Cast Away - Verschollen

Originaltitel: 
Cast Away
Land: 
USA
Laufzeit: 
143 min
Regie: 
Robert Zemeckis
Drehbuch: 
William Broyles Jr.
Darsteller: 
Tom Hanks, Helen Hunt
Kinostart: 
11.01.01

Für Chuck Noland ist jede Minute Gold wert: Der Topmanager des US-Postunternehmens FedEx ist rein beruflich immer im Kampf mit der Uhr: Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, jede Sendung zu optimieren und die Versandzeit immer zu verkürzen. Und so ist er auf der Welt immer unterwegs: Heute Memphis, morgen Moskau - und immer die Uhr im Blick. Für seine Freundin Kelly bleibt ihm dabei kaum Zeit: Weihnachten muss im Auto auf dem Weg zum Flughafen gefeiert werden. Nachdem er sogar um ihre Hand angehalten hat, macht er eine der größten Understatements der Filmgeschichte: Er will bald zurück sein, verspricht er.

Doch das Flugzeug gerät in einen Sturm, muss notwassern und sinkt. Chuck ist der einzige Überlebende und macht seinem Namen Noland alle Ehre: Er strandet auf einer einsamen Insel, die in ihrer Schönheit und Ruhe im krassen Kontrast zu seinem Leben steht. Die Insel, für die gestresste Großstädter ein Vermögen bezahlt hätten, könnte man sie doch wieder verlassen, wenn man wollte.

Doch es gibt keinen Weg von dem Eiland, und daher muss sich Chuck mühevoll damit abfinden, nun ums Überleben kämpfen zu müssen oder zu sterben. Die Insel bietet ihm dabei kaum Hilfe, und das einzige, was er nun im Überfluss hat, ist Zeit. Sein einziger Gesprächspartner wird ein Volleyball, auf den er mit Blut ein Gesicht und damit einen visuellen Bezugspunkt aufgemalt hat.

Bis an den Rand der Verzweifelung getrieben macht sich Chuck daran, sein Leben zu retten und muss ganze vier Jahre auf der Insel verweilen, bis er sich dazu entscheidet, die gefährliche Flucht zu wagen. Als er tatsächlich gerettet wird und in die Zivilisation zurückkehrt, muss er feststellen, dass ihn seine Verlobte losgelassen hat und er nicht mehr so recht in diese moderne Welt passt. Er kann sich mit Kelly aussprechen und wagt einen Neuanfang.

------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Filmkritik

von Holger Lodahl für sf-radio.net

Verschollen ist in Aufbau und Handlung ein ungewöhnlicher Hollywood-Film. Der erste Teil folgt noch den Wegen der Hollywood-Konventionen: Noland ist ein Amerikaner, der seiner Karriere seit Kindestagen im Blick hat und fast nebenbei auch noch Russen zeigt, was es heißt, für ein US-Unternehmen zu arbeiten. Seine Freundin Kelly ist hübsch und intelligent, die Familie ist groß und laut, und schließlich zeigt der Heiratsantrag zwar etwas unromantisch aber umso intensiver, dass das eigene Familienleben nicht mehr weit ist. Doch Regisseur Zemeckis und sein Cutter Arthur Schmidt verbreiten in diesen Szenen immer mehr Hektik, immer rasanter werden die Schnitte bis zum Zusammenbruch, der durch den Flugzeugabsturz eindruckvoll markiert wird.

Der zweite Teil des Filmes, der nun beginnt, bricht nun mit vielen Hollywood-Regeln. Über eine Stunde lang passiert eigentlich nichts. Außer Toms Hanks erscheint kein Schauspieler auf der Leinwand, und Noland tut das, was man von ihm erwartet: Er sucht Nahrung, müht sich um Wasser, schreibt groß "Help!" in den Sand, ohne zu ahnen, dass er weit von jeglicher Flug- oder Schifffahrtsroute entfernt ist. Und dennoch hält die Zivilisation Einzug:

Die angeschwemmten Päckchen aus dem verunglückten Flugzeit sammelt Noland fleißig auf - sei es aus Pflichtgefühl seinen Kunden und seiner Firma gegenüber in der Hoffung, die Ware doch noch zustellen zu können, oder aus dem Gedanken heraus, den Inhalt irgendwie gebrauchen zu können.

Spannung wird in diesen langen Einstellungen nicht erzeugt, in dem einfallende Wilde gezeigt werden oder Tiere zu einem Kampf zwingen. Das Drehbuch konzentriert sich auf die Frage, wie der Großstadtmensch mit den Problemen fertig wird, die für ihn vorher gar nicht mehr existent waren. Wie wird Feuer gemacht? Was tut man bei Zahnschmerzen? Wie schützt man sich vor Regen? Aber genau wie Noland schon in seinem Beruf immer der Devise: "Geht nicht, gib's nicht" handelte, überlebt er und erhält auch seinen Geist, indem er sich einen künstlichen Ansprechpartner schafft, dessen Darsteller - der Volleyball Wilson - auf dem besten Weg zum Oscar als bester Nebendarsteller war.

Und Tom Hanks nimmt man all' seine Handlungen fraglos ab. Als Zuschauer im Kino schwankt man zwischen der Anspannung, wie er sein Leben gestalten wird und der Entspannung, einmal einen Film zu sehen, der so lange ohne Autocrashs, Verfolgungsjagd oder Sex auskommt.

Möglich war diese Authentizität durch einen chronologisch aufgebauten Drehplan. Nachdem die Dreharbeiten, die Noland auf der Insel noch mehr als gutgenährt zeigen, beendet waren, wurden die Arbeiten so lange unterbrochen, dass Zemeckis sogar noch Zeit hatte, einen anderen Film zu drehen.

Diese lange Zeitspanne war nötig, damit Tom Hanks eine radikale Abmagerungskur machen konnte. Ein gut 20 kg leichterer Hanks konnte der Wandlung seiner Figur Noland die nötige Glaubwürdigkeit verleihen, vier Jahre allein verbracht zu haben, einzig von Fisch, Kokosnüssen und Krebsen ernährt. Doch ist es nicht nur die äußere Veränderung, die in weiten Teilen durch die Arbeit der Maskenbildner hergestellt wurde und die Hanks' Noland die Leidwand füllen lässt, ohne zu langweilen. Tom Hanks ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere und zu recht einer der erfolgreichsten Schauspieler.

Als Noland seine Insel verlassen kann und sich auch von Wilson verabschieden muss, beginnt das letzte Drittel von Verschollen. Erst jetzt setzt der Soundtrack ein, den man bis dahin auch nicht vermisst hat.

Wie zu erwarten war, kommt Noland nicht ohne weiteres in der Zivilisation zurecht und scheint deplaziert. Noland geht nun erstaunt, verwirrt und überfordert durch die Welt, und Hanks scheint in seiner Darstellung der Figur auf seine Erfahrungen von Forrest Gump zurück zu greifen.

Im Zentrum des letzten Teils steht das Zusammentreffen mit Kelly. Sie hat sich innerlich von Noland gelöst und ein neues Leben angefangen. Obwohl beide ihre Beziehung als Liebe ihres Lebens ansehen, sehen sie ein, dass Kelly ihr jetziges Leben weiterführen muss.

Chuck bleibt allein an einem Scheideweg zurück, und es bleibt offen, wie er sein Leben weiter gestalten wird.

Obwohl Verschollen ein großartiger Film ist, bleibt ein merkwürdig fader Nachgeschmack.

Der Film bietet dem Zuschauer die Möglichkeit zu hinterfragen, ob er in seinem Leben die Werte richtig gelegt hat und ob es nicht einer Veränderung bedarf. Die letzte Szene, in der Noland frei von Stadt, Verkehr und mit offenen Gedanken an der Kreuzung des Lebens steht, unterstreicht dies.

Aber Verschollen  ist nun einmal eine Hollywood-Großproduktion, die ihre eigenen Aussagen Lügen straft. Der Film hat das eigentliche Ziel erreicht, nämlich hohe Einspielergebnisse. Etwas aus der Ferne betrachtet ist Verschollen auch einer dieser Produktionen, die so sehr auf ihren Hauptdarsteller zu geschnitten sind, dass sie zweifellos den Oscar im Blick hat und auch Guckt-mal-was-der-Hanks-alles-kann genannt werden könnte.

Jegliche Zivilisationskritik, die der Film transportieren könnte, scheitert, weil die Produzenten genau in dieser Welt leben und davon zehren, in der ihre Hauptfigur nicht mehr klar kommt und mit der er hadert. Der Kinoabend wird davon jedoch nicht getrübt, denn Verschollen ist ein perfekter und etwas ungewöhnlicher Unterhaltungsfilm.

 

Filmkategorie: