The Old Guard: Erstes Gefecht

Old Guard, Rucka, Titelbild
Greg Rucka

Nach fünfzehn Jahren arbeiten Greg Rucka und Leando Fernandez ein weiteres Mal zusammen. Zum ersten Mal bei „Queen & Country“ ist es dieses Mal die fünfbändige, in den USA für  Image Comics erschaffene Miniserie um eine Handvoll relativ Unsterblicher.

Fasst man die Serie konzepttechnisch zusammen, so bleiben auf den ersten Blick zu viele Fragen offen. Unter den Menschen gibt es eine Handvoll von relativ unsterblichen Personen.  Wie man ein Unsterblicher wird,  erfährt der Leser nicht.  Was sie von den Menschen unterscheidet, bleibt im Dunkeln. Auch scheinen sie nur bedingt unsterblich zu sein. Wie einem Newcomer  in dieser nur noch aus dann fünf Personen bestehenden Riege erklärt wird, können sie hunderte von Jahren leben, niemals  altern, jeglichen „Tod“ durch Gewalteinwirkung oder Krankheiten überstehen, um sich dann plötzlich aus dem Nichts heraus das Genick zu brechen oder an einer unbedeutenden Wunde zu sterben. 

Dieser Ansatz ist ein Novum in der Geschichte der Unsterblichen. Schon „Man of Earth“ – ein Film basierend auf einem der populärsten “Twilight Zone“ Autoren – hat sich mit der Idee eines langlebigen, wenn nicht unsterblichen Menschen in einer immer moderner werdenden Zivilisation auseinandergesetzt. Um nicht aufzufallen, müssen sie in der Theorie schneller ihre jeweiligen Plätze wechseln. Auf der anderen Seite war es niemals einfacher, sich zu verkleiden, zu verändern und das in einer derartig überzeugenden Manier, dass in dieser anonymen, gesichtslosen, vom Internet bestimmten Gesellschaft ein tatsächlicher Verbleib über lange Zeit auch möglich ist.  Mit seinen dreidimensionalen Figuren, der Idee einer Einsamkeit in Kombination mit einem für  Soldaten typischen Überlebenswillen gesteuertem Zusammenhalt trifft Rucka die richtigen Töne. 

Fatalistisch  kommt hinzu, dass diese relativ Unsterblichen sich nicht töten können. Selbst waghalsige Einsätze,  die zu unzähligen Wundern führen, bedeuten nicht  den Tod. Diese fehlende Angst selbst vor einem gewaltsamen Tod hebt Ruckas Unsterbliche wie angedeutet aus der Masse der Zellaktivatorträger einer Perry Rhodan Serie, den Unsterblichen aus der  Science Fiction und schließlich auch einer Reihe von Superhelden, aber eben nicht allen Superhelden  hervor.

Natürlich bedeutet die Ambivalenz, mit welcher Rucka vorgeht, auch das Risiko, dass Leser seine Serie als oberflächlich geplant und zusammengeschrieben ansehen. Diesem Risiko ist nicht entgegenzusetzen, denn es ist erstaunlich, mit welcher Naivität die kleine Truppe anfänglich alle ihre eisernen Regeln verletzend in eine Falle gehen und der Anschlag auf sie gefilmt wird.

Als  ironischer Kontrapunkt wird gerade dieses digitale  Material nicht anerkannt und mit dem Hinweis abgetan, dass jeder in einem CGI Trickstudio derartige Sachen fälschen kann. Damit schließt sich der Kreis zur bisherigen Argumentationsbasis, dass die Unsterblichen immer auf der Achse sein müssen, um sich vor den Menschen zu verstecken. 

Daraus entwickelt sich dann aber eine sehr geradlinige Actiongeschichte.  Die Gruppe um die attraktive Söldnerin Andy, über deren Vergangenheit der  Leser direkt wie indirekt am Meisten erfährt, schwört Rache und will nicht nur den Verräter, sondern auch dessen Hintermann entlarven. Wie es sich für derartige Geschichte gehört, ist es sinnvoller, den Feind näher bei sich zu heben denn den Freund.  Auch wenn die Geschichte Ansätze aus Ruckas Lazarus übernommen hat und der Hintergrund ein wenig für „Stumptown“ – ebenfalls eine Rucka Geschichte – erscheint, entwickelt sich durch Andys spröde, abweisende und doch auch vielschichtige Art eine solide Beziehung zwischen  den Lesern und den Charakteren. Ohne diese  emotionale Bindung wären die Schwächen der  Miniserie mit einer Reihe von Klischees sehr viel leichter zu erkennen und die potentielle Vorhersehbarkeit des  Plots schwerer zu ertragen. 

Wie bei der Verfilmung des Comics „Deadpool“ ist es weniger das große Ganze trotz einer interessanten, aber wie schon erwähnt nur oberflächlich extrapolierten Idee als die  kleinen Szenen, in denen „The Old Guard“ besser funktioniert.

Die Unterstützung durch die Actionszenen ist dabei wenig hilfreich.  Leando Fernandez ist ein zu ambivalenter Zeichner,  als  dass  der  Leser  von Realismus sprechen kann. An einigen  Stellen ist es schwer, die einzelnen Hauptfiguren voneinander zu unterscheiden. Die Szenen bestehend aus wahren Blutfontänen in grellen, künstlich erscheinenden Farben gehen zu krass ineinander über und nehmen der Geschichte die Zwischentöne. Vor allem der Verzicht auf einige Details distanziert den Leser vom Geschehen. Silhouetten, Zwischenschnitte, hektische Szenenwechsel sollen demonstrieren, dass  Krieg in jeder Form von den Heroen der Antike bis zu den Söldnern der Gegenwart immer brutal und grausam  ist.  Das ist dem Leser schon nach dem ersten Heft klar. Aber ab einem bestimmten Punkt sollte ein Autor den nächsten Schritt gehen und die Handlung weiter entwickeln. 

Hier sprechen Rucka und Fernandez zwar die bekannten Probleme wie Einsamkeit – Andy verliebt sich in einen ehemaligen Sklaven, Flüchtling und Sträfling, der an ihrer Seite altert, aber keine Fragen stellt – und Gefahr vor der Entdeckung fast mechanisch zählend an, aber es fehlt der Geschichte die Tiefe.  Die anderen Mitglieder des Teams wirken zu exzentrisch, auch wenn die homosexuelle Beziehung zwischen zwei Männern als provozierend schockierende Variation der Anne Rice Vampire nicht gänzlich überzeugt. 

Sollte die Idee hinter der Geschichte gewesen sein, die alten Mythen und Ideen zu enttarnen, vier altersmüde Soldaten und einen Frischling weniger als Unsterbliche, denn als Menschen darzustellen, so funktioniert diese Vorgehensweise in Ansätzen ausgesprochen gut, an wichtigen emotionalen Stellen mit dem entsprechenden wenig subversiven Humor gar nicht. Wie der Hintergrund der Geschichte ist „Die alte Garde“ vor allem optisch und handlungstechnisch ein schnell goutierter Genuss, über den  der  Leser  möglichst wenig nachdenken sollte. Ansonsten erkennt er die Nähte, mit denen Rucka seine Söldnerstory zu grob mit heißer Nadel zusammen gefügt hat. 

  • Gebundene Ausgabe: 184 Seiten
  • Verlag: Splitter-Verlag; Auflage: 1 (17. November 2017)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3962190384
  • ISBN-13: 978-3962190385
  • Originaltitel: The Old Guard
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