Abschied von David Lynch

"Behalte den Donut im Auge und nicht das Loch" - Mit diesen Worten von David Lynch gab seine Familie am gestrigen Donnerstag über die sozialen Medien den Tod des amerikanischen Künstlers bekannt, der im Laufe seines Schaffens als Regisseur, Produzent, Drehbuchautor, Schauspieler, Maler, Fotograf, Lithograf, Bildhauer, Möbeldesigner und Komponist tätig war. Er wurde 78 Jahre alt und starb kurz vor seinem Geburtstag.

In einem Interview im vergangenen August erklärte Lynch, dass er aufgrund seines jahrzehntelangen Rauchens an einem Lungenemphysem leide und deshalb an sein Haus gebunden sei. Für die meisten seiner täglichen Aktivitäten sei er auf zusätzliche Sauerstoffzufuhr angewiesen. Aufgrund seines sich verschlechternden Gesundheitszustandes und der anhaltenden Waldbrände in Südkalifornien wurde Lynch aus seinem Haus evakuiert und kam bei seiner Tochter unter, wo er am Mittwoch verstarb.

David Keith Lynch wurde am 20. Januar 1946 in Missoula, Montana, geboren. Aufgrund der Tätigkeit seines Vaters als Agrarwissenschaftler für das US-Landwirtschaftsministerium blieb die junge Familie jedoch nicht lange dort und zog bis zu Lynchs 14. Geburtstag mehrmals durch die Staaten der US-Westküste. Schließlich ließ sich die Familie in Alexandria, Virginia, nieder, wo David eine dauerhafte Leidenschaft für die Malerei entwickelte.

Obwohl er dort keine Zukunft für sich sah, widmete er sich in dieser Zeit der Malerei, mietete ein Atelier, in dem er seiner Kreativität freien Lauf ließ, und besuchte Kurse an der Corcoran School of Art in Washington, D.C. In den folgenden Jahren studierte er an der Corcoran School of Art in Washington, D.C., die er mit einem Diplom abschloss. Nach seinem Abschluss 1964 entschloss er sich, an der privaten Kunsthochschule in Boston zu studieren. Aufgrund mangelnder Inspiration und unseriöser Kommilitonen brach er das Studium jedoch bereits nach einem Jahr ab.

Zusammen mit einem Freund reiste Lynch daraufhin nach Europa, um in Salzburg an der Sommerakademie von Oskar Kokoschka, einem Künstler der Wiener Moderne, zu studieren. Da ihnen die Stadt jedoch zu sauber war, zogen sie weiter nach Paris und reisten schließlich mit dem Orient-Express nach Athen. Aber auch diese Stadt gefiel ihnen nicht, und Lynch vermisste Amerika und beschloss, dort zu leben: Ich dachte daran, dass ich 7000 Meilen vom nächsten McDonald’s entfernt war.

Nach seiner Rückkehr in die USA bestand er die Aufnahmeprüfung an der Kunstakademie in Philadelphia und studierte dort zwei Jahre. Dort lernte er auch seine erste Frau Margeret Reacey, genannt Peggy, kennen. Am 7. April 1968 wurde ihre Tochter Jennifer geboren, die später in die Fußstapfen ihres Vaters treten sollte. In dieser Zeit wurde Lynch auch bewusst, dass der Malerei mit Bewegung und Ton zwei wichtige Elemente fehlten, so dass er seine ersten Filmversuche unternahm. 

Mit Hilfe eines wohlhabenden Studienkollegen entstand der vierminütige Kurzfilm The Alphabet (1968), der ihm schließlich ein Stipendium am American Film Institute in Los Angeles einbrachte. Dort realisierte er den halbstündigen Film The Grandmother, der auf mehreren Filmfestivals lief und für Lynch de facto die Eintrittskarte ins Filmgeschäft war.

Nach einem Filmprojekt für 20th Century Fox, das Lynch schließlich abbrach, arbeitete er an Eraserhead. Der zwischen Horror, Fantasy, Surrealismus, Punk und Science Fiction angesiedelte Film bedeutete schließlich seinen künstlerischen Durchbruch und gilt heute als Kultfilm. Auch sein nächstes Projekt, Der Elefantenmensch, die Verfilmung der wahren Geschichte von Joseph Merrick, festigte seinen Ruf als vielversprechendster Newcomer des Hollywood-Establishments und wurde 1981 für insgesamt acht Oscars nominiert. 

Er erhielt daraufhin zwei Angebote: Zum einen sollte er für George Lucas Die Rückkehr der Jedi-Ritter verfilmen, zum anderen für Dino De Laurentis den Science-Fiction-Roman Dune - Der Wüstenplanet. Er entschied sich für Letzteres, was schließlich zu einem der größten Flops der Filmgeschichte werden sollte. Aber Lynch lernte dabei etwas Wichtiges für seine späteren Werke: das Recht auf den letzten Schnitt. Mit dem surrealen Thriller Blue Velvet konnte er schließlich seinen Ruf als Regiekünstler wiederherstellen, so dass auch dieses Werk zum Kultfilm avancierte. 

Mit Twin Peaks sollte sein nächstes Werk eine Fernsehserie werden, in der wiederum der Schauspieler Kyle MacLachlan die Hauptrolle spielte. Die Serie über einen Mordfall, der hinter der idyllischen Fassade einer Kleinstadt ein Labyrinth aus Sex, Drogen, Lügen und Gewalt offenbart, wurde mit drei Golden Globes und zwei Emmys ausgezeichnet. Obwohl die Serie nach zwei Staffeln eingestellt wurde, erhielt sie 1992 ein Prequel und 2017, nach 23 Jahren, eine dritte Staffel.

Leider konnte der Twin-Peaks-Film nicht an seine früheren Erfolge anknüpfen und Lynch wurde zu einem Risikofaktor in der Branche. Lynch geriet in eine Schaffenskrise, widmete sich der Malerei und arbeitete notgedrungen als Regisseur von Werbespots. So entstanden Spots für Armani, Adidas, Jil Sander und für Barilla Nudeln, für die er Gérard Depardieu (Der Mann mit der eisernen Maske) in Szene setzte. Außerdem drehte er Werbefilme für die Parfums Obsession von Calvin Klein und Opium von Yves Saint Laurent. Außerdem führte er Regie bei mehreren Musikvideos, darunter Came Back Haunted von Nine Inch Nails. 

Mit dem Psychothriller Lost Highway kehrte Lynch 1997 schließlich ins Kino zurück und stellte seinen Ruf wieder her. Es folgten das Roadmovie Eine wahre Geschichte - The Straight Story, das mit Mystery-Elementen gespickte Drama Mulholland Drive - Straße der Finsternis und Inland Empire, der 2007 Lynchs letzte Regiearbeit werden sollte. Für Steven Spielbergs Die Fabelmans stand er 2022 noch einmal als Schauspieler vor der Kamera.

Neben der Goldenen Palme für Wild at Heart erhielt er 2006 den Goldenen Löwen für sein Lebenswerk, war Ritter und Offizier der französischen Ehrenlegion und wurde 2019 mit dem Ehrenoscar ausgezeichnet. Er gilt als einer der bedeutendsten Filmemacher der Gegenwart und sein Film Mulholland Drive wurde 2016 in einer internationalen Kritikerumfrage zum bisher besten Film des 21. Jahrhunderts gewählt. Lynch hinterlässt vier Kinder aus vier Ehen.

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