Südwest nach Sonora

Land: 
USA
Laufzeit: 
98 min
Regie: 
Sidney J. Furie
Drehbuch: 
James Bridges
Darsteller: 
Marlon Brando, Anjanette Comer, John Saxon, Emilio Fernández
zusätzliche Infos: 
nach dem Buch von Robert MacLeod
Kinostart: 
21.10.66

Im Rahmen seiner Klassikerreihe legt Koch Media mit “Southwest to Sonora” aus dem Jahre 1966 einen der wenigen Western mit Marlon Brando in der Hauptrolle wieder auf. Für die damalige Kritik stellte der von Sidney J. Furie teilweise furios, dann wieder distanziert inszenierte Western nicht nur eine Wiederholung der Themen aus „One- Eyes Jacks“ – 1961 -, sondern unterstrich, wie sehr sich plötzlich der amerikanische Western von den Italo- Western unter anderem eines Sergio Leones beeinflussen ließ.


Inhalt & Filmkritik:
von Thomas Harbach

Im Rahmen seiner Klassikerreihe legt Koch Media mit “Southwest to Sonora” aus dem Jahre 1966 einen der wenigen Western mit Marlon Brando in der Hauptrolle wieder auf. Für die damalige Kritik stellte der von Sidney J. Furie teilweise furios, dann wieder distanziert inszenierte Western nicht nur eine Wiederholung der Themen aus „One- Eyes Jacks“ – 1961 -, sondern unterstrich, wie sehr sich plötzlich der amerikanische Western von den Italo- Western unter anderem eines Sergio Leones beeinflussen ließ.

Obwohl das Drehbuch von James Bridges nach einem Roman von Robert MacLoud dem Protagonisten einen Namen gibt, bleibt Matt Fletcher – Marlon Brando – dem Publikum fremd. Zu Beginn des Streifens reitet er in ein kleines Dorf ein, sucht die Kirche auf und wird dort in den Beziehungsstreit zwischen Trini – Anjanette Corner – und dem Banditenanführer Chuy Medina – John Saxon – verwickelt. Dieser will Fletcher dessen Pferd, einen Schecken, abkaufen. Fletcher weigert sich, zu verkaufen. Er reitet schließlich zu einem mexikanischen Freund, der in der Nähe mit seiner Familie eine Maisfarm betreibt. Zusammen mit ihm will er eine Pferdezucht aufmachen. Der in seiner Eitelkeit gekränkte Medina stiehlt das Pferd und macht Fletcher lächerlich. Kaum hat sich Fletcher von seinen Wunden erholt, will er sich sein Pferd aus Mexiko zurückholen. In der Manier des Italo- Western steht er schließlich alleine der ganzen Bande gegenüber. Nur ein alter Mann und die Geliebte des mexikanischen Banditen bieten ihm Hilfe an.

Viele Kritiker insbesondere in den sechziger Jahren haben das Rachemotiv als Aufhänger genommen, um den Film in die Nähe der ersten Teile der „Dollar“- Trilogie bzw. auch der Django- Filme zu rücken. Dieser Fokus ist über weite Strecken des Films falsch, denn Matt Fletcher, über dessen Vergangenheit der Zuschauer nichts erfährt, sinnt nicht auf Rache, sondern sucht nur Gerechtigkeit. Er wird in der Kirche von der Geliebten Medinas zu Unrecht beschuldigt, sie belästigt zu haben. Sie hofft, in der Unruhe mit Fletchers Pferd fliehen zu können. Im günstigsten Fall könnte sich Matt Fletcher als „Held“ erweisen, der Medina tötet und ihr somit die Freiheit schenkt. Fletcher geht auf die Provokationen des großspurigen Medinas nicht ein. Später stiehlt dieser ihm sein Pferd und folglich muss er sich nach Mexiko begeben, um Gerechtigkeit zu erlangen. In der Hazienda Medinas will er auch nicht sein Eigentum wiedererlangen und stellt sich einem primitiven Wettstreit. In einer der intensivsten Szenen des Streifens kommt es zum Armdrücken zwischen den beiden Antagonisten. Auf den Tischen befinden sich zwei Skorpione, welche den Verlierer beißen sollen. Nur mit eiserner Selbstbeherrschung gelingt es Fletcher, trotz der Niederlage zu entkommen. In der Nacht will er sich sein Eigentum zurück stehlen, nur sein Eigentum. Im Vergleich zu den italienischen Western greift „Südwest nach Sonora“ auf klassische amerikanische Motive des Western zurück. Ein Mann hat das Recht, seine Familie und sein Eigentum um jeden Preis zu verteidigen. Diese uramerikanischen Ideale stellt Furie in seinem Streifen unmerklich in den Vordergrund. Im Vergleich zu den italienischen Rachegeschichten handelt es sich bei dem Protagonisten nicht um einen namenlosen Söldner oder Opportunisten, welcher in die Auseinandersetzung ihm fremder Leute herein gezogen wird, sondern um einen Mann, dem die weitere Existenzgrundlage – für die geplante Pferdezucht – gestohlen wird.

Der Film lebt in erster Linie von seinen beiden herausragenden Hauptdarstellern. Dabei ist Joe Saxon in der Rolle des Schurken Marlon Brando ebenbürtig. Sidney J. Furie nutzt eine den Leone Western vergleichbare Perspektive. Sowohl Weitwinkelaufnahmen von der atemberaubenden mexikanischen Landschaften und extreme Nahaufnahmen von den einzelnen Charakteren. Zu den schönsten Szenen des Streifens gehört eine Beerdigungsszene. Marlon Brando betet vor den in der Ferne sehr gut erkennbaren vom Nebel umgebenen Bergen, die Sonne geht im Hintergrund auf. Dabei nähert sich Furie bedenklich dem Kitsch, ihm gelingt aber in letzter Sekunde mit den pointierten, sparsam eingesetzten, aber immer treffsicheren, manchmal sehr humorigen Dialogen die Kurve. Im Vergleich zu Sergio Leone nutzt er die Nahaufnahmen zu einem anderen Zweck. Er bringt die Zuschauer ganz nahe an seine gebrochenen Charaktere heran. Marlon Brando scheint ein typischer Kriegsveteran zu sein, der des Töten müde ist und sich im Grunde nach einer Heimat und Familie sehnt. Das ist deutlich zu spüren, als er die Familie mit zahlreichen Kindern seines Freundes besucht. In der literarischen Vorlage erzählt MacLoud von einem historischen Zwischenfall, der Matt Fletchers Charakter endgültig geprägt hat. Eine Handvoll Büffeljäger haben sich 1874 gegen eine überlegene Anzahl von Indianern verteidigt. Da Marlon Brando sich allerdings weigert, in einem Western mitzuspielen, in dem Indianer getötet bzw. diskriminiert werden, musste diese Passage gestrichen werden. Wahrscheinlich hätte eine Integration dieser Szene den Plot zu lang werden lassen und Rückblenden wollte Furie nicht in die stringente, aber teilweise doch lethargisch und nicht unbedingt eloquent ablaufende Handlung integrieren. Gegenüber Mexikaner hatte Brando augenscheinlich keine Vorurteile. Der Zuschauer lernt Brandos Fähigkeiten erst auf Augenhöhe mit der Handlung und seinen Antagonisten kennen. Normalerweise ein überzeugendes Stilmittel, um die Spannung im Film hochzuhalten. Mit einem Ausnahmeschauspieler wie Marlon Brando wirkt diese Vorgehensweise allerdings konterproduktiv. Hier hätte vielleicht ein Trauma in seiner Vergangenheit Zweifel im Zuschauer sähen können. Wie eine Reihe anderer Filme spielt Brando einen offensichtlich masochistisch veranlagten Charakter. Es ist aus dieser Perspektive keine Überraschung, das der Film mit einer Buße in der Kirche beginnt. Allerdings beichtet Brando nur seine Taten während des Krieges. Sein Make Up wirkt zu Beginn des Films lächerlich. Ganz bewusst versuchten Furie und Brando das Image eines potentiellen Helden mit seinem ersten Auftreten zu zerstören, aber hier übertreiben sie. Selbst gewaschen und rasiert wirkt Brando mit seinen eher weichen Zügen – auch wenn er noch fit und schlank ist – nicht wie ein Kriegsheld. Mit John Saxon trifft er natürlich auf einen typischen Sadisten, der seine Freunde daran hat, nicht nur ihn zu quälen.

John Saxon als arroganter, selbstherrlicher Banditenanführer imponiert seinen Männern, muss sich aber die Zuneigung kaufen, in dem er der armen Landbevölkerung die jeweils schönsten Töchter abkauft, sie wie Sklavinnen hält, seiner sadistischen Ader - soweit es die Zensur zugelassen hat - freien Lauf ließ und diese nach einer gewissen Zeit an seine Leute weitergereicht hat. Weder Brando noch Saxon werden zu Ikonen stilisiert. In ihren Gesichtern lassen sich unglaublich gut ihre Emotionen erkennen. Hierbei sei darauf hingewiesen, das Marlon Brandos deutsche Synchronstimme zu flach und distanziert klingt. Es empfiehlt sich auf jeden Fall, den Streifen im Original anzuschauen. Brando verkörpert sehr gut einen Mann, der sich in seinem Stolz verletzt fühlt und gegen seine Überzeugung noch einmal in den dieses Mal persönlichen Krieg zieht. Er ist nicht mehr der professionelle Killer, welcher er im Bürgerkrieg gewesen sein könnte. Er versucht, das Leben seiner Gegner zu schonen. Nur wenn eine bestimmte Grenze überschritten worden ist, tötet er rücksichtslos. John Saxon geht in seiner einfachen Schurkenrolle auf. Mit einem dicken Akzent und einem herrischen Gebaren spielt er teilweise den unterkühlt wirkenden Brando an die Wand. Nicht umsonst ist Saxon für den Golden Globe nominiert worden. Zu den wenigen interessanten Nebenfiguren gehört Emile Fernandez in der Rolle von Saxons rechter Hand. Er wird einige Jahre später als General Mapache in Saxons Fußspuren treten und gegen „The Wild Bunch“ in Peckinpahs existentiellem Western antreten.

Auch wenn es auf den ersten Blick paradox klingt, begünstigt wird ihr Spiel durch die im Grunde simple Handlung des Streifens. Die Geschichte läuft sehr schematisch ab, Überraschungen gibt es so gut wie keine. Hier wäre es sinnvoll gewesen, insbesondere die zum Teil sehr klischeehaft angelegten Nebenrollen mit mehr Leben anzufüllen. Das obligatorische Duell zwischen Saxon und Brando findet in den plötzlich schneebedeckten Höhen der mexikanischen Berge statt. Im Vergleich allerdings zu Leones Italo- Western verzichtet Furie ganz bewusst auf das klassische Duell, er zeigt, das nur der Mann überleben kann, der im entscheidenden Augenblick rücksichtsloser und brutaler vorgeht. Obwohl effektiv inszeniert wirkt dieses Duell wie ein Antihöhepunkt, als wollte das Drehbuch unterstreichen, das in „Südwest nach Sonora“ mehr als ein klassischer Western steckt. Diese Vorgehensweise unterstreicht Furie unter anderem auch mit seiner technischen Brillanz. Oft bildet der Regisseur eine Reihe von Protagonisten im Bildvordergrund ab, während die wichtigen Aktionen im Mittelbild oder teilweise sogar im Hintergrund ablaufen. Das auf der Koch Media DVD korrekt wiedergegebene Breitwandformat macht es jetzt möglich, den Bildaufbau sehr viel genauer zu verfolgen. Mit seinen technischen Spielereien negiert Furie allerdings auch in einigen Szenen den Spannungsaufbau. Insbesondere während des Armdrückens – im Grunde handlungstechnisch der erste richtige Höhepunkt des Streifens – drängt sich die Kamera mehr und mehr in den Vordergrund und ignoriert in ihrer Selbstverliebtheit die dramatische Szene, die sie eigentlich nur ablichten soll. Insgesamt ist „Südwest nach Sonora“ kein schlechter Western. Enzo Castellari soll einige Ideen als Vorbild zu seinem späteren nihilistischen Western „Keoma“ dem Film entnommen haben. Unabhängig davon offenbart der Film mit seinem fast phlegmatischen Handlungsaufbau und seinem zu abrupten Ende handwerkliche Schwächen. Ausgeglichen werden diese durch eine hervorragende Besetzung, ein Dialog starkes, aber handlungstechnisch eher durchschnittliches Drehbuch und eine Reihe von eindrucksvollen, wunderschönen Landschaftsaufnahmen.

Koch Media hat „Südwest nach Sonora“ nur eine Bildergalerie sowie ein Booklet mit einigen wichtigen Informationen über den Streifen mitgegeben. Ein Trailer wäre schön gewesen. Für dieses Manko entschädigt das wirklich eindrucksvolle Bild. Mit sehr viel Liebe zum Detail ist der mehr als vierzig Jahre alte Streifen restauriert worden. Die Farben sind satt, kräftig und vor allem naturalistisch überzeugend. Das Format 2,35:1 erschlägt den Zuschauer förmlich in den Landschaftsaufnahmen. Die Kontraste sind gut, das Bild scharf und auch die Nachtaufnahmen klar. Beide Tonspuren – deutsch und englisch – sind in Dolby Digital 2.0, es empfiehlt sich alleine wegen der mexikanischen Akzente auf die Originalspur mit soliden Untertiteln auszuweichen. Sowohl die Hintergrundgeräusche als auch die Dialoge sind zufrieden stellend abgemischt. Technisch gesehen eine sehr überzeugende Präsentation.

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