fame“ aufgenommen worden ist. Reeders liberale, patriotische und konservative Einstellung hat einer Reihe von mächtigen Männern in Washington übel aufgestoßen, obwohl momentan ein liberaler Präsident im Weißen Haus regiert. Diesen Widerspruch klären die beiden Autoren an keiner Stelle des Romans nachhaltig genug auf.
Der Roman beginnt mit einem Mord an einem der Richter des obersten Gerichtshofes. Anscheinend ist er während eines Raubüberfalls erschossen worden, als einer der Täter sich bedroht fühlte. Reeders Firma war für die Sicherheitsmaßnahmen zuständig. Beim Betrachten der Aufnahmen der Sicherheitskameras ist Reeder der Ansicht, dass der Richter sich erstens feige durch den Notausgang hinausstehlen und seinen Assistenten zurücklassen wollte und zweitens es sich um keinen Raubmord während eines Überfalls handelt, sondern das der Richter förmlich hingerichtet worden ist. Er gibt seinen nur auf den Bildern basierenden Verdacht an seinen ehemaligen Vorgesetzten und Freund beim FBI weiter.
Die Sondergruppe mit FBI, Homeland Security und der örtlichen Polizei auch in Form der attraktiven Beamtin Rogers kommt nicht richtig weiter. Durch einen Zufall finden sie zwei mögliche Täter, die beide bei der Festnahme entweder verletzt oder getötet werden. Der Fall wäre damit abgeschlossen, Rogers hätte Unrecht gehabt.
Ein intelligenter Täter wäre vor allem angesichts der Tatsache, dass die Ermordung eines der hohen Richter eine Neuberufung und damit auch einen Stopp der anstehenden wichtigen Fälle nach sich gezogen hätte, erst einmal auf Tauchstation gegangen. Stattdessen wird kurze Zeit später wieder ein hoher Richter ermordet. Hinzu kommt, dass es sich bei beiden Richtern um Republikaner handelt. Der demokratische Präsident könnte jetzt mit zwei Neuernennungen des politische Gleichgewicht im obersten Gerichtshof umdrehen. Der letzte Präsident, der einen Richter von der allerdings gemäßigten Opposition ernannt hat, ist John F. Kennedy gewesen.
Spätestens ab diesem Augenblick sind alle überzeugt, es mit einer Gruppe professioneller Auftragskiller zu tun zu haben, deren Motive noch im Dunkeln sind. Roger ist wieder im Spiel.
Ohne dieses Konstrukt – die Autoren suchen nachher eine Lösung für diesen anscheinenden Fehler des Anführers der Täter zu suchen – wäre „Supreme Justice“ nach einem Drittel des Buches am Ende und der Leser könnte sich fragen, welchen eindimensionalen Überhelden die beiden Autoren vielleicht ohne es zu merken aus den achtziger Jahren in die Gegenwart verfrachtet haben. Ob die Grundidee wirklich so alt ist, kann nicht beantwortet werden, aber die Serie hätte wahrscheinlich aus der Gegenwart in diese Epoche versetzt überzeugender gewirkt. Vor allem hätten sich die beiden Autoren von der Masse ähnlicher Stoffe absetzen können.
Das große Problem ist der fast allgegenwärtige Überheld Joe Reeder, der selbst an seiner schwachen Flanke mit der späteren Entführung seiner Tochter als letztes Klischee getroffen immer noch weiter ermittelt und schließlich den finalen Täter alleine aufgrund der Hoffnung stellt, das die einzige aktive in Frage kommende Figur in einem einzigen Punkt noch eine menschliche Seite hat. Eine schwache Karte, auf welche John Reeder setzt. Allerdings hilft ihm auch das abschließende Motiv, das bei weitem nicht so stark ist, wie die Zerstörung der amerikanischen Justiz oder die Schaffung einer politischen Krise durch vielleicht falsche personelle Entscheidungen des Präsidenten. John Reeder ist manchmal einen Schritt zu spät, aber er hat niemals Unrecht oder irrt sich in den meisten Details.
Dank seiner Beobachtungsgabe und seiner Erfahrung kann er fast alle Menschen umgehend einschätzen und schafft es sogar, dass sie ihm nach wenigen Tagen mehr vertrauen als den Vorgesetzten vieler Jahre. Hinzu kommen seine ungewöhnlichen Reflexe und Instinkte. Max Allan Collins stilisiert ihn zu einem stoischen Einzelgänger und Überhelden wider Willen, dessen Ehe an seiner Eigenart gescheitert ist, andere Menschen nicht in sein Leben einzubeziehen. Auch das Verhältnis zu seiner Tochter mit ihrem ersten Freund ist eher angespannt. Es sind erstaunlich viele Klischees, welche der Autor um seinen Protagonisten herum sammelt.
Unglaubwürdig wird es, wenn er an Tatorten innerhalb kürzester Zeit mehr Informationen sammelt und Fakten zusammenstellt als es ein ganzes vorhandenes Expertenteam machen
Kann. Die inhaltlich extreme Fokussierung auf den stoischen Reeder lässt die ihn umgebenen Figuren noch eindimensionaler und vor allem mechanischer erscheinen als es wahrscheinlich die Absicht gewesen ist. Reeders menschliche Seite scheint das Wandern vor allem sehr frühmorgens über den Heldenfriedhof von Arlington zu sein. Einer der vielen Querverweise auf die Entwicklungen, die in den USA in den letzten Jahren berechtigt oder unberechtigt aus Sicht des sehr liberalen Max Allan Collins schief gelaufen sind. So wirkt Reeder wie angedeutet als ein Produkt der nicht unbedingt politisch liberalen achtziger Jahre mit der Technik des 21. Jahrhunderts, wobei interessanterweise Reeder vor allem ein Mann der Eigeninitiative ist, der sich weniger auf Stundenlange Analysen in den Laboren verlässt.
An seiner Seite erscheint seine neue Partnerin Rogers noch blasser als es meistens die Frauentypen in Max Allan Collins Büchern sind. Sie erschrickt über Reeders explosive und aus ihrer Sicht exzessive Gewalt, wobei es in den beiden relevanten Szenen auch schwer zu beurteilen ist, wo die Grenze liegt. Beim finalen Showdown handelt Reeder ausgesprochen professionell und zielstrebig mit einem hohen Maß an Risiko. Rogers wackelt sehr schnell, aber dem Plot geschuldet in ihrer Loyalität. Zumindest baut sich keine Romanze zwischen den beiden sehr unterschiedlichen Menschen auf, aber das Wort „Partner“ scheint die klassische Copbedeutung von wichtigsten Freund im Leben einzunehmen. Es wird zumindest oft benutzt.
Neben der bislang eher eindimensional Rogers sind auch die Schurken/ Ordnungshüter der Staates eher eindimensional und schematisch beschrieben worden. Aufgrund verschiedener Andeutungen und Exkurse konzentriert sich die Aufmerksamkeit der zwischen den Zeilen interpretierenden Leser auf einen einzigen Verdächtigen, die Autoren scheuen aus dem Hintergrund einen neuen Stripperzieher gegen Ende der Handlung zu etablieren. Bis dahin stehen alle Figuren im Schatten von Reeder, agieren nach Plan oder staunen über diesen charismatischen Antihelden, den Max Allan Collins in den angesprochenen vom Establishment angewiderten Clint Eastwood Tradition zu etablieren sucht. Insbesondere für Profis in wichtigen Ämtern oder erfahrenen CIA/ FBI und Polizeibeamten ist das viel zu wenig, um wirklich überzeugen zu können oder zumindest eine halbwegs nachvollziehbare Balance zwischen den einzelnen Protagonisten herzustellen.
Der Plot verliert gegen Ende mit einer weiteren politischen Agitation der fragwürdigen republikanisch konservativen Politik an Tiefe. Es ist weniger eine politische Verschwörung, um die juristische Ordnung des Landes zu unterminieren als ein persönliches Motiv. Es ist schade, dass die Autoren aus dem ohne Frage schnell, ein wenig hektisch bis rasant für die typische Pendlers- Schnellleser-Generation nicht mehr gemacht haben. Die Erwartungshaltung an Max Allan Collins ist einfach höher als dieser höchstens solide spannungstechnisch gegen Ende enttäuschende Auftakt einer neuen in der relativen Gegenwart spielenden Serie um einen stoischen aufrecht demokratischen amerikanischen Einzelgänger mit einer patriotisch heroischen Vergangenheit es widerspiegelt.
Taschenbuch, 280 Seiten
Verlag Thomas & Mercer