Kritik zu The Mortuary Collection - Jeder Tod hat eine Geschichte: Bitte noch eine Geschichte!

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Wer in Raven’s End stirbt, landet auf dem Tisch von Leichenbestatter Montgomery Dark (Clancy Brown). Niemand kennt die Toten und ihre Geheimnisse besser als er. Von der Grabrede über die letzte Salbung bis hin zur Verbrennung im hauseigenen Krematorium: Die Verstorbenen sind bei ihm in besten Händen. Als sich die furchtlose Sam (Caitlin Fisher) bei ihm um eine Stelle bewirbt, ist er beeindruckt von ihrer Faszination für das Morbide. Doch je tiefer er die junge Frau in die dunklen Katakomben seines Anwesens führt, desto klarer wird ihr, dass man die Toten besser ruhen lässt.

Rechtzeitig zu Halloween startet The Mortuary - Jeder Tod hat eine Geschichte in den Kinos. Gut, wird man sich denken, Halloween und Grusel - da ist immer mit einer Gruselfilmschwemme zu rechnen, die mal mehr, mal weniger gelungen ist. Das Spielfilmdebüt von Ryan Spindell (The Babysitter Murders) nach seinem eigenen Drehbuch hat jedoch einen genaueren Blick verdient, denn der Regisseur und Autor zeigt, dass ein gelungener Horrorfilm vor allem eins benötigt: eine intelligent erzählte Geschichte.

Für sein Debüt hat Spindell einen Episodenfilm gewählt. In der Rahmenhandlung führt Montgomery Dark Sam durch das Bestattungsinstitut. Bereits zu Beginn bemerkt Sam die imposante Bibliothek in dem verwinkelten, viktorianischen Haus. Jedoch befinden sich darin keine simplen Bücher. Denn die Bücher im Besitz von Montgomery Dark erzählen nicht nur, wie ein Mensch gestorben ist, sondern auch warum. Und dann beginnt der Bestatter, Sam von einigen der Todesfälle, die er erlebt hat, zu erzählen …

The Mortuary - Jeder Tod hat eine Geschichte taucht in den insgesamt vier Episoden in jeweils eine andere Dekade ein. So erzählt das erste Segment die Geschichte vom unrühmlichen Ende einer Taschendiebin in den 50ern, während das Segment der 60er sich die Zeit der freien Liebe und Emanzipation zu eigen macht. Die Geschichte der 70er-Jahre ändert erstmals spürbar den Rahmen, als Montgomery Sam von dem Ehepaar Owens erzählt. Als Sam sich dann jedoch beschwert, dass seine Berichte zu vorhersehbar wären und einem bestimmten Schema folgen, ist es an ihr, ihre eigene Geschichte zu erzählen.

In jeder Geschichte darf es gern etwas mehr sein

Spindell ist es gelungen, mit jedem Segment immer das berühmte Schippen draufzulegen. Während die Episode um die Taschendiebin ein kurzer, aber unterhaltsamer Auftakt ist, offenbart der Film bereits in der folgenden Episode, dass Spindell nicht vor auf den ersten Blick absurden Idee zurückschreckt. So gleitet die Erzählung um den College-Studenten Jake nicht ins Lächerliche ab, sondern bewegt sich auf einem amüsanten Level. Zugeben, in dieser Episode kommt es eher auf die Moral der Geschichte an, denn auf den Gruselfaktor, dennoch macht bereits mit diesem Segment deutlich, welch Ideenreichtum in dem Film steckt.

Den Gruselfaktor schraubt Spindell dann erstmals mit der Geschichte um die Owens spürbar hoch. Es wird sichtlich blutig, jedoch driftet The Mortuary - Jeder Tod hat eine Geschichte nie ins Splatter-Genre ab. Stattdessen überrascht das Drehbuch mit einem überraschenden Comedy-Timing und zaubert Absurditäten aus dem Hut, mit denen das Publikum nicht wirklich rechnen konnte. Zudem schafft der Film es besonders in diesem Segment, den Zuschauer dazu zu bringen, die eigene Moral zu überdenken. Wie weit würde man selbst gehen, wenn es scheinbar keinen anderen Ausweg gibt? Wozu ist man selbst fähig, wenn es um den Menschen geht, den man liebt? Und wie bindend ist eigentlich so ein Eheversprechen? Es sind in der Tat nicht die blutigen Momente, die einem hier die Gänsehaut verursachen, sondern das Bewusstsein darüber, dass man sich unwillkürlich mit Wendell Owens, dem Ehemann, identifiziert.

Babysitter trifft auf Psycho-Killer? Gern!

In der finalen Geschichte fährt Spindell dann alles auf, was das Publikum von einem guten Horrorfilm erwartet. Hierfür hat er die klassische Babysitter-Geschichte gewählt, in der ein Babysitter alles macht, um das Kind vor einem Psychopathen zu schützen. Und ab da liefert der Film alles, was das Horrorherz begehrt. Entschlossene Babysitter, Verfolgungsjagden durch ein Haus, Gegner, die sich bis auf das Blut bekämpfen und alles als Waffe hernehmen, das Aufbäumen einen vermeintlichen Toten … und einen Überraschungsmoment, der so nicht zu erahnen war und hervorragend funktioniert.

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Spindell ist es zudem gelungen, jede Rolle treffend zu besetzen. Clancy Brown überzeugt als mysteriöser Leichenbestatter Montgomery Dark, der ein unidentifizierbares Alter hat und durch das verwinkelte Haus schlurft. Zudem beweist Brown, warum er sich in der Videospielbranche (Crash Bandicoot, Detroit: Become Human) einen Namen gemacht hat. Seine tiefe Stimme trägt gemeinsam mit seiner Körpergröße dazu bei, dass allein der Anblick von Dark reicht, um ein wohliges Gruseln zu erzeugen.

Caitlin Custer gibt hier als Caitlin Fisher ihr Spielfilmdebüt. Glücklicherweise ist ihre Rolle nicht das typische weibliche Klischee (schreien, hilf- und vor allem kopflos wegrennen), vielmehr ist Sam eine intelligente und vor allem furchtlose Frau, die Custer gelungen darstellt.

In den Nebenrollen der einzelnen Segmente überzeugen vor allem Christine Kilmer (Hollywood) als Taschendiebin Emma, Jacob Elordi (Euphoria) als Collegestudent Jake, Ema Horvath (The Lord of the Rings (Serie)) als Jakes Love Interest Sandra sowie Barak Hardley (What lives inside) als Wendell Owens.

Augen- und Ohrenschmaus

Ebenfalls gelungen ist die Optik des Films. Jedes Segment hat seine eigene Farbgebung und sorgt damit für die jeweilige Grundstimmung. So tragen die Beige- und Brauntöne in der Geschichte um die Eheleute Owens maßgeblich zur bedrückenden Atmosphäre bei. Beachtlich ist auch die Entscheidung, die Kameralinsen zu wechseln, um den Zuschauer vor allem in der Babysitter-Geschichte vollends in den Bann zu ziehen. Sobald bei einer Figur das Adrenalin hochfährt, kommt eine Fish-Eye-Linse zum Einsatz und visualisiert den Tunnelblick, den viele Menschen unter hohem Stress entwickeln. Passend dazu ist auch der Ton gedämpft, mitunter verzerrt.

Abschließend ist auch die gelungene Schnitttechnik erwähnenswert. Manch schneller Schnitt sorgt dafür, dass Gore und Splatter keine Chance haben. Zwar bekommt das Publikum Dinge zu sehen - bevor es jedoch zu viel gesehen hat, erfolgt ein schneller Schnitt auf eine andere Kameraperspektive. Und es ist zudem erfrischend, dass ein erbitterter Kampf in der Babysitter-Geschichte nicht ins kleinste Detail ausgeleuchtet und dargestellt wird, sondern mit schnellen Schnitten in Mischung mit Slow-Motion-Sequenzen überzeugt.

Fazit

Mit The Mortuary Collection - Jeder Tod hat eine Geschichte feiert Ryan Spindell ein gelungenes Spielfilmdebüt. Die Geschichte ist intelligent erzählt, wartet mit Überraschungsmomenten auf und ist zudem optisch brillant inszeniert. Definitiv der richtige Film, um die Halloween-Saison vollends einzuläuten.

THE MORTUARY – JEDER TOD HAT EINE GESCHICHTE Trailer (Deutsch)

The Mortuary Collection - Official Trailer [HD] | A Shudder Original

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