PR Neo 60- Der Kristallpalast

Rüdiger Schäfer

Mit „Der Kristallpalast“ liegt zumindest in der Theorie der letzte Band des „Arkon“ Zwölfteilers vor. Nur in der Theorie, da die Zyklenbezeichnung im Grunde eine Farce ist. Die Handlung endet mit einem Cliffhangar – Perry Rhodan und der klägliche Rest seines Teams müssen aus den Räumen des Regenten entkommen – und über das Epetran Archiv wird erst im nächsten Zwölfteiler berichtet. Diese nahtlosen Übergänge sind spannungstechnisch und wahrscheinlich auch aus kommerziellen Gründen zu verstehen, machen es aber potentiellen Neueinsteigern auch nicht leicht, mit einer internen Nummer eins in die laufende Handlung einzusteigen.

Viel schlimmer ist, dass Rüdiger Schäfer nach den Vorgaben des Expose einen im Grunde enttäuschenden Roman abliefert, der wie es sich inzwischen für „Neo“ gehört, dieses Mal in Bezug auf Crest weitere Fragen aufhäuft und vor allem diese ganze Mission in Frage stellt. Anfänglich konnten und mussten Perry Rhodan und die Leser davon ausgehen, dass das Epetran Archiv ein zugängliches Archiv ist, das die Koordinaten der Erde und Hinweise auf den Planeten des ewigen Lebens enthalten hat. Am Ende dieses Romans hat man erfahren, dass Crest das Archiv im Grunde auch vor den Augen seines ehemals besten Freundes Onat da Heskmar verborgen und an einem derartig auffälligen Ort versteckt hat, das die Bedeutung dieses Fundes für Unwissende – und dazu gehört selbst der Regent – nicht ermessbar ist. Vor allem angesichts der Tatsache, dass der in Ungnade gefallene an Leukämie erkrankte - von oben wurde ihm eine Heilung durch die Aras nicht zu gestanden – Crest auf eine eher unwichtige Expedition ins Nichts aufgebrochen ist. Am Ende seines sinnlosen Kreuzzuges hat Rhodan nicht nur mehrere Dutzend seiner Mitstreiter gefährdet – ein Teil seiner Mannschaft ist immer noch in Gefangenschaft -, sondern zur Sicherung der Erde nichts erreicht. Aber es gibt Hinweise, dass die Suche nach dem Archiv wieder nur ein Mosaikstein einer kosmischen und teilweise unfreiwillig auch komischen Suche ist. In der Originalserie stand am Ende der ersten Suche Wanderer und das ewige Leben. Es bleibt nicht unbedingt spannend angelegt abzuwarten, in welche Richtung Rhodan von den verschiedenen, hinter den Kulissen streitenden Parteien geführt werden soll und ob Frank Borsch irgendwann die Kurve bekommt, die Handlung nachvollziehbar vereinfacht und nicht unbedingt simplifiziert, aber vor allem einen kontinuierlichen roten Faden findet.

Das Ende von Rüdiger Schäfers Roman muss leider in einem engen Zusammenhang mit dem Ausblick betrachtet werden. Wenige Romane vorher hat sich Goratschin geweigert, mittels seiner Gabe den Regenten im Höhlenlabyrinth auszuschalten. Diese vergebliche Aufgabe hat Atlan übernommen. Im vorliegenden Band reicht ein einfacher Befehl Rhodans, den Regenten durch den Zündermutanten anzugreifen, nachdem sie beim Einbruch in dessen Räume erwischt worden sind. Das der Regent allerdings darauf vorbereitet hat, haben die Zeilen davor und die anwesenden Roboter bewiesen. Warum er vorbereitet gewesen ist, wird nicht weiter erläutert, den die Warnung durch jungen, aber aufgeweckten neuen Mitglieds der Garde kam zu spät, um wirklich derartige Vorbereitungen zu treffen und sich quasi in Position zu setzen. Am Ende des Showdowns scheint ein weiterer Doppelgänger des Regenten ausgeschaltet worden zu sein, während sich ein potentielles Original auf eine wichtige Rede vor seinem Volk vorbereitet und quasi auf den Balkon tritt. Die Idee der Doppelgänger ist nicht unbedingt neu und wurde im Verlaufe dieser „Neo“   Serie schon einmal eingesetzt. Diese Wiederholung ist höflich gesprochen „unschön“ und wenig originell. Das größte Manko ist allerdings, dass sich Goratschin für seine Kameraden „opfern“ und der Ausblick dessen Opfer hinterfragt. Bislang haben es die Autoren und Frank Borsch nicht geschafft, einen der wichtigen Protagonisten wirklich sterben zu lassen. Wie oft wurde der Leser mit dieser Art von Cliffhangar in der „Neo“ Serie an der Nase herum geführt. Die Relativierung der Ereignisse wirkt eher wie ein Eingeständnis, dass diese Vorgehensweise nicht mehr funktioniert. Warum können derartige Figuren entgegen der Ankündigungen Frank Borschs nicht wirklich sterben, zumal der weich gespülte Goratschin als Charakter schon seit einigen Romanen nicht mehr überzeugen kann. Ist das Ende dieses Romans schon enttäuschend, so zeigt der Handlungsaufbau eine Aneinanderreihung von Zufälligkeiten, die es Perry Rhodan ermöglichen, den Kristallpalast nicht nur zu betreten, sondern sich dort frei zu bewegen. Das parallel zum Eindringen die Satellitenstadt nach einem Aufstand auf Arkon II fällt und die Sicherheitsmaßnahmen im Palast nicht verstärkt werden, ist einer der Punkte, über den Rüdiger Schäfer in seinem dritten „Neo“ Band hinweg geht.   

Niemand wundert sich oder hinterfragt, dass Onat da Heskmar nach mehreren Jahrzehnten des Exils plötzlich mit einem Team wieder den Kristallpalast besuchen will. Anscheinend hat niemand die Zugangsdaten des Palasts überarbeitet. Einmal für die Ewigkeit registriert. Angesichts der von Schäfer auch mehrfach angesprochenen Säuberungen eines anscheinend auch paranoiden Regenten unglaubwürdig. Jeder Herrscher, der sich derartig die Macht erschlichen hat und potentielle Gegner aus dem Weg räumt, hätte alle Zugangsdaten eingeschränkt und Besucher doppelt hart ausgesucht. Zumindest die oberste Etage des 200 Meter hohen Stiels mit einem einen Kilometer hohen Kelch wäre dreifach gesichert gewesen. Unabhängig von der Tatsache, dass Attentäter an der Basis mittels Blasterbomben – siehe den letzten „Neo“ - effektive Zerstörungen hätten anrichten können . Akzeptiert der Leser dann auch noch den Zufall, dass Onat da Heskmar entweder die Familie des unerfahrenen Gardisten noch kennt oder er mittels nicht expliziert erwähnter Fähigkeiten dessen Abstammung hatte erahnen können, dann ist das „Deus Ex Machina“ Szenario perfekt. Die Schattenpaläste innerhalb des Kristallpalastes, die hochrangigen Khasurn gehören, sind über Jahrzehnte oder Jahrhunderte nicht untersucht worden. Viel interessanter ist, dass diese Räume anscheinend trotz der Abwesenheit des Besitzers sicherheitstechnisch immer auf dem neusten Stand gehalten worden sind. Dabei ist die Idee künstlicher Intelligenzen bislang nicht angesprochen worden. 

Onat da Heskar informiert Perry Rhodan über seine Jugend mit Crest im Schattenpalast. Als arkonidische Tom Sawyers haben sie die geheimen Gänge und Räume untersucht. Rüdiger Schäfer bemüht sich, diesen Rückblenden Leben einzuhauchen und sie gehören auch zu den wenigen Passagen, die lesenswert und informativ sind. Selbst die Charakter Veränderung durch die Entdeckung des Archivs ist noch nachvollziehbar. Mit dem Tod des alten Regenten und der Machtübernahme durch dessen Nachfolger fiel Crest in Ungnade. Wie schon oben angesprochen wurde die Freundschaft zu den da Heskars nicht hinterfragt. Das wirkt wiederum unglaubwürdig, ist aber zu akzeptieren. Spätestens aber der augenblicklich regierende Regent hätte alle potentiellen Gefahrenpunkte ausgeschaltet. 

Das Eindringen in die Räume des Regenten über einen Antigravschacht, der zum Fluchtsystem gehört und das Überlasten eines Schirmfeldgenerators, der den Schacht abriegelt, ist allerdings der Tiefpunkt des Romans. Nur ein Mitglied der Garde – ein Jüngling, der anfangs schon Verdacht geschöpft hat – entdeckt das Eindringen der Fremden. Keine Alarmsysteme, keine zusätzlichen Roboter, eine nur mit einem Mann am Überwachungsbildschirm, der die Eindringlinge auch noch durch die erste „Tür“ gelassen hat, besetzte Zentrale. Rüdiger Schäfer gelingt es, das Flair der sechziger Jahre mit dieser Sequenz unabsichtlich wieder auferstehen zu lassen. Es ist immer wieder erstaunlich, dass „Neo“ auf der einen Seite neue Wege gehen möchte, auf der anderen Seite immer wieder auf das damals moderne Niveau der Originalserie zurückfällt. 

Zusammengefasst ist „Der Kristallpalast“ ein konsequenter Abschluss – das Wort ist eher zynisch zu verstehen – eines Zwölfteilers, der in einem Schneckentempo begonnen und niemals wirklich stringent umgesetzt worden ist. Vieles erinnert an ein modernes Puzzle, bei dessen Zusammensetzen die einzelnen Teile zu Recht gesägt werden, um zu passen.  Rüdiger Schäfer ist stilistisch ein solider Autor, der als Mitglied des Teams seine Geschichte niedergeschrieben und versucht hat, aus dem unterdurchschnittlichen Expose noch etwas herauszuholen. Es gibt allerdings zu viele Sequenzen, in denen selbst ein bekennender Fan wie er überfordert ist, um die nachvollziehbar glaubwürdig niederzuschreiben.   


 

Pabel Verlag, Taschenheft, 160 Seiten

Erschienen im Januar 2014

Kategorie: