Mit „Vince“ liegt nicht nur der für die 1999 gestartete semiprofessionelle Science Fiction Serie der erste große Jubiläumsband vor, „Vince“ schließt auch den letzten langen Zyklus ab. In Zukunft sollen eher Trilogien publiziert werden, die innerhalb eines Jahres auch handlungstechnisch abgeschlossen werden kann. Dabei war das alte Konzept durchaus tragfähig. Natürlich hat es mehrere Jahre gedauert, bis die Geschichte des „Wanderlust“ Virus abgeschlossen worden ist, aber die Vielzahl der Hefte gab den Autoren auch die Möglichkeit, die überzeugende Idee in verschiedene Richtungen zu extrapolieren, einige Handlungen parallel laufen zu lassen und das Abenteuer durch Dirk van den Boom mit dem vorliegenden Band erstaunlich unspektakulär, aber konsequent und überzeugend abzuschließen. Tiefste Vergangenheit und Gegenwart verbinden sich. In den letzten Bänden hatte sich schon angedeutet, dass das Wanderlustvirus keine gänzlich neue Idee gewesen ist. Es handelt sich um eine biologische Waffe, die vor Jahrtausenden im Kallia Imperium entwickelt worden ist. Das Ziel war die Schaffung überlegene Kämpfer zu erschaffen – keine gänzlich neue Idee -, um mittels dieser Wunderwaffe den Endsieg gegen die Aggressoren zu erringen. Auf der Zentralwelt des vor Jahrtausenden untergegangenen Imperiums kommt es zu einem elementaren Teilshowdown. Wie schon angedeutet ist die Auflösung des Wanderlustvirus nicht gänzlich befriedigend. Die Autoren hätten die Idee von Beginn an in die eine Richtung extrapolieren können. Ein Virus, das die Infizierten im Grunde zu unwirtlichen Welten schickt und sie damit kampfunfähig macht. Da es Kinder und Alte verschont, wären die Truppen des Feindes in Auflösung gewesen und hätten sich quasi auf unwirtlichen Welten selbst vernichtet. So wirkt die Rückkehr zu den Wurzeln der Pulpliteratur ein wenig zu einfach. Schon die von einem Hauch Tragik durchzogene Hilfe von Sudeka Provosts Klon wirkte ein wenig wie eine „Deus ex Machina“ Lösung. Fast bizarr erscheint, wenn die Crew der „Ikarus“ zusammen mit den Provost Klons – mit den Klons kamen die Tränen – auf der Zentralwelt die Bunkeranlage stürmen wollen, in der sich Nol Bodero als zukünftiger selbst ernannte Herrscher des bekannten Universums verschanzt. Bodero muss sich nicht nur mit der Crew der „Ikarus“ und ihren Verbündeten auseinandersetzen, auch die Truppen der freien Wilden sehen eine Chance, eine neue Gemeinschaft aufzubauen und das Joch abzulegen. Trotz der martialisch erscheinenden Vorgaben geht Dirk van den Boom erstaunlich subtil vor. Den verschiedenen Actionszenen stellt er ein fast intimes Szenario mit Nol Bodero und der von ihm geschundenen, für Experimente missbrauchten Kreatur Vince gegenüber, die schließlich zum Zünglein an der Waage wird. Vince ist bislang ausschließlich aus Opfer beschrieben worden. Seine Katharsis und sein Auferstehung gehören zu den besten Passagen des ganzen Romans. Als Autor nimmt sich Dirk van den Boom hinsichtlich der Dialoge deutlich zurück. Er stellt Boderos mannische Großmannssucht den Sehnsüchten Vince gegenüber. Das Ende ist auf der einen Seite vorhersehbar, auf der anderen Seite aber konsequent extrapoliert und stellt einen guten Abschluss dieses stellenweise ein wenig zu lang und zu ambivalent verlaufenen Minizykluses dar. Hinzu kommt, dass sich Dirk van den Boom auf die „Nebenfiguren“ konzentriert. Die Crew der „Ikarus“ inklusiv des helfenden Provost Klons reagieren eher auf die Ereignisse als das sie im Mittelpunkt der Handlung stehen. Dadurch wirkt das über fünfzig Ausgaben aufgebaute „Ikarus“ Universum noch breiter, noch nachhaltiger. Da der Roman ausschließlich vor einem bekannten Hintergrund spielt und keine neuen Welten „gefunden“ werden müssen, kann sich der Autor auf die gelungene Charakterisierung der Figuren und die stringente Struktur seines Romans konzentrieren. Das macht „Vince“ stellenweise fast zu einem lebendigen Kammer- und politischen Schachspiel. Dirk van den Boom sieht „Vince“ nicht nur als Abschluss einer „Rettungskreuzer Ikarus“ Entwicklung, sondern gleichzeitig auch als Sprungbrett zu den schon angesprochenen kommenden Minizyklen. Daher bemüht er sich, möglichst viele aufgeworfene Fragen zu beantworten und die roten Fäden solide überzeugend zusammenzuknüpfen. Das gelingt ihm zu Lasten der grundlegenden Dynamik sehr gut. Fans der Serie werden in „Vince“ eher einen Zwischenschritt, eine Art Konsolidierung nach den chaotischen Auswirkungen des Wanderlustvirus denn einen spektakulären Höhepunkt sehen. Aber dieses trotz der herrschenden Untergangstimmung auf der Zentralwelt des Kallia Imperiums stimmungsvolle wie gesetzte Ende macht „Vince“ zu einem der besten Romane des Subzyklus.
Titelbild: Allan J. Stark A5 Paperback, 100 Seiten, ISBN 978-3-86402-061-2.