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In den ersten Folgen der ganzen Serie war das wenig futuristische, aber allgegenwärtige Internet eines der wichtigsten Propagandamittel. Zu den Stärken der Serie gehörte ohne Frage, dass Claudia Kern die bekannten inzwischen „intergalaktischen“ Suchservices effektiv wie pragmatisch eingesetzt hat. In „Die Andere?“ kehrt sie zu diesem Mittel zurück. Im Internet kursiert inzwischen ein Video, in dem Mak´Uryl gegen die Menschen hetzt und sie für das Virus verantwortlich macht, das inzwischen nicht nur auf der Erde in bekannter und beschriebener Form grassiert, sondern vor allem als Mutation die Jockeys angreift. Damit erreicht die Bedrohung intergalaktische Dimensionen und die Autorin fügt der bislang in der vierten Staffel stereotyp wie stringent abgehandelten, zu sehr dominierenden Zombieproblematik einen neuen Aspekt hinzu. Wenn die Jockeys auf den Kriegstreiber hören, droht den restlichen überlebenden Menschen die Ausrottung. Zwischen den Zeilen ist aber auch zu lesen, dass die Gefahr inzwischen so dominant geworden ist, dass das Ausrotten der Menschen nur noch einen symbolischen Aspekt hat. Zusätzlich löst die Autorin das dramatische Ende des letzten Romans auf, ohne unbedingt entscheidende Antworten zu geben. Sie relativiert einige Aspekte um Am´Ru und erweitert die Perspektive. Damit schlägt die Autorin den Bogen zum anfänglich angesprochenen Video. Es ist aber nicht der einzige Bogenschlag im vorliegenden Roman. Ungewöhnlich ist, dass sie noch ein wichtiges Kapitel in Form eines Rückblicks anspricht. Bislang haben die Leser nicht erfahren, wie sich die Crew der „T.S. Elliott“ überhaupt kennen gelernt hat. Das holt die Autorin nach. Die Vorgehensweise erhöht weder die grundlegende Spannung noch wirken die Beschreibungen dynamisch. Interessanterweise überzeugen die Kapitel allerdings auf der charakterlichen Ebene ausgesprochen gut. Auch wenn Kipling und Co. den Lesern inzwischen sehr gut bekannt sind, wirken diese frühen Szenen ungewöhnlich frisch und humorvoll pointiert. Natürlich erinnert die Komposition vor allem an „Lost“, aber auch schon in „Alias“ hat J.J. Abrams sehr gerne mit der Erwartungshaltung der Zuschauer gespielt und immer wieder aus der teilweise tiefsten Vergangenheit der Protagonisten wichtige Fakten hervorgeholt. Im vorliegenden Roman sind diese bekannt. Es sind Opportunitäten, welche die einzelnen Charaktere schließlich an Bord des einzigen verfügbaren Raumschiffs führen, mit dem man der auch im All als scheinbare Sicherheit ausbrechenden Seuche zu entkommen sucht.
Schwieriger ist ein wichtiger anderer Teilaspekt. Der Titel „Die Andere?“ weist schon darauf hin. Das Verhältnis zwischen Am´Ru und ihrer Anderen ist zwar immer wieder thematisiert worden, wirkte aber teilweise wie eine Art „MacGuffin“, um die dunklen Seiten dieses dreidimensionalen Fremden besser in den Griff zu bekommen. Immerhin ist die möglicherweise Schöpfer und Retter zu gleich. Diese Ambivalenz lässt die Erkenntnisse im vorliegenden zweiundzwanzigsten Abenteuer ein wenig zu oberflächlich erscheinen. Zwar präsentiert Claudia Kern ihre Erkenntnisse sehr zügig und versucht sie nicht wieder hinter einen weiteren Mauer des Schweigens zu verbergen, aber da die emotionale Bindung zur Anderen fehlt, gehen sie teilweise ins Leere. Viel interessanter ist im direkten Vergleich die weitere Ausbreitung des bislang eher menschlichen Zombievirus unter den Jockeys, was bei den bizarren Figuren auch die Grenze der Absurdität erreicht. Aber die Autorin verfügt über ausreichend Routine, um auch hier eine Reihe von effektiven Actionszenen einzubauen und so deutlich mehr Spannung aufzubauen als auf den ersten Moment zu erwarten ist.
Mit Brown als Auckland ehemaligen Vorgesetzten wird ein weiterer Antagonisten von übermenschlichen Dimensionen kontinuierlich weiter entwickelt. Dabei hat der Leser stellenweise das unbestimmte Gefühl, als wollte die Autorin auch noch eine Art George Miller/ Mad Max Wahnsinn in die Handlung integrieren. Brown ist ein charismatischer Verrückter, der seine Machtpläne in James Bond Manier umsetzen möchte. Dabei scheut er sich nicht, nach dem Universum zu greifen, während der Rest der Menschen im Grunde nur noch überleben möchte. Deutlich dynamischer trotz der angesprochenen weiteren, nur charakterlich überzeugenden, die Spannung aber nicht steigernden Rückblende im direkten Vergleich zu den letzten beiden Teilen verpufft ein wichtiger Aspekt des Potentials allerdings durch eine unzureichende Charakterisierung einer wichtigen Figur. Claudia Kern bemüht sich zumindest überzeugend, die einzelnen roten Fäden entweder durch die Zusammenführung der Charaktere – siehe die Rettungsaktion am Ende des letzten und zu Beginn diesen Bandes – zu erreichen oder die „Rettungsziele“ deutlich besser zu fokussieren. Es bleibt abzuwarten, ob angesichts der weiteren Ausdehnung des Virus und vor allem auch durch die galaktische Dimension der Zombieausbreitung wirklich ein einfaches Happy End inklusiv Rettung durch die Nerds überhaupt noch möglich ist.
- Format: Kindle Edition
- Dateigröße: 755 KB
- Seitenzahl der Print-Ausgabe: 67 Seiten
- Verlag: Rohde Verlag (27. April 2015)
- Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
- Sprache: Deutsch
- ASIN: B00VAJPOW4