Wenn zu Beginn des dritten Romans „Sie haben keine Wahl“ der Nerdprediger Dan sich eher eine „Star Trek“ Welt anstatt „Death Race 2000“ Zustände wünscht, dann ist dieser Vergleich nicht ganz richtig. Spätestens mit dem vorliegenden Band ist der Leser im Universum des Remakes von „Battlestar Galactica“ angekommen. Die überall auftauchenden Zombies entsprechenden Fußtruppen der Zylonen und die Jockeys bleiben als ambivalente Präsenz dominierend im Hintergrund. Die Anlehnung an verschiedene Science Fiction- und Horrorserien wird im vorliegenden Roman deutlich verstärkt. Claudia Kern und damit auch die Leser entdecken nicht etwas gänzlich Neues, die Grenzen zwischen den ihnen bekannten Fiktionen und der neuen literarischen „Realität“ verschwimmen einfach. Hat sich der Leser an diese ungewöhnliche Vielschichtigkeit mit den zahllosen Querverweisen gewöhnt, dann macht es Spaß, das von der Autoren allerdings teilweise zu rudimentär vorgestellte, wahrscheinlich deutlich komplexere Universum zu erkunden. Die Stärken und Schwächen der wöchentlichen Serienkonstruktion zeigen sich sehr viel stärker im vorliegenden Roman „Sie haben keine Wahl“. Er ist ein wenig kürzer als die ersten beiden Abenteuer. Die grundlegende Handlung ist für den Spannungsbogen zu umfangreich. Wie in einem Eilzug werden die Protagonisten als Stellvertreter der Leser durch eine weitere Facette der dunklen menschlichen Zukunft gejagt, in der zwischen den Zeilen die reiche Obrigkeit immer noch die armen „Arbeiter“ – das sind in diesem Fall alle Menschen, die durch Losentscheid die von Zombies überrannte Erde verlassen durften – unterdrückt, um später in eine oligarchisch geordnete, aber da Geld nicht unbedingt mit Intelligenz gleich zu stellen ist, auch aussichtslose Zukunft zu steuern.
Mit fast sadistischem Vergnügen fließen dann die Elemente der kommunistischen Revolution ist die Handlung ein. Die ersten Anflüge eines angesichts der zahlenmäßigen Unterlegenheit der wenigen überlebenden Menschen aussichtslosen Aufstandes konnte der Leser im zweiten Band „Mit dieser Waffe“ verfolgen. Jetzt stellt die Crew der ehemaligen Mishima zusammen mit Auckland fest, dass sich in ihrem Windschatten ein zweites Raumschiff befindet. An Bord sind die nach kommunistischen Revolutionären benannten Anführer des Aufstandes auf der Raumstation NG 27. Man entschließt sich, die vier Jugendlichen zu ihrer „Kolonie“ zurückzubringen. Die Menschen versuchen dort einen abgeschiedenen, nicht von den Jockeys annektierten Planeten auf menschliche Verhältnisse anzupassen, während die Reichen auf den im Orbit geparkten Raumschiffen überwiegend in – so weit es geht – Saus und Braus leben. Einer der Jugendlichen ist der Sohn der augenblicklichen Präsidentin. Die Protagonisten betreten diese teilweise diktatorisch geordnete Gesellschaft als klassische Außenseiter, als passive Beobachter, die in den Fluss zwangsweise eingeordnet werden sollen. Aufgrund der Kürze des vorliegenden Romans skizziert Claudia Kern diese Gesellschaft nur. Ein tieferes vielleicht auch etwas mehr ironisches Eindringen hätte dem Plot das obligatorische Fleisch gegeben. So wirken viele Facetten eher rudimentär gezeichnet und die „Flucht“ der MISHIMA Crew erfolgt eher pragmatisch als das sie in dem zum Ende hin spannungstechnisch deutlich anziehenden Roman einen Höhepunkt bildet. Mit diesem Hinweis soll nicht ausgedrückt werden, das der vorliegende Band langweilig ist. Claudia Kern hätte sich nur mehr Zeit und Raum nehmen sollen, den nicht uninteressanten, fast sarkastisch aus den politischen Extremen der Erde heraus extrapolierten Hintergrund sehr viel nuancierter zu entwickeln und die kleinen Konflikte an Bord intensiver abzuhandeln. Wie in „Mit dieser Waffe“ hat der Leser an einigen Stellen das Gefühl, als befände er sich eher auf einer Sighseeingtour im Stundentakt durch Claudia Kerns Universums.
Sowohl das Ende mit einer etwas fragwürdigen auf die harte Tour durchgeführten Auflösung der Klassenverhältnisse als auch der Fund an Bord des Raumschiffs der vier Revolutionäre gleichen diese Schwächen ein wenig aus. Während der erste Punkt zeigt, dass die MISHIMA Crew zwar auf der einen Seite den Arbeitern helfen will, ihnen aber zusammen mit den Reichen im Falle verstärkter Zombieaktivitäten auch jegliche Rückzugsmöglichkeit nimmt, gibt die Einführung eines auf den ersten Blick weiteren sehr interessanten Charakters Raum für eine intensivere Beschäftigung mit den bislang eher ambivalent gehaltenen Jockeys. Der Cliffhangar zeigt, dass die Protagonisten nicht mehr zurück, sondern nur noch vorwärts als relativen Begriff können.
Ein anderer Aspekt geht förmlich unter. Im Gegensatz zu den bisherigen blutigen Auseinandersetzungen mit den Zombies, bei denen eine Isolation im ersten Stadion der Erkrankung ein Ausbreiten der Seuche eindämmt, aber nicht verhindert, versuchen sie den Menschen aussichtslos zu helfen. Auch diese Idee wird nur angerissen, so dass sehr viele Fragen offen bleiben. Mit dem dritten vorliegenden Band hätte die Autorin einen kleinen Schritt weitergehen können.
Zusammengefasst hat Claudia Kern in „Sie haben keine Wahl“ – der Titel bezieht sich auf unterschiedliche Gruppen dieser zusammen gewürfelten Gemeinschaft – ihren Rhythmus gefunden und erzählt die Story sehr geradlinig. Sie sollte den Umfang der Romane etwas mehr variieren und vor allem – wenn es wie in diesem Fall der Plot ohne Frage hergibt – auch mehr in die Tiefe gehen und die zahllosen Ideen sehr viel intensiver abarbeiten, so dass er Kosmos nicht nur in der Theorie über eine zufrieden stellende Komplexit
- Format: Kindle Edition
- Dateigröße: 430 KB
- Seitenzahl der Print-Ausgabe: 87 Seiten
- Verlag: Rohde Verlag (15. Juli 2013)
- Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
- Sprache: Deutsch
- ASIN: B00D8GL3X6