Der Todesverächter

Originaltitel: 
Whispering Smith
Land: 
USA
Laufzeit: 
88 min
Regie: 
Leslie Fenton
Drehbuch: 
Frank Butler, Karl Kamb
Darsteller: 
Alan Ladd, Robert Preston, Brenda Marshall
Kinostart: 
02.02.51

Inhalt & Kritik
von Thomas Harbach (für SF-Radio.net)

Mit „Der Todesverächter“ veröffentlicht Koch Media im Rahmen ihrer Reihe klassischer Western den Film mit Alan Ladds erster Hauptrolle. Dazu sein erster Technicolor Film. Auffällig ist auf den zweiten Blick, dass der bislang eher im Film Noir beheimatete Alan Ladd um mindestens einen Kopf größer geworden ist. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Ladd schon fast zehn Jahre seit 1932 durch das Showbusiness gekämpft. „Die Narbenhand“ sollte sein erster großer Erfolg werden, „Der gläserne Schlüssel“ folgte. Im Rahmen seines lang laufenden Vertrages mit den Paramount folgten nur noch drei wirklich große Rollen: In „Wild Harvest“ und „The Great Gatsby“ und schließlich in dem Edelwestern „Mein großer Freund Shane“. „Whispering Smith“ – wie der Film im Original deutlich passender genannt worden ist – reicht an diese großartigen Film nicht heran, hat aber eigene Qualitäten. Insbesondere die Dreiecksgeschichte mit den offensichtlichen homosexuellen Anspielungen gegenüber Ladd aus der Ecke seines besten Freundes wirken heute noch provozierend.

Der zugrunde liegende Roman von Frank Spearmann ist bis zu dieser letzten Adaption schon zweimal verfilmt worden. Beide Male als Stummfilm. Gleich zu Beginn des Films wird Whispering Smith von Banditen aus dem Hinterhalt von seinem Pferd geschossen. Er täuscht den eigenen Tod vor, muss dann allerdings sein verletztes Pferd erschießen. Szenenwechsel, die Eisenbahn hat das Gesicht des Westen und damit auch des Westerns verändert. Eine Gruppe von Männern versammelt sich in dem Postwagen eines fahrenden Zuges, darunter Murray Sinclaire – eine großartige Darstellung von Robert Preston. Der Zug wird langsamer, ein Lagerfeuer brennt neben den Schienen. Ein Mann steigt in den Wagen. Es ist Whispering Smith, der im Auftrag der Bahn Banditen jagt. An der nächsten Station wird der Zug tatsächlich von ihnen überfallen, die Männer sind vorbereitet. Smith erschießt zwei der Banditen, Brüder, und wird selbst verwundet. Sinclaire bringt seinen besten Freund auf seine neue Farm. Dort lebt er mit seiner Frau, die in Wirklichkeit Smith geliebt hat. Sinclaire selbst empfindet auch mehr als freundschaftliche Gefühle für Smith. Die klassische Dreieckssituation mit viel Konfliktpotential. Weitere Züge werden zum Entgleisen gebracht, die Bergungsmannschaften haben einen Anspruch auf die Fracht. Sinclaire ist einer der ersten, der immer am Ort ist. Seine großartige Farm hat er sich auch nicht leisten können, weil er nicht nur beschädigte Fracht für sich beansprucht hat, sondern sich aus den Bahnwagons bediente. Der neue Bezirkschef will dieses Fehlverhalten nicht dulden und entlässt Sinclaire. Auch die Initiative seines Freundes Smith kann diese Entlassung nicht rückgängig machen. Sinclaire rächt sich an der Eisenbahn, in dem er mit Hilfe einer Gruppe von Banditen mehr und mehr Züge zum Entgleisen bringt. Jeder weiß, dass er mit verantwortlich ist. Smiths nächster Auftrag führt zu einer direkten Konfrontation der beiden Freunde. Dazwischen steht die Frau, die zumindest Smith platonisch, aber abgöttisch zu lieben scheint.

Alan Ladd hat es in seinem ersten richtigen Western nicht leicht. Unabhängig von seinem guten, für seine Aufgabe zu gepflegten Aussehen leidet er unter dem klassischen Heldensyndrom. Er kann im vorliegenden Film nur verlieren. Gleich zu Beginn des Streifens zeigt er seine Entschlossenheit, in dem er kaltblütig die Männer erschießt, die ihn ebenfalls zu töten gesucht haben. Ladds Züge unterstreichen seine Entschlossenheit, der Eisenbahn den Weg gen Westen zu sichern. Er ist ein intelligenter Einzelgänger, ein ruheloser Wanderer, der aus Schüchternheit die Chance auf eine hübsche Frau und eine Familie weggeworfen hat. Er ist allerdings auch ein ehrlicher Mann, der seinen Freunden auch in der Not beisteht. Das zeigt sich in seinem Verhältnis zu Brenda Marshall als auch Robert Preston. Dessen Figur ist eher ambivalent angelegt. In den ersten Szenen verabschiedet er sich quasi auf seiner letzten Fahrt von seinen Kollegen, um die Farm zu bewirtschaften, die er gerade gekauft hat. Später wird er in einer eher sinnlosen Geste von der Eisenbahn entlassen, weil er im Grunde ein raffinierter Dieb ist. Das Alan Ladd versucht, ihm in dieser Situation noch zu helfen, ist einer der Kompromisse, die das Drehbuch unnötigerweise macht. Es wäre effektiver gewesen, an dieser dramatischen Stelle den Konflikt zwischen den beiden Männern offen ausbrechen zu lassen. Es ist unglaubwürdig, dass Ladd den Diebstahl von Eisenbahnware durch seinen Freund akzeptiert und noch weniger überzeugend ist seine Reaktion, ein Telegramm an den Vorgesetzten zu schicken, um die Entlassung rückgängig zu machen. Robert Preston gelingt es zu Beginn des Films großartig, Ladds kleinen Freund zu spielen, der sich abgöttisch im Schatten des Helden bewegt, aber hinter seinem Rücken die eigene Karriere plant. Eine Karriere, die scheitern muss und wird. Wenn die beiden miteinander sprechen oder sich auch nur umarmen, erkennt der Zuschauer, die Liebe – ob körperlich oder nur als Geste der Freundschaft sei dahingestellt – zumindest von Prestons Seite her. Auch Ladd fühlt sich zumindest zu Beginn des Films in der Gesellschaft seines Freundes im Besonderen und Männern im Allgemeinen wohler. Das wird sich am Ende in dem dramatisch inszenierten, aber teilweise arg konstruierten Showdown ändern. Brenda Marshall als Frau zwischen zwei Männern hat nur wenige wirklich gute Szenen und dient eher als Stichwortgeber für die machohaften Monologe.

Sowohl auf Alan Ladd als auch Robert Preston könnte der deutsche Titel „Der Todesverächter“ zutreffen. Ladd geht bei der Suche nach den Banditen Risiken ein, die zeigen, dass er keine Angst vor dem Tod hat, aber auch eine latente Todessehnsucht in seinem an sich leeren Leben mit sich trägt. Robert Preston dagegen mutiert vom klassischen Feigling zum opportunistischen Verbrecher, der sich waghalsig als erster auf die waidwunden Eisenbahnwagen stürzt. Erst als einer der Schurken einen Bahnbeamten niederschießt, beginnt er seine Taten zu überdenken. Warum erst in diesem Moment ist eine weitere Schwachstelle des Plots. Die Verbrecher bringen immer wieder Züge zum Entgleisen. Dabei sind es nicht nur Frachtzüge, sondern zum Teil auch Personenzüge. Und sie setzen das Leben der gänzlich unschuldigen Lokführer aufs Spiel. Warum jetzt das Erschießen eines weiteren Mannes den Gewissenskonflikt heraufbeschwört, ist wahrscheinlich der Versuch, Robert Prestons Charakter als innerlich zerrissen und nicht böse/hinterhältig darzustellen. Werden die Charaktere zu extrem als gut und böse überzeichnet, funktioniert das Drama – das direkte Duell am Ende des Films – nicht mehr. Dieses Gegensteuern gibt dem Film an einigen Stellen eine unfreiwillig komische Note, da insbesondere Alan Ladd mit einem fast stoischen Gesichtsausdruck seine Rolle spielt. Es empfiehlt sich, auf die Originalspur auszuweichen, da die deutsche Synchronstimme zu kräftig und vor allem zu distanziert emotionslos daherkommt. Im Original drückt Ladd seine Emotionen über seine auf ein Flüstern reduzierte Stimme aus. In einigen Szenen funktioniert diese Vorgehensweise extrem gut, insbesondere wenn Preston ihn zu provozieren sucht, dass er immer auch die andere Wange hinhält. Leider findet diese emotional aufgeladene Szene keine Entsprechung in dem nur solide inszenierten Ende. Der Zuschauer weiß mehr als Alan Ladd, er kann die unmittelbare Bedrohung, die von Preston ausgeht, sehen. In klassischer Hitchcockmanier wird die Spannungsschraube immer fester gedreht, um dann für den Zuschauer überraschend und nicht gänzlich befriedigend aufgelöst zu werden. Das Ende ist in seiner nihilistischen Konsequenz folgerichtig, aber im Vorwege erkennbar. Der klassische Western ist Ende der vierziger Jahre noch nicht soweit gewesen, seine Heldenideale selbst zu zerstören.

Regisseur Leslie Fenton ist ein ehemaliger Schauspieler gewesen, der sich langsam zum Status des B- Regisseurs hoch gekämpft hat. Nach einigen weiteren Filmen drehte er allerdings schließlich Hollywood den Rücken zu. Unter anderem arbeitete er auch mit einem jungen John Wayne, für den die Rolle des Whispering Smith eher geschrieben worden ist. Teilweise wie die Passivität des Charakters durch Ladds stoische Miene noch unterstrichen. Aber viele Charakterzüge dieses pflichtbewussten „Beamten“ der Bahn auf Sondermission werden sich einige Jahre später in „Mein großer Freund Shane“ unter der Regie George Stevens wieder und deutlich nuancierter auftauchen. Was „Der Todesverächter“ fehlt ist das Element der Tragik, das insbesondere John Fords, Anthony Manns und Howard Hawks Western auszeichnete. Ein Mann im Kampf mit sich selbst. Er wird zwischen Freundschaft und Pflichterfüllung zerrieben, entscheidet sich schließlich für die Pflicht und wirft die große Chance, sein leben zu ändern und mit der Frau, die ihn liebt glücklich zu werden, über Bord. Nicht zuletzt aufgrund des rasanten Schnittes und einigen sehr gut inszenierter Actionszenen, sowie der insbesondere für einen Low Budget Film atemberaubenden Technicolor Fotographie ist „Der Todesverächter“ ein stimmungsvoller, von Stärken und Schwächen gekennzeichneter B- Western.

Neben dem kurzweilig zu lesenden Booklet hat Koch Media wieder eine laufende Bildergalerie mit seltenem Pressematerial der DVD Veröffentlichung hinzugefügt. Wie bei den meisten Veröffentlichungen dieser Reihe ist das Bild exemplarisch digital restauriert worden. Insbesondere die Nachtszenen sind überzeugend. Das Bild ist so scharf, dass die mit einfachen Modellen gestalteten Zugszenen negativ herausstechen. Die Farben sind naturalistisch und insbesondere die Kontraste hervorragend herausgearbeitet. Die deutsche Tonspur ist klar verständlich, es empfiehlt sich allerdings aufgrund der passenderen Originalstimmen auf die Englische auszuweichen. Die deutsche Synchronisation ist aus heutiger Sicht teilweise ein wenig zu steif und altbacken.

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