Dan Cooper Gesamtausgabe Band 1

Albert Weinberg

In zwölf sehr schönen Hardcoverbänden will der Splitter Verlag eine der interessantesten Science Fact Fliegerserien der Comicgeschichte teilweise zum ersten Mal auch ungekürzt neu auflegen: Dan Cooper. Jeder Band umfasst drei Alben teilweise um die kürzeren Geschichten ergänzt. Dazu kommen die für die Gesamtausgabe obligatorischen wie reichhaltig bebilderten Einleitungen. Im ersten Band steht natürlich Can Coopers literarischer Vater – sein Leiblicher spielt ja in den ersten Alben als pazifistischer Erfinder eine wichtige Rolle -  Albert Weinberg im Mittelpunkt der Vorwörter, der die Serie von 1954 – seine ersten Schritte unternahm Dan Cooper im Magazin Tintin – bis 1992 nicht nur schrieb, sondern vor allem auch zeichnete.  Bernd Weckwert  geht in seinem Essay erst einmal auch auf die verschiedenen Comicgruppen- von Schulen zu sprechen ist angesichts der teilweise autodidaktischen Ausbildung übertrieben – in den einzelnen belgischen Städten ein, aus denen ganze Generationen hervorgegangen sind.   Der 1922 geborene Albert Weinberg wollte erst einen rechtschaffenen Beruf erlernen und Jura studieren. Gezeichnet hat er aber immer gerne. Während des Studiums arbeitete er als Assistent des bekannten Comickünstlers Victor Hubinon. Seine ersten eigenständigen, allerdings kurzlebigen Serien bestanden aus eher klassischen Abenteuerstoffen mit einem stärkeren Science Fiction Anteil. Das Science Fiction Genre beginnend mit dem Wettlauf zu den Sternen in der Realität nimmt auch von Beginn an in der ansonsten absichtlich technisch realistisch gezeichneten Dan Cooper Serie einen sehr breiten Raum ein.  Selbst für Herge hat er am technischen Hintergrund des auf dem Mond spielenden Tim& Struppi Abenteuers gearbeitet.  Die Inspiration für das erste Dan Cooper Album lieferte dann David Leans Film „The Sound Barrier“. Der Splitter Verlag druckt gleich zu Beginn auch Weinbergs fünf Seiten umfassende Filmadaption ab. Vor allem das erste Album um das Spionagethema erweitert folgt dem markanten David Lean Film sehr stark.

„Blue Delta“ lässt sich in zwei Themenbereich aufteilen. Zum ersten lernt der Leser Dan Cooper, den Testpiloten der in dieser Hinsicht in Europa eher neutralen „Royal Canadian Air Force“ und seinen Vater kennen.  Sein Vater entwickelt Flugzeugprototypen. Aus heutiger Sicht ist der Hintergrund der Firma ein wenig ambivalent. Manchmal hat der Leser das Gefühl, als agieren die Coopers als Subunternehmer, die in erster Linie eigene Projekte entwickeln und dann dem Militär zur Verfügung stellen. An einer anderen Stelle werden hohe Generäle über die Fortschritte auf dem Laufenden gehalten, als wenn es sich um Auftragsarbeiten handelt. Interessant dabei ist vor allem, dass beim neusten Prototyp „Blue Delta“ im Vordergrund steht, dass das Militär diese Maschine ausschließlich zur Verteidigung, für die Defensive einsetzt, obwohl es sich im Grunde um eine klassischen Jäger mit sehr guten Offensivfähigkeiten handelt.  Albert Weinbergs Interesse an Technik lässt sich schon in diesem ersten Album ablesen. Immer wieder finden sich eher unauffällig platzierte Erklärungskästchen und nicht selten dienen Besucher wie die Generäle als willige Mittler zum Leser.  Der Plot folgt in der ersten Hälfte noch stark dem David Lean Film und manchmal wirkt das Einfließen neuer Ideen insbesondere durch den für sein Alter schon sehr gereiften Dan Cooper noch zu wenig nachhaltig genug ausgearbeitet. Eigenständig baut Weinberg eine Spionageebene ein. Der von Beginn an blasse Antagonist Sanders wird Dan Cooper noch einige Alben lang verfolgen. Auch im zweiten Band treffen die beiden Männer dieses Mal in Asien wieder aufeinander. Die Spionageebene mit der zufälligen Entdeckung der aus der abgeriegelten Basis geschmuggelten Mikrofilme, dem Bergen der Triebwerke des zum Absturz gebrachten Prototyps und schließlich sogar die wilde Flucht mit einem eine Atombombe tragenden Flugzeug verfügen aber für vor allem in den fünfziger Jahren entwickelte Geschichten über eine ungewöhnliche Dramaturgie. Es erscheint zwar unwahrscheinlich, dass auf dem Rollfeld streng bewacht ein neuartiger Bombertyp mit einer scharfen Atombombe steht, aber Weinberg treibt diese Idee auf eine zynische, heute fast schockierende Spitze. Der James Bond Roman "Thunderball" erschien erst einige Jahre später. Die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Stoffen sind aber eher rudimentär.

Vor allem für die Jugendlichen als Zielgruppe spricht der Autor und Zeichner alle wichtigen Themen an:  modernste verführerische, aber auch tödliche Technik. Männerfreundschaften inklusiv einer perfekten sich gegenseitig respektierenden Vater- Sohn Beziehung und schließlich wie in Ian Flemings James Bond Romanen auch die Möglichkeit, exotische wie fremde Plätze zu besuchen. So spielt die zweite Hälfte des ersten Albums zwar auch wieder auf einem abgeschiedenen gelegenen Stützpunkt, dieser befindet sich jetzt aber in Australien.  Die Schurken sind in erster Linie japanische Geschäftsleute, die Ideen der westlichen Welt kopieren und selbst nutzen wollen.  Im zweiten Album „Herr über die Sonne“ haben die Coopers durchgesetzt, dass auch der ehemalige Feind Japan in der Lage ist, ihre Flugzeuge ehrlich auf dem Markt zu kaufen. Ein für die fünfziger Jahre faszinierendes Novum. Es ist nicht das letzte "Dan Cooper" Album, das Themen aus den Vorgängerromanen wieder aufgreift.

Wie bei den Flugzeugen legt Albert Weinberg bei der Handlung auf ein durchgehendes hohes Tempo Wert. Seine Protagonisten wirken vor allem in den ersten Alben noch ein wenig steif und ungelenk gezeichnet, während vor allem Flugzeuge und Schiffe nicht nur realistisch oder wenn selbst entworfen minutiös recherchiert gezeichnet worden sind, sondern vor allem die Hintergründe realistisch bis naturalistisch erscheinen. Weinberg ist ein Mann der kleinen Panels. Er treibt sehr viel Handlung über gut geschriebene und exzellent übersetzte Dialoge voran, während nicht nur die beiden Coopers, sondern viele Nebenfiguren eher fragmentarisch skizziert worden sind.       

Sowohl in „Herr der Sonne“ als auch dem dritten hier gesammelten Album „Piraten der Stille“ folgt Weinberg aber auch Mustern, die Jules Verne mit seinen phantastischen Abenteuerromanen gelegt hat. Es sind wissenschaftliche Genies, die in der Abgeschiedenheit ihrer Büros/ Laboratorien die Welt im Grunde verbessern wollen und dabei von ihr enttäuscht werden. Weinberg folgt aber nicht dem „Nemo“ Vorbild, der sich an allen Menschen für den Verrat rächen möchte. In „Herr der Sonne“ haben österreichische Wissenschaftler vom Ausbruch des Zweiten Weltkriegs überrascht und durch den Hass abgestoßen mit den monetären Mitteln einer alten Goldmiene begonnen, eine gigantische Raumstation im All zu entwerfen und zu bauen. Auch der Deutsche Oberth hat seine Pläne beigesteuert. Weinberg entwirft eine phantastische Vision. Auch wenn der konzentrierte Strahl des Sonnenkollektors als Waffe genommen werden kann, soll in erster Linie friedlich im All geforscht und die Zukunft der Menschheit ins Auge gefasst werden. Hinter den „Piraten der Stille“ steht keine Organisation, die sich bereichern möchte, sondern eine Ziel gerichtete Rache an einem Mann und seiner Firma für den Diebstahl von Plänen und die Ermordung eines Jungen. Ganz bewusst unterminiert Weinberg mit seinen futuristischen Abenteuerstoffen immer wieder die klischeehaften Erwartungen des Genres, in dem er die Motive auf eine überraschende humanistische Art und Weise herausarbeitet.

„Herr der Sonne“ folgt noch den Abenteuerstoffen mit Science Fiction Einschlag, die Albert Weinberg in seinen ersten Arbeiten entworfen hat. Dan Cooper wird nach Brasilien versetzt, um die Ausbildung einer Einheit brasilianischer Testpiloten zu übernehmen. Dabei beobachtet er ein seltsames Phänomen. Der Schnee an einer Bergseite schmilzt ohne erkennbare natürliche Gründe. Anscheinend gibt es Einflüsse aus dem All. Diese Idee wird im dritten Album auch aufgenommen, wo Flieger seltsame unbekannte Flugobjekte beobachten, die mit einer rasenden Geschwindigkeit und vor allem Wendigkeit sich bewegen können. Dan Cooper wird in „Herr der Sonne“ gefangen genommen und lernt die Hintergründe der getarnten Basis kennen. Im All konfrontiert ihn Weinberg stellvertretend für den Leser mit dem auf wissenschaftlichen Thesen basierend extrapolierten Stand der Weltraumforschung. Alleine das Auftauchen von Sanders – lange Zeit immer einen Schritt in den drei hier gesammelten Alben voraus – zwingt die Handlung wieder in den Bereich des von Action getriebenen Spionagethrillers, wobei es schon im zweiten Band ermüdend ist, dass Sanders zum zweiten Mal im Grunde eine unmögliche Situation überlebt.

In „Piraten der Stille“ verfolgt Dan Cooper vor allem im asiatischen Raum spielend im Grunde zwei sehr unterschiedlichen Fraktionen. Einmal die lange gesichtslos wie lautlos immer wieder die Flugzeuge einer Linie angreifenden Piraten und dann mehrmals Sanders, der ihm entkommen kann. Sanders Mission ist im dritten Album deutlich ambivalenter und vor allem weniger fokussiert beschrieben. Er dient als Mittel zum Zweck für einige spektakuläre Verfolgsjagden im chinesischen Raum bis nach Tibet. Unwahrscheinlich erscheint, dass Dan Cooper ihn trotz einer eher mäßigen Verkleidung – der Leser muss ja wissen, dass es sich um den Spion und Antagonisten handelt – nicht erkennt und fast naiv an sein Ziel bringt. Ergänzt wird die Personenkonstellation im dritten Album zum ersten Mal durch einen Jungen Es handelt sich um den Neffen des Schiffskoch, der auf dem kanadischen Flugzeugträger Dienst tut. Damit fügt Weinberg der Serie noch ein Element hinzu, das die Identifikation der jugendlichen Leser mit dem Stoff noch enger macht. So darf der Junge auch an Bord der „Blue Delta“ mitfliegen, dem Senkrechtstarter, der inzwischen zu einem Markenzeichen von Dan Cooper geworden ist. So überträgt der Autor noch mehr die Faszination des Fliegens, der grenzenlosen Freiheit auf die Leser.

In allen drei Alben hat sich Weinberg immer wieder bemüht, auf historische Fakten und aktuelle wissenschaftliche Forschungen zurückzugreifen. In „Piraten der Stille“ – es schließt sich im Grunde ein kleiner Kreis, da die sehr modern erscheinenden Flugzeuge der Piraten nicht nur die Schallmauer durchbrochen haben, sondern lautlos mit unglaublichen Geschwindigkeiten dahin gleiten, während Dan Cooper im ersten Album noch um Mach 1 kämpfen musste. Aber auch Legenden aus dem Zweiten Weltkrieg fließen zumindest in das dritte Album ein. Die Geschwindigkeit der einzelnen Abenteuer mit ihren so unterschiedlichen Schauplätzen ist teilweise so hoch, dass die letzten Seiten eher abrupt abgehandelt werden müssen. Vielleicht die größte Schwäche der ambitionierten „Piraten der Stille“ Geschichte, in der Dan Cooper die relevanten Ereignisse entweder nur noch erzählt bekommt oder auf der letzten Seite die einzelnen Fakten fast tragisch abgewickelt werden.  Positiv dagegen ist, dass Albert Weinberg bis zum Ende nicht auf Klischees zurückgreift und nur bei Sanders seine modern erscheinenden Texte unterminiert.

Technisch befindet sich der Autor nicht auf der Höhe der Zeit, sondern mischt positiv aus der Gegenwart die militärisch möglichen, aber nicht realisierten Entwicklungen mit Science Fiction Ideen ungeheurer Komplexität. Vor allem die Raumstation in „Herr über die Sonne“ nimmt nicht nur die gegenwärtige Internationale Raumstation mit ihrer Möglichkeit, Sonnenenergie zu nutzen, vorweg, sondern mit der perfiden Idee, mittels konzentrierter Sonnenstrahlung eine ultimative Waffe zu erschaffen auch viele später entstandene Science Fiction Bücher. Weinberg ist dabei immer ein positiv denkender Mensch, der vielleicht das Militär in Form der kanadischen Luftwaffe zu sehr idealisiert, während er die finsteren, bislang in erster Linie asiatischen Mächten  eindimensional typisiert. Aber die vorliegende Gesamtausgabe ermöglicht es dem Leser chronologisch die rasante Entwicklung vor allem zwischen dem ersten eher typischen Fliegeralbum und den beiden phantastischen folgenden Stoffen zu verfolgen, die „Dan Cooper“ auch im direkten Vergleich zu den anderen beiden sehr bekannten Comicserien „Mick Tanguy“ und „Buck Danny“ genommen hat. Vielleicht lässt sich noch die ausschließliche Fokussierung auf Dan Cooper – er kann fliegen, tauchen, schnelle Autos fahren und ist auch in fast allen Künsten der Selbstverteidigung ausgebildet -   kritisieren,  aber vor allem Comics für Jugendliche zeichnen sich durch die Konzentration auf eine oder vielleicht zwei Überfiguren aus.

De Gesamtausgabe in einem schön gestalteten Hardcover ermöglicht es den Lesern, einen der am längsten laufenden von einer Person gezeichneten/ geschriebenen Comicserien der Gegenwart nicht nur von Beginn an zu verfolgen, sondern zu erkennen, dass Dan Cooper gleich von den ersten Alben an mehr als nur eine Fliegerserie gewesen ist.

 

Autor

Albert Weinberg
ZeichnerAlbert Weinberg
ÜbersetzerPeter Daibenzeiher, Klaus Jöken
EinbandHardcover Splitter Verlag
Seiten208
Band1 von 12
ISBN978-3-95839-342-4
Kategorie: