Jules Vernes Kapitän Nemo- Neue Abenteuer Band 2 "Das Vermächtnis der Eissphinx"

Jules Vernes Kapitän Nemo, neue Abenteuer, Band 2, Titelbild
Thomas Ostwald

Der zweite Band der neuen Abenteuer „Kapitän Nemos“ weist erstaunlich viele Stärken und gleichzeitig auch Schwächen auf. Der Plot setzt unmittelbar ein, wobei die Idee des Erzählers und Harpuniers Ned Land anscheinend aufgegeben worden ist. Die Geschichte wird auf zwei signifikanten Handlungsebenen ausgesprochen stringent erzählt und Ned Land hat keine Möglichkeit, diese Informationen zu einem Bericht zusammenzufassen.

Noch eine zweite schwache Idee aus dem ersten Abenteuer ist zumindest vorläufig in den Hintergrund gestellt worden. Die enge Verbindung zwischen Jules Verne und einer seiner fiktiven Figuren.  Der Text wirkt befreiter und sprüht eher den Geist des Franzosen, auch wenn der Stil deutlich moderner, die Beschreibungen  kompakter und die „Brutalität“ explizierter sind, ohne das hier Grenzen verletzt werden.

Es gibt aber leider ein gänzlich anderes grundlegendes Problem mit diesem Band. Der Titel weist auf die letzten vielleicht fünfzehn Seiten hin. Natürlich ist es nicht die einzige Anspielung auf Jules Vernes Romane. Auch der Hinweis auf die erste inspirierende Geschichte von Edgar Allen Poe „The Narrative of Arthur Gordon Pym of Nantucket“ ist angebracht.  Der Autor macht aber aus diesem wirklich interessanten Szenario viel zu wenig und genauso verblüfft wie die Männer der „Nautilus“ schaut der Leser auf die letzte Seite, wenn eine schwierige, das U- Boot und die Besatzung bedrohende Situation relativ zügig mit einer Mischung aus Intellekt und Technik gelöst worden ist.  Dabei ist die Prämisse wunderschön angelegt.  Die Nautilus gerät auf der Suche nach seltenen, in der Tiefsee zu findenden Rohstoffen in einen Mahlstrom und wird durch die magnetischen Kräfte der am Ende von Jules Vernes Geschichte untergegangenen Eissphinx angezogen und wieder wie zu Beginn der Serie in einer unterirdischen Höhle gefangen gesetzt. Nur scheint dieses Mal das Entkommen schwieriger.

Selbst Kapitän Nemo scheint am Erfolg zu zweifeln. Er hat Angst, wieder lange Zeit in einer Höhle gefangen zu sein. Eine perfekte Ausgangslage, um eine schwierige, aber gezielte Befreiung inklusiv neuer Erfindungen zu beschreiben.  Aber anstatt eine bedrohliche Atmosphäre aufzubauen und vor allem den Spannungsbogen zu forcieren, wirkt der Abschluss viel zu abrupt. Andere Reihe wie die neuen Abenteuer von Kara Ben Nemsi haben sich in dieser Hinsicht mit deutlich flexibleren Buchumfängen besser aus der Bedrouille gezogen.  Positiv dagegen ist, dass wahrscheinlich Thomas Ostwald seinen Band inhaltlich abgeschlossen präsentieren wollte und nicht auf einen Cliffhanger setzte.

Das Finale ist von seinen Voraussetzungen her der beste Teil des Romans, der rückblickend am Schwächsten umgesetzt worden ist.

Vor allem die ersten Hälfte des Romas besteht aus fast klassischen Erzählstrukturen, die aber kritisch gesprochen an keiner Stelle wirklich Jules Vernes ausführlich, auch ein wenig selbst verliebten Stil ähneln. Dadurch erscheinen sie auch moderner. Ein wenig Pulp tut aber dem Stoff gut und irgendwo schwingt der Geist der dreißiger und vierziger Jahre eher zwischen den Zeilen durch.

Zuerst extrapoliert der  Autor einige der Nebencharaktere aus dem ersten Buch. Während Robur und das deutsche Genie an Bord schon in „Tötet Nemo“ ausführlich vorgestellt worden sind, folgen jetzt die Besatzungsmitglieder aus den unterschiedlichen Nationen, wobei neben dem Indianer vor allem der später zu einem der ersten künstlichen Menschen oder Cybords umgebauten Norweger herausragt.

In diesem Punkt fügt Thomas Ostwald auch seinem Kapitän Nemo eine interessante Note hinzu. Wie sein Erzfeind aus „Die 500 Millionen der Begun“  Schultze muss sich auch der indische Prinz regelmäßig in einem besonderen Bad regenerieren und damit seinen gealterten/ geschwächten Körper stärken. Es ist eine Doppelung, die eine weitere Aufarbeitung verdient. Damit relativiert der Autor den überlegenen Intellekt des indischen Nemos, der nicht nur im vorliegenden Buch, sondern vor allem auch im Auftaktband immer wieder auf die in erster Linie technische Hilfe seiner Gefährten, aber auch anderer Jules Verne Protagonisten wie dem schon erwähnten Robur. Dadurch wirkt Nemo immer noch charismatisch, aber auch zugänglicher.

Immer wieder erweitert der Autor den Bogen und zeigt auf, dass Nemo seiner Besatzung auch irgendwie „treu“ ist. Er bildet sie aus, er kümmert sich um ihr Wohl und er sieht seine Männer als seine Ersatzfamilie an.

Handlungstechnisch baut der Autor eine Reihe von Gefahren ein. Der Angriff einer kleinen Elite von mit Harpunen bewaffneten Froschmännern auf die auf einer Insel gelegene weitere geheime Basis, auf welcher eine besondere Tauchglocke entwickelt worden ist. Wie Nemo mit den beiden Männern über die Entfernung und aus seinem Versteck Kontakt gehalten hat und ob alleine Ferngespräche gereicht haben, wird allerdings nicht weiter extrapoliert. Aber dieser Angriff wird genau wie der Luftschlag mit dem ambitionierten, aber nicht unbedingt überzeugend umgesetzten Ziel einer Entführung Nemos relativ schnell unterbunden. Die Szenen erscheinen angesichts der vorhandenen Details besser strukturiert als das zu abrupte Ende, aber der Leser hat ein wenig das Gefühl, als lesen sich diese Passagen wie in einem „Sun Koh“, „Jan Mayen“ oder schließlich auch „Rolf Torring“ Abenteuer, aber nicht einer Fortsetzung von Karl May.

In einem direkten Vergleich überzeugen bislang Thomas Ostwalds neue Abenteuer um „Old Shatterhand“ sowohl atmosphärisch als auch hinsichtlich der grundlegenden Struktur mehr.  „Kapitän Nemo Neue Abenteuer“ sollten als eine idealisierte Fortsetzung der klassischen und damit auch schwer zu kopierenden zeitlosen Abenteuerstoffe des Franzosen gesehen werden, in denen der Autor auch im zweiten Buch versucht, eine Balance zwischen dem als Hommage möglichen und einer modernen Erzählform zu finden.

Als alleinstehendes Abenteuer betrachtet überzeugt allerdings das zu kurze „Vermächtnis der Eissphinx“ deutlich mehr als der vom Aufbau her herausfordernde „Tötet Nemo“, der sich schwer getan hat, den Bogen zwischen „Die geheimnisvolle Insel“ und einer Fortführung der Handlung zu schlagen. In diesem Punkt hat es das geradlinigere zweite Abenteuer deutlich leichter und unterhält auch sehr viel besser, wenn auch das Ende viel zu hektisch und abrupt ist.    

 

www.blitz-verlag.de

Taschenbuch, 148 Seiten

direkt beim Verlag zu bestellen

Titelbild: Mark Freier