The Magazine of Fantasy and Science Fiction July/ August 2016

C.C. Finlay( Herausgeber)

Die Auftaktgeschichte “Trustworthy, Loyal, Helpful” von Gregor  Hartmann beschreibt eine „typische“ Entwicklung. Ein Produkt wird entwickelt. Ob es sinnvoll ist oder nicht spielt keine Rolle. Das die unbeschränkte Anwendung gefährlich ist, erleben die Menschen erst in dem Moment, in dem es beinahe schon zu spät erscheint.  Die letzte Inkarnation vor der sich selbst entwickelnden Kopiermaschinerie wird überstürzt auf den Markt geworfen. Mit den obligatorischen Folgen. Wenn rückblickend über Schuld und Verantwortung diskutiert wird, wirft Gregor Hartmann eine Reihe von Floskeln in den Ring, die er vorher im Rahmen der einzelnen Entwicklungsstadien immer negiert hat. Das lässt den Plot unnötig ambivalent und vor allem leider auch konstruiert erscheinen.   

Emotional ansprechend ist „Last One Out“ der Debütantin K.B. Rylander. Ein Roboter versucht seiner menschlichen Begleitung zu helfen. Sie ist die einzige Überlebende einer Seuche auf einer abgeschieden gelegenen, unter Quarantäne gestellten Insel.  Der Roboter versucht der inzwischen älteren Frau in allen Lebensbereichen zu helfen. Eher verzweifelt unterstrichen durch die erzähltechnisch genutzten Protokolle nimmt der Roboter auch Kontakt mit anderen künstlichen Intelligenzen auf.  Der Kontrast zwischen den menschlichen Bedürfnissen und den virtuellen Ideen der künstlichen Intelligenzen macht den Reiz dieser kurzweilig zu lesenden Story aus.

Direkt aus dem Bereich des „Ray Bradbury“ Countries stammt „Vishnu Summer“ von David Prill. Die Ich- Erzählerin hat bei einem Unfall einen Arm verloren. Ihre Mutter ist schwerkrank. In der kleinen Gemeinde trifft sie auf einen Jungen mit drei Armen, der vor Gericht steht. Er soll mindestens einen Menschen umgebracht haben. Die Prämisse ist warmherzig entwickelt. Es entwickelt sich gut zu lesende Liebesgeschichte. Der Leser erwartet, dass zumindest im Geiste aus den verkrüppelten Menschen eine Einheit wird. Allerdings fügt der Autor mit den seltsamen Bildern der kranken Mutter dem Geschehen eine surrealistische Ebene hinzu, die plötzlich aufgesetzt erscheint. Wie Ray Bradbury zeichnet David Prill aber ein überzeugendes, dreidimensionales Bild des amerikanischen Lebens auf dem Lande, bevor von außen phantastische Elemente in die Handlung eindringen.  

Lavie Tidhar hat „The Vanishing Kind“ direkt im Anschluss an seinen provokanten wie sehr guten Roman „A Man lies Dreaming“ geschrieben.  Die Novelle spielt vor dem bekannten Hintergrund eines nationalsozialistischen Sieges und sie ist bewusst als eine Art Mischung aus Film Noir und einem geschlechterbedingt umgekehrten „Der dritte Mann“ angelegt. Der Protagonist sucht die vor einigen Jahren verschwundene Liebe seines Lebens. Er wird mir ihrer Leiche konfrontiert. Die ehemalige Schauspielerin hat sich anscheinend mit ihren Nebengeschäften Feinde gemacht, wobei der Ich- Erzähler weiter verfolgt wird, was seinen Verdacht nährt, dass an diesem ersten von mehreren Morden etwas faul ist. Lavie Tidhar präsentiert eine zynische Auflösung, die ohne Frage konsequent ist.  Der Text ist atmosphärisch stimmig und erinnert an die bekannten Film Noir Streifen, wobei die Alternativwelt absichtlich eher pragmatisch gezeichnet worden ist.  Es ist eher eine der umstrittenen Geschichten dieser Ausgabe, wobei Tidhar immer wieder unterstreicht, dass er historisch zeitkritische Themen immer wieder gerne aufgreift.   

 Zwei Geschichten kommen aus dem Bereich der Fantasy. „The Desert of the Vanished Dreams“ von Phyllis Einstein ist eine weitere Story um Alric, den Barden, der seit über vierzig Jahren sporadisch das Magazin besucht und seinen Abenteuern  erzählt. Zusammen mit einer Karawane will er eine herausfordernde Wüste durchqueren. Als das Wasser auszugehen droht, suchen und finden sie eine natürlich mysteriöse Stadt, in welcher es Wasser im Überfluss gibt, wenn man die Attacken der Bewohner überlebt. Eine solide Geschichte, die mehr auf Spannung als auf Stimmungen setzt. Im Gegensatz zu vielen anderen Reisen Alrics ist der Plot dadurch griffiger und zugänglicher, auch wenn das Ende abrupt erscheint.  "Spells Are Easy If You Have the Right Psychic Energy" von  Dominica Phetteplace ist einer dieser kurzweiligen Geschichten, in denen es um den Fluch und Segen von verschiedenen Zaubersprüchen geht. Dabei dient der belehrende Unterton der Protagonistin gegenüber eher pragmatisch als Hinweis an den Leser, dass kein Zauberspruch ein Allheilmittel ist.  Aber dieser Hinweis ist genretechnisch nicht neu, wird nur inhaltlich unterhaltsam, stellenweise originell neu verpackt.

Die kurzen Geschichten dieser Ausgabe verfügen über einen schlagkräftigen Humor.  Oliver Buckrams Titel „An Open Letter to the Person, Who Took my Smoothie from the Break Room Fridge“ verfügt über keine überragende Pointe, aber die Art der Kommunikation zwischen den Superschurken macht den Text trotzdem zu einer lesenswerten Ergänzung dieses Magazins.

„Jesus Has Forgiven Me, Why Can´t you?” von Betsy Phillips provoziert durch den Namen des einen Wrestlers. Es ist eine Beziehungsgeschichte im Grunde ohne phantastische Elemente. Der Leser kann auch nicht klar erkennen, ob Gottes Sohn wirklich in den Ring gestiegen ist oder ob es sich um eine Einbildung handelt. Der humorvolle Unterton unterstreicht aber, dass die Autorin unterhalten und nicht provozieren wollte.  „Killer“ von Bruce McAllister ist eine Art Fortsetzung zu einer Geschichte, die in den achtziger Jahren im Magazin „Omni“ veröffentlicht worden ist. Engel und Dämonen treffen sich auf der Erde, allerdings sind die beiden Seiten nicht klar definiert. Der Text ist allerdings viel zu kurz, um wirklich überzeugen zu können.

David Gerrolds „The Thing on the Shelf“ dient gleichzeitig als Übergang zur nächsten Nummer, in der David Gerrold als erst dem vierten Autoren eine Themenausgaben in der langen Geschichte des „The Magazine of Fantasy and Science Fiction“ gewidmet worden ist.  Wie viele seiner letzten Arbeiten mit semibiographischen Hinweisen, lebenden Autoren wie Harlan Ellison und schließlich dem Hintergrund des Bram Stoker Awards und einer Horror World Convention angereichert besticht der Text eher durch die teilweise selbst ironischen Bemerkungen als den zugrundeliegenden Plot, der sich zu stark an H.P. Lovecraft anlehnt und zu viel impliziert als das Antworten angeboten werden.  Fakt ist, dass David Gerrold tatsächlich den Bram Stoker Award für die beste Kurzgeschichte „Night Train to Paris“ – ebenfalls in diesem Magazin erschienen -  im Jahre 2013 erhalten hat. Um diese Tatsache herum baut der Amerikaner humorvoll bis ein wenig zynisch seine Geschichte auf.   Er rechnet mit den exzentrischen Fans an, den immer gigantischer und damit seelenloser werdenden Cons und schließlich auch den einzelnen Autoren. Die phantastischen Elemente spielen dabei eine untergeordnete Rolle, aber „The Thing on the Shelf“ gehört zu den herausragenden Geschichten dieser Ausgabe. 

 Im sekundärliterarischen Teil der Ausgabe finden sich insgesamt sechs Beiträge. Neben dem Blick auf seltene Bücher – dieses Mal Franz Werfel – stellt Charles de Lint wieder einige teilweise sehr ungewöhnliche Bücher vor.  Dabei erfährt der Leser in einer persönlichen Note auch einiges über seine Eltern, während James Sallis sich vor allem um Anthologien kümmert. Neben der wissenschaftlichen Kolumne karikiert di Fillipo wieder die Literaturszene. In diesem Fall die perfekte Vorbereitung eines Autoren durch Workshops leider nicht auf die Karriere, die er sich wünscht. Herausragend ist die Filmkolumne, da dieses Mal zwei der drei vorgestellten Filme trotz guter Kritiken unter dem Radar daher gekommen sind.   

       

Paperback, 262 Seiten

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