Hans Dieter Steinmetz hat in „Auferstehung in der Heimat“ die Spuren verfolgt, die Karl May vor allem in einem Tageblatt durch den Nachdruck seiner Werke hinterlassen hat. Dabei werden auch umfangreiche Briefe bezüglich der Nachdrucke im „Hohensteiner- Ernstthaler Tageblatt und Anzeiger“ zitiert. In Kombination mit der nachfolgenden Arbeit „Der schwierige Weg von Norland nach Suderland“ ( Christoph F. Lorenz) verdeutlichen vor allem die verschiedenen Zitate, wie schwer sich manche Verleger auf der einen Seite mit dem populären Karl May getan haben, um zweitens dessen literarisches Erbe der Nachwelt nicht mehr so zu erhalten, wie es die Vorlagen hergeben. Dabei reicht der Schatten im zweiten Artikel beginnend mit dem Austausch von Material im Vorgriff auf die verzögerte Veröffentlichung der Karl May Bücher bis his zur Bearbeitung der Kolportageromane Karl Mays für die Werksausgabe. Es kommt noch ein zweiter Punkt. Minutiös werden zu Anfangs die engen Begrenzungen der Zeitungsbeilagen – ein Fortsetzungsroman reichte bis Ostern, so dass eine zeitgemäße Geschichte Karl Mays erst später veröffentlicht werden konnte – bis hin zu den Verschiebungen einzelner Kurzgeschichten in der eigentlichen Werksausgabe analysiert, bevor das im Grunde schwierige Thema einer Bearbeitung des Karl May Kolportageromane im Geiste des Schöpfers, aber frei von direkten oder indirekten unsittlichen Einschüben vorgestellt wird. Vielleicht hätte der Autor noch ein wenig in die Tiefe gehen müssen, um das namentliche Fehlern des wichtigsten Redakteurs in den eigentlichen Veröffentlichungen herauszuarbeiten. So bleiben dem Autoren am Ende nur Vermutungen.
In diese Kategorie kann auch die Begegnung mit Pater Biever am SeeGenezareth eingeordnet werden. Die Begegnung hat auf der Orientreise stattgefunden. Die Männer haben sich auch gut verstanden und Pater Biever scheint mit Einschränkungen auch ein Karl May Fan gewesen zu sein. Hartmut Schmidt beginnt dann allerdings Realität und May´sche Fiktion – in diesem Fall von dessen Frau – zu unterscheiden. Die beschriebenen Erlebnisse machen kartographisch keinen Sinn- Hinzu kommt, dass die möglichen Rettungstaten Karl Mays zu sehr ausgeschmückt worden sind. Es sind aber diese Details und persönlichen Begegnungen, welche die Reisen unabhängig von den dichterischen Freiheiten auch heute mehr als einhundert Jahre später noch so dreidimensional und „nachvollziehbar“ erscheinen lassen.
Nicht selten suchen die Autoren der „Karl May Welten“ ihren realen Autorenhelden wie dessen fiktive Figuren in vielerlei Texten. Christina Wehnert setzt sich mit Kurt Schwitters 1926 veröffentlichten Text „Die Reise nach Indien“ auseinander und sucht in der fast neutral als Fabel/ Märchen niedergeschriebenen Geschichte Bezüge weniger zu Karl Mays Abenteuerromanen, sondern seinem eigenen Leben und Schicksal. Die Interpretationen gehen dabei sehr weit und scheinen teilweise über das Ziel hinauszuschießen, da vor allem die ebenfalls abgedruckte ausgesprochen kompakte Geschichte auch wie eine klassische Märchenstory erscheint, in welcher der Autor schwermütig ein Schicksal, aber nicht unbedingt den Weg des Winnetou Schöpfers aus Sachsen nachzuzeichnen sucht. Der Leser mag sich an diesen extremen Interpretationen reiben, aber auch eckige Texte bereichern den vielfältigen Inhalt der „Karl May Welten“. Selbst wenn der Leser einer gänzlich anderen Meinung ist.
Karl May und seine Figuren sind ein Massenphänomen, das in den fünfziger und sechziger Jahren eine Vermarktungskette vor und während der Verfilmungen erreicht hat, die dann Komplexität nicht „Star Wars“ oder „Disney“ das Wasser reichen, aber trotzdem beeindrucken kann. Wilhelm Brauneder stellt eine seltene und aus heutiger Sicht auch seltsame Art der Visualisierung vor: „Difiton“, eine Mischung aus Tonaufnahmen und Dias. Hinzu kommen die schon in den zwanziger Jahren ausgestrahlten Hörspiele, über die Jürgen Seul auch mittels Zitaten aus Briefen berichtet. Interessant ist, dass der Verlag eher verzweifelt und wahrscheinlich auch naiv sich bemühte, Karl May als den größten Einfluss der Jugend darzustellen, während die braunen Machthaber in dieser Hinsicht schon ihren Führer als Vorbild der Jugend etabliert haben. Im Gegensatz zu den qualitativ unterdurchschnittlichen Verfilmungen, auf welche Michael Pretzel später in diesen „Karl May Welten“ eingehen wird, unterstreicht Jürgen Seul, mit welcher Ambition, aber auch Qualität Karl May für das auch noch relativ neue Medium des Radios bearbeitet worden ist. Malte Ristau stellt mit den Elastolinfiguren auf der Hausser Produktion eine Freude der Babyboomer Generation und gleichzeitig ein bekehrtes Sammelgebiet der jetzigen „Alten“ vor. Neben Zitaten aus Briefen zeichnet der Autor eine mehrere Jahrzehnte andauernde, faire Kooperation nach, in welcher sich der Verlag aus Bamberg und der Figurenproduzent im Grunde perfekt ergänzten, wobei Hausser aus den vorhandenen literarischen Vorlagen fast zu wenig machte.
Aldolf Kellenberger geht noch einen Schritt weiter, in dem er sich mit der Technik des Henrystutzen auseinandersetzt und diesen theoretische Entwicklung vor allem in der zweiten Hälfte seines Essays den unterschiedlichen Beschreibungen gegenüber stellt, die Karl May selbst in seinen Büchern manchmal ein wenig phantasievoll wie technisch ahnungslos entwickelt hat. Im nächsten Schritt versucht sich der Autor nicht nur auf dem Papier in der Theorie, sondern tatsächlich einem funktionierenden Henrystutzen zu nähern, in dem er visualisiert durch einige Zeichnungen eine solche Waffe nachzubauen sucht. Es ist ein interessanter Exkurs, in dem Karl Mays Theorie auf tatsächliches handwerkliches Fachwissen trifft.
Sehr unterschiedlichen mit den Karl May Verfilmungen im Herzen setzen sich zwei Artikel mit dem Phänomen auseinander. Thomas Winkler berichtet von den verschiedenen Reisen zu den Drehorten in Jugoslawien in „Im Schatten des Tulove Gerde“. Da die Reisen über einen längeren Zeitraum beginnend anscheinend in den achtziger Jahren bis nahe an die Gegenwart stattgefunden haben, werden nicht nur die unterschiedlichen Hilfsmittel – ein Kofferraum voll Karl May Material – benannt, sondern dieses kurzweilige geschriebene, vielleicht an einigen Stellen zu kompakte Essay zeigt, wie warmherzig und gastfreundschaftlich vor allem das inzwischen zerfallene Jugoslawien auch zur Zeit des eisernen Vorhangs gewesen ist. Es ist eine aus der persönlichen Perspektive kurzweilig zu lesende Zeitreise.
Wie einige anderen Arbeiten dieser Karl May Welten unterlegt Michael Petzel sein „Mit Karacho in die Pleite – Neue Erkenntnisse über die Karl May Stummfilme“ vor allem mit ganzen Briefen, die ein abenteuerliches, von vielen Seiten auch naives Bild der Filmproduktion per se, aber auch der Finanzierung der drei kurz hintereinander mit verheerenden Kritiken gezeigten Filme, welche nicht der Nachwelt erhalten geblieben sind. Das ganze Essay ist lesenswert und sehr gut strukturiert, auch wenn der Autor im Anhang einige Sachverhalte erweitern muss, die in dieser Mischung aus hoffnungsvollem Projektbeginn bis Verleumdungsprozessen am Ende ein erstaunlich dreidimensionales Bild ergeben. Auch wenn die vielen Karl May Verfilmungen nicht immer den Geist des Schöpfers geatmet haben, ergibt sich bei diesen drei Stummfilmen vom Entwurf der Drehbücher an, dass in erster Linie billig der Name des populären Sachsen von skrupellosen Agenten ausgenutzt werden sollte, um möglichst viel Geld in die eigenen Taschen und fast nichts auf die Leinwand zu bringen. In bekannter Manier schließt Michael Petzel zumindest in der Theorie – die Filme sind inzwischen vom Zahn der Zeit vernichtet worden – mittels dieser Originaldokumente eine wichtige Lücke in der cineastischen Chronologie Karl Mays.
Neben den Rezensionen verschiedener Karl May Publikationen findet sich in der Mitte dieser mit einer schönen Illustration von Torsten Greis eingeleiteten fünften Ausgabe eine in Altdeutsch gehaltene Würdigung Karl Mays zu seinem 25. Todestag, der viele Karl May Fans bekannte Fakten noch einmal zusammenfasst.
Die breite Themenpalette spricht sowohl Karl May Interessierte als auch die Karl May Fans/ Fanatiker an, in dem neben der literarischen Auseinandersetzung mit dem Werk des Sachsen vor allem das Umfeld beleuchtet wird, das seine Figuren immer wieder in dieses Mal wirklich allen Medien vom Kino über das Hörspiel bis zum Dia, von kleinen Spielfiguren bis zu technischen Nachbauten des Henrystutzen abdecken.
Seiten: | 232 |
Format: | 13.0 x 19.5 cm |
Umschlag: | Paperback |
Titelbild: | Torsten Greis |
Erscheinungsjahr: | 2017 |
Verlag: | Karl-May-Verlag GmbH |
Bestell-Nr: | 03029 |
ISBN: | 978-3-7802-3029-4 |