Earl Dumarest 8- Rivalen der Macht

E.C. Tubb

Ein großer Balanceakt für E. C. Tubb ist ohne Frage Dumarest nur aus Frustration und Rückschläge bestehende Suche nach der Erde. Während der Weltrautramp in den bisherigen Abenteuern nicht selten von den Frauen entweder benutzt worden ist oder sie durch tragische Umstände verloren hat, scheint er am Ende des vorliegenden Abenteuers, das mit “Veruchia” im Original wieder nach einer Frau benannt worden ist, zumindest vorläufig zur Ruhe zu kommen und seine Liebe länger als nur wenige Momente genießen zu können. Schon bei den letzten Dumarest Arbeiten hat Tubb auf eine Art Überblendtechnik zurückgegriffen, die aus vagen Hinweisen am Ende eines Bandes bestand, welche sich im folgenden Abenteuer in Luft aufgelösten. Auch zu Beginn von “Rivalen der Macht” kommt Dumarest bei der Suche nach den wahren Menschen und ihren Hinterlassenschaften dieses Mal sechzig Jahre zu spät. Eine Naturkatastrophe hat die Siedlung der wahren Menschen zerstört. Der Besuch in einem Museum frustriert Dumarest so sehr, dass er sich zum nächsten Planeten transportieren lässt. Die Arenawelt “Dradea” erinnert an den “PLanet der Spieler” aus einem vorangegangenen Abenteuer. Die Herrscher züchten Kampfvögel, um die Gladiatorenspiele interessanter zu machen. Dumarest verdingt ebenfalls sein Geld als Kämpfer in der Arena, wobei ihn jemand vom “Planeten der Spieler” wieder erkennt. Die archaischen Zweikämpfe im Grunde jeglicher Art - Mensch gegen Mensch, Mensch gegen Kreatur und schließlich auch der Gruppenkampf in Kombination mit anderen Herausforderungen - durchziehen die Dumarest Abenteuer. Sie wirken für eine Menschheit, die nicht nur das All erobert, sondern die eigenen Wurzeln vergessen hat, befremdlich und vertraut zu gleich. Dis Diskrepanz zwischen de überdeutlichen menschlichen Erbe und den vor allem sehr ähnlichen Entwicklungen auf fast allen Welten inklusiv eines fast gleichwertigen sozialen - meistens Oligarchien oder Monarchien mit in Armut lebenden Bevölkerungen - sowie wirtschaftlichen Standes hätte nicht nur in Dumarest die Idee wecken müssen, das es tatsächlich nur eine Wurzel gegeben hat. Tubb geht mit dieser Idee zu ambivalent um, da auch die Cyclan als Befürworter einer Isolationspolitik der einzelnen Welten bislang in keinem der Romane die Idee vertreten haben, dass Dumarest Recht haben könnte. Ein wichtiger Aspekt des vorliegenden Bandes ist die Frage nach den ersten Siedlern. Da der alte Machthaber im Sterben liegt, streiten zwei Nachkommen um das Erbe, das zumindest absolutistische Macht verspricht. Da wäre zum einen der arrogante Montarg, in dem Tubb alle schlechten Eigenschaften eines mittelalterlichen Herrschers konzentriert und die Titelheldin Veruchia, die nicht unbedingt hässlich durch ihre Schüchternheit eher als alte Jungfer gilt, obwohl sich Dumarest aus der Position des Leibwächters nach dem erfolgreichen Kampf in der Arena in sie verliebt. Diese Liebesgeschichten folgen ebenfalls etablierten Schemata, wobei die attraktiven und zumindest impliziert auch sexuell aktiven Frauen entweder über besondere Fähigkeiten verfügen, die automatisch zu eine gewaltsamen Tod führen, oder ihre ihnen zustehende Macht nicht ausüben können. Veruchia gehört ohne Frage zur zweiten Kategorie von Dumarest Frauen, wobei Tubb sogar den Bogen zu seinem modernen Shakespeare Drama “Planet der Stürme” schlägt, in dem er Veruchia nicht nur intellektuell wachsen lässt, sondern ihr eine Aufgabe aufbürdet, die sie schließlich nur mit Hilfe von Dumarest Affinitätszwillling lösen kann. Veruchia muss beweisen, das die Legenden falsch interpretiert worden sind und das der Eigner des ersten Siedlungsschiffes nicht der Kapitän des vor langer Zeit auf der Planetenoberfläche verschollenen Rauschiffes gewesen ist. Im Grunde eine unmögliche Aufgabe, da seit Jahrhunderten niemand mehr weiß, wo das Rauschiff wirklich liegen könnte. Die Suche gehört zu den interessanteste Abschnitten des Romans, denn Tubb nimmt verschiedene Ideen eher klassischer Abenteuerstoffe auf. Viele Passagen erinnern an den John Wayne / De Mille Streifen “Piraten im karibischen Meer”, mit einem an einer entlegenen und aufgrund der gefährlichen Meeresbewohner von den Fischern gemiedenen Stelle liegenden Raumschiff, das nach dem Betreten durch Veruchia über den Unterwasserklippenhang in unerreichbare Tiefen abdriftet. Tubb gelingt es mit einfachen Worten, diese Situation tragisch und spannend zu gleich zu beschreiben. Allerdings ist die Auflösung eher unwahrscheinlich und rückt den vorliegenden Roman eher in den nicht immer befriedigenden Science Fantasy Bereich. Der Affinitätszwilling ermöglicht es Dumarest, in den bewusstlosen Körpers eines anderen Wesens zu schlüpfen und die Kontrolle zu übernehmen. Verlassen kann er diesen fremden Körper nur, wenn der Wirt stirbt. Die Auflösung dieser Szene wirkt trotz der Dimensionen der fremden Meereswesen unwahrscheinlich, da das Siedlerraumschiff sehr viel größer gewesen sein muss als es Tubb darstellt. Immerhin stammen zumindest die erste Familien von den Siedlern ab und Spure von Inzest lassen sich nicht finden. Wie schon angesprochen ist diese Auflösung einer im Grunde unmöglichen Situation sehr schwach und wirkt auch angesichts der Plotentwicklung ein wenig überhastet. Anschließend gleicht Tubb diese Schwäche ein wenig aus, in de er die während zwei Dritteln der Handlung im Hintergrund ablaufenden politischen Entwicklungen geschickt zusammenfasst. Dumarest ist weniger wie in anderen Abenteuern der Joker in einem teilweise perfiden politischen Spiel, sondern der Zufallsfaktor, der alle Wahrscheinlichkeiten auf den Kopf stellt. Der Oberschurke Montarg wird natürlich wie fast alle Herrscher von Planeten, auf denen Dumarest eher zufällig Station macht, von eine Cyclan beraten, der lieber eine von ihnen kontrollierte Marionette auf den Thron sitzen sieht. Montarg hat vielleicht nicht einmal Unrecht, wenn er sich vor seinem frühen Tod natürlich in einem weiteren Duell, das Dumarest zur Vervollständigung des plottechnischen Konstrukts immer auf den letzten Seiten führen muss, bei seinem Cyclan über dessen falsch berechnete Wahrscheinlichkeiten beschwert. Der Cyclan weiß erstens, das Dumarest gefährlich ist. Zweitens will er immer noch hinter das Geheimnis des Affinitätszwillings kommen und drittens erscheint er in sehr aussichtsreichen Positionen zu passiv. Es gäbe mindestens zwei Situationen, in denen der Cyclan dem Zentralgehirn den Gefallen hätte erfüllen können, Dumarest festzusetzen. Wie bei anderen Planeten scheint in dieser Phase der Earl Dumarest Serie das Interesse der Cyclan weniger den Welten zu gelten, die sie als aktive Berater im Hintergrund führen, sondern sie konzentrieren sich darauf, unbewusst Dumarest zu prüfen und herauszufordern. Dieser Langzeitplan wirkt aus einer notwendigen Distanz betrachtet nicht unbedingt logisch, da wichtige Rohstoffplaneten und Schlüsselwelt in schwer zu durchfliegenden Gebieten verloren gehen, aber in “Rivalen der Macht” zeigt Tubb überdeutlich, wie egoistisch die Cyclan vorgehen und das ihre Langzeitpläne ungewöhnlich flexibel sind. Da der Fokus auf dem Weltraumtramp Dumarest liegt, hat Tubb keine Welt im Verlaufe der Serie ein zweites Mal besucht, um die Folgen der geänderten Cyclanpläne nachdrücklich zu beschreiben.

Auch wenn Dumarest Beziehungen zu hübschen Frauen nicht immer überzeugend emotional beschrieben worden sind und die Abhängigkeitsverhältnisse sich manchmal auf Kitschniveau bewegen, ragt “Rivalen der Macht” in anderer Hinsicht über zahlreiche Dumarestromane heraus. Veruchia ist eine interessante Erscheinung, die lange Zeit vom sadistischen Cousin dominiert nicht nur über sich hinauswächst, sondern diese Opfer erst übernimmt, als ihrem Planeten ein Tyrann namens Montarg droht. Dabei sucht sie weniger die Unterstützung Dumarest, sondern ist entschlossen, ihre von Beginn an logisch betrachtet aussichtslosen Pläne auch ohne ihn in die Tat umzusetzen. Dumarest beschreibt Veruchia vielleicht nicht immer dreidimensional und überzeugend, aber aus seinen nicht selten devoten Frauengestalten, die von einzigartigen Fähigkeiten eher besessen denn gesegnet worden sind, ragt sie durch ihre Willenskraft hervor. Es ist schade, dass Tubbs Held Dumarest eher so mechanisch vorgeht, die über diesen Roman hinausgehende Liebe so schwarzweiß beschrieben worden und das die Dramaturgie mit der Allzweckwaffe Affinitätszwilling zu opportunistisch eingesetzt worden ist. Interessante Ansätze vor einem zu vertrauen und zu wenig packend entwickelten Hintergrund reichen nicht aus, um aus “Rivalen der Macht” eine herausragende Station auf der Suche nach der Erde zu machen.

Pabel Verlag, Taschenbuch

160 Seiten, 1984 erschienen