Die Scareman Saga "Blutige Erkenntnis"

Die Scareman Saga Band 6, Titelbild, Rezension
Dirk van den Boom

Das sechste Abenteuer „Blutige Erkenntnis“ stellt einen Wendepunkt in der Serie dar. Als Roman zerfällt das trotzdem kurzweilig zu lesende Abenteuer aber in zwei sehr unterschiedliche Hälften, wobei der im letzten Drittel angedeutete Handlungsverlauf teilweise die interessanten Handlungsmuster absichtlich auf den Kopf stellt und leider auf eine viel zu simple Art und Weise genau die schwierigen Fragen negiert, die Dirk van den Boom nicht zuletzt aufgrund seiner beruflichen politischen Erfahrungen in den ersten fünf Abenteuern teilweise mit Sylke Brandt zusammen angesprochen hat.

Selten haben bei einem Roman Licht und Schatten näher zusammengelegen. Der Epilog mit der veränderten universalen Konstellation, dem kurzzeitigen Perspektivwechsel auf die heroischen irdischen Truppen und die noch zu gründenden Zweckgemeinschaften wirkt auch deutlich flapsiger geschrieben als der erste Teil des Romans. Es bleibt abzuwarten, ob Dirk van den Boom wirklich dieser Richtung konsequent folgen will. Auch in einem anderen Punkt wirkt die Idee, dass plötzlich die Scareman autark handeln dürfen eher wie ein schaler Kompromiss. Der gesamte umständliche Aufbau mit den Scareman Beobachtern wirkte vor allem angesichts der Kompromisslosigkeit der Militärs bemüht. Die bisherigen fünf Romane haben am besten funktioniert, wenn der Leser diese Idee einfach akzeptiert und dann auf die Details geschaut hat.

In der Haupthandlung schlägt Dirk van den Boom sogar sehr positiv den Bogen zu den ersten Abenteuern. Savovic hat dort einen zukünftigen Gelehrten der Akkari nicht getötet, sondern an dem Jungen eine Gedächtnislöschung vorgenommen und ihn in ein abgeschieden gelegenes Kloster abgeschoben.

Jetzt holt ihn seine Sanftmut ein. Die Gedächtnislöschung hat nicht komplett funktioniert. Zusätzlich konnte der Hort des Wissens nicht unterdrückt werden, sondern im Geheimen haben die Akkari nicht nur fleißig gelernt, sondern eine abgestürzte Drohne geborgen, die sie sorgfältig untersuchen und wieder zusammensetzen wollen. Dabei werden die Solarzellen aktiviert und die Drohne kann Impulse aussenden, welche Max an Bord der Scareman Station auffangen kann.  Savicov soll jetzt die Mission abschließen, die er vor vielen hundert Jahren auf Akkari quasi aus der Sicht des Bordcomputers aufgrund seiner Sentimentalitäten verrissen hat.

Im Kloster/ der Schule begegnet Savicov nicht nur der eigenen Vergangenheit in Form von zahlreichen Zeichnungen, sondern auch einem Mann, dessen Gedächtnis er vor vielen Jahren gelöst hat. Es gelingen Dirk van den Boom eine Reihe von überzeugenden Szenen, in denen er mit sehr pointierten, sehr emotionalen Dialogen die Tragik dieser ganzen absurden Mission für die unschuldigen Akkari darstellt. Savicov wird von einer lebenden „Inkarnation“ seines schlechten Gewissens förmlich geplagt. Der alte Mann dagegen möchte nicht noch einmal „vergessen“, da er nicht mehr die Zeit hat, um das Vergessene neu  zu erlernen.

Ohne Kitsch und billigen Humor wird Savicov in der literarischen Theorie vor eine unmögliche Aufgabe gestellt. Seine Zurückhaltung vor vielen hundert Jahren bedingt in der Gegenwart ein breiteres und brutaleres Vorgehen, um seine Mission zu erfüllen. 

Die Neugierde auf eine Zukunft, den Drang, zu forschen und sich weiter zu entwickeln beschreibt der Autor genauso gut wie die schockierende Erkenntnis, dass in Person von Savicov eine Macht gegen die Akkari arbeitet, ohne dass deren personifizierter Stellvertreter auf dem Planeten eine überzeugende Arbeit geben kann. Der Mittelteil des vorliegenden Romans zeigt, auf welches moralische Dilemma der Autor die Serie zumindest zusteuern lassen wollte, bevor er sich mit der thematischen Wende im Grunde selbst den originellen Boden entzogen hat.

Handlungstechnisch scheint der Plot jetzt eher in heroische und damit zugänglichere Bahnen zu führen, wobei der Politologe Dirk van den Boom mit der zumindest in diesem sechsten Abenteuer erkennbaren Abkehr von der bisherigen Marschroute sich fragen muss, warum er den steinigen, aber interessanten Weg verlassen hat. „Blutige Erkenntnis“ ist in mehrfacher Hinsicht ein Wendepunkt in der zwölfbändigen Saga.   

 

  • Taschenbuch: 100 Seiten
  • Verlag: Atlantis Verlag (31. Dezember 2017)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3864024358
  • ISBN-13: 978-3864024351