The London Blitz Murders

Max Allan Collins

Als fünfter Band der “Desaster” Serie stellt “The London Blitz Murder” wie der abschließende Roman „The War of the Worlds Murder“ in mehrfacher Hinsicht ein interessantes Novum dar. Während die anderen vier Romane ein spezifisches Datum hatten – der Angriff auf „Pearl Harbor“ und die Untergänge der Titanic sowie Lusitania sowie der Absturz der Hindenburg – musste Max Allan Collins die Handlung um zwei Jahre nach hinten verlegen. Grundlage des Buches ist eine Mordserie an jungen Frauen, die tatsächlich während der deutschen Angriffe auf London vor allem während der Dunkelungsphasen stattgefunden hat. Der Täter hat den Spitznamen „Blackout Ripper“ erhalten. Auch die Identität des Mörders entspricht der historischen Figur, so dass es sich unter allen Umständen empfiehlt, das Nachwort wirklich als begleitende Information zu betrachten und auf keinen Fall im Vorwege zu lesen. Diese tatsächlichen Grundlagen bedingen allerdings auch, dass ein aufmerksamer Leser relativ schnell auf den einzigen wirklich in Frage kommenden Täter in diesem eingeschränkten handelnden Personenkreis kommt. Mit der Schriftstellerin Agatha Christie präsentiert Max Allan Collins die einzige Frau in seiner Serie, die aktiv an den Ermittlungen teilnimmt. Ihr Partner ist Sir Bernard Spilsbury, der mit seinen modernen kriminaltechnischen Methoden auf Sherlock Holmes Deduktion aufbauend und die gegenwärtige Technik nutzend viele Hinweise auf den Täter liefert.

 Der Hintergrund sind wie eingangs erwähnt die nächtlichen Angriffe auf London. Auch wenn die Zeit des „London Blitz“ im Jahre 1942 am Abschwächen war und die potentielle Luftschlacht um England für die Deutschen bis zum Einsatz der Vergeltungswaffen als verloren angesehen werden musste, nutzt Max Allan Collins diesen Hintergrund effektiv und pragmatisch zu gleich. Die Protagonisten müssen nicht jede Nacht in die Luftschutzkeller fliehen, weil deutsche Bomber gesehen worden sind. Wenn diese seltenen Angriffe aber stattfinden, beschreibt Max Allan Collins eindringlich nicht nur die Furcht der Bevölkerung; deren stoisches Durchhalten, sondern zeigt auch auf, warum zum Beispiel einige Menschen wie Agatha Christie den schnellen Tod in ihrem Haus einem lebendig begraben sein in den eher provisorischen Luftschutzbunkern vorziehen würden. Der Roman lebt vor allem von den intensiven und detaillierten Beschreibungen des alltäglichen Lebens. Die abgedunkelten Straßen, in denen nachts die Prostituierten ihre Freier mit kleinen Laternen in ihre Liebesnester lockten. Oder die Idee, das die Premiere ihres neuen Theaterstücks „Ten little Negros“ eben schon um 18 Uhr stattfindet, um das Tageslicht auszunutzen. Oder die vielen Verletzten und Toten, mit denen Agatha Christie aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung als Krankenschwester während ihrer Schreibphasen konfrontiert worden ist. Die zerstörten Straßen Londons, in denen die Menschen sofort mit dem Wiederaufbau begonnen haben. Die Atmosphäre einer angeschlagenen, aber sich nicht unterkriegenden Stadt ist zusammen mit den dreidimensional gezeichneten Protagonisten die Stärke dieses Romans.

    Bei den Figuren ragen natürlich Agatha Christie und Sir Bernard Spilsbury  aus den Charakteren heraus. In seinem Nachwort bricht Max Allan Collins eine Lanze für Agatha Christie, deren populäre Werke er weniger als oberflächliche Arbeiten einer geschickten Amateurin sieht, sondern sie hinsichtlich ihres Einflusses und vor allem auch ihrer Qualität den Werken eines Raymond Chandlers oder Dashiell Hammett gleichstellt. Selbst die Autorin stellt dank der inneren Monologe klar, dass sie über Miss Marple oder Poroit hinaus immer wieder die Grenzen des Kriminalromans mit verschiedenen Ideen wie der Detektiv als Täter oder alle Verdächtigen sind schuldig gebeugt hat. So spannend auch die Jagd nach dem Frauenmörder sein mag, so wenig finden nachhaltig Ermittlungen wirklich statt. Agatha Christie stellt sich relativ „dumm“ an, als sie dem einzigen wirklich in Frage kommenden Mann vor allem trotz eines Alibis, das sie von Beginn an durchschauen musste, „dfolgt“ und von ihm bedroht wird. Da sie noch viele Jahre erfolgreich Kriminalromane geschrieben hat, wirkt diese Zuspitzung der Ereignisse zu stark konstruiert. Die Bedrohung einer der wenigen überlebenden weiblichen Nebenfiguren wäre effektiver gewesen. Zumindest arbeitetr Max Allan Collins kontinuierlich, aber sich auch stark wiederholend immer wieder heraus, wie stark sich die alltägliche Arbeit der Polizei trotz eines fähigen Ermittlers und der Unterstützung des bemühten Sir Bernhard Spilsbury vom Verfassen von Krimis unterscheidet.  Max Allan Collins beschreibt Agatha Christie anfänglich vielleicht auch ihre Fans schockierend als sexuell aktive Frau mit einem vierzehn Jahre jüngeren Ehemann, die sich eher Sorgen um ihre Figur macht als wo sie täglich ihr Essen her bekommt. Sie wirkt entschlossen und agiert progressiv, aber die charakterlichen Ecken und Kanten erscheinen auch zu stark geglättet. Es ist die platonische, auf historischen Fakten basierende Freundschaft zu dem ebenfalls verheirateten, aber einsamen Sir Bernhard Spilsbury, welche den emotional überzeugenden Kern dieses kurzweilig zu lesenden Romans bildet.  Spilsburg ist dabei sogar der interessantere Charaktere. Ein ruhiger, verschlossener Mann, der durch die Gespräche mit Agatha Christie förmlich aufblüht. Es lohnt sich hinsichtlich dieses ungewöhnlichen Duos – bei „The Lusitania Murders“ hat Max Allan Collins auf einen realen und einen in dieser Form fiktiven Charakter zurück gegriffen – den Anmerkungen des Autoren zu folgen und diese beiden Persönlichkeiten literarisch weiter zu verfolgen. Spilsburgs Arbeiten werden viele Fans der momentan laufenden CSI Serien erkennen, auch wenn sie sich noch im Anfangsstadion befunden haben.

Hinsichtlich der Mordserie ist es nicht immer leicht, auf Augenhöhe sich zu bewegen. Auch wenn Max Allan Collins in seinem Nachwort versichert, die Daten nicht verändert zu haben, wirkt das Vorgehen dieses Backout Rippers deutlich chaotischer und vor allem weniger präzise. Er ist eine schlechte Imitation, die während der finalen Auseinandersetzung zwar andeutet, das er mit dem Töten einer bekannten Persönlichkeit seinem Vorbild Jack, the Ripper eine Messerspitze voraus wäre, aber Max Allan Collins schafft es nicht, eine eindringliche Spannung zu erzeugen und vor allem dem Text insbesondere im Mittelteil eine Dynamik zu verleihen. Stattdessen präsentiert er die Abfolge von weiblichen Opfern, deren grausame Ermordung nicht selten das Ende eines Lebens ist, das aus durch den Krieg und zum Teil dem Verlusts der Ehemänner/ Freunde aus den Spuren gelaufen ist.  Dabei bemüht sich Collins, diesen Frauen zumindest auch im Tod eine individuelle Note zu geben und sie nicht zu gesichtslosen Opfern zu machen. Aus dramaturgischen Gründen versucht der Autor nach der Premiere des Agatha Christie Stücks „Ten little Indians“ – alleine der Exkurs hinsichtlich der Namensgebung spricht für diese nicht nur in Deutschland faschistische und rassistische Zeit – den Leser noch einmal vom potentiellen Täter abzulenken, obwohl alle Spuren durch Ausschluss von weiteren in der Handlung erwähnten Protagonisten alleine auf diesen Täter deuten. Durch die Doppelung der Begegnungen wird zwar Spannung aufgebaut, aber das Retten während der Bombenangriffe und die rituelle Tötung nachdem sein Geheimnis aufgedeckt worden ist, haben für einen psychopathischen Mörder wenig miteinander zu tun. Das Agatha Christie so naiv ist, ihrem Instinkt alleine zu folgen, erscheint angesichts ihrer Erfahrung als ungewöhnliche Krimiautoren naiv. An dieser Stelle vermisst der Leser den Schulterschluss mit Miss Mapple, die ja diese persönlichen Begegnungen mit den Tätern förmlich gesucht hat. Auch bei diesen Krimis musste die Polizei in letzter Sekunde eingreifen, so dass dieses Konzept positiv als Hommage auf die Miss Mapple Romane angesehen werden kann, während die Verbeugung vor einem der bekanntesten englischen Sheriffs natürlich in Scottland Yard beheimatet ein wenig an den belgischen Privatdetektiv erinnert. Max Allan Collins Absicht ist ja im Rahmen der “Desaster“ Serie immer gewesen, die Stoffe als Würdigung der ermittelnden schreibenden Hobbydetektive zu entwickeln. Das ist ihm aber in keinem der bisher fünf Bücher abschließend gänzlich zufrieden stellend gelungen. Wie andere Teile dieser empfehlenswerten, Fiktion und Fakten gut vermischenden Serie ist der grundlegende Kriminalfall ein eher schwächeres Element des Romans, während vor allem die Zeichnung der Hintergründe und der dreidimensionalen Figuren basierend auf exzellent recherchierten Fakten auch diesen Roman zu einem interessanten wie ungewöhnlichen herausfordernden Lesevergnügen machen.

  • Taschenbuch: 236 Seiten
  • Verlag: Thomas & Mercer (11. Dezember 2012)
  • Sprache: Englisch
  • ISBN-10: 1612185207
  • ISBN-13: 978-1612185200
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