Coco Zamis 33- Töte Dorian Hunter

Michael Marcus Thurner

"Coco Zamis" 33 stellt ein Novum im Zaubermond Verlag dar. Es ist nicht nur das erste Aufeinandertreffen von Dorian Hunter und Coco Zamis in dieser Sonderreihe, sondern der erste Band, der nur von einem Autoren Michael Marcus Thurner verfasst worden ist.

Die Handlung des letzten Bandes endete mit einem spektakulären Cliffhanger. Die Zamis kehrten nach Wien zurück und konnten zumindest in der Theorie ihre Stellung festigen. Asmodi forderte aber, dass im Gegensatz von Coco Zamis einer seiner missratenen Söhne getötet wird, während sich die Zamis um einen weiteren Asmodi Sohn als Gast kümmern sollten. In Wien wird natürlich Dorian Hunter erwartet. Die Ausgangsposition ist ohne Frage reizvoll, wobei sich dem Leser nach mehr als dreißig "Coco Zamis" Abenteuern unwillkürlich die Frage stellt, warum Asmodi nicht die Zamis im Allgemeinen mit diesem Mord auf Bestellung beauftragt hat. Das die Außenseiterin irgendwann im Verlaufe des Auftrages ein schlechtes Gewissen bekommt, steht von Beginn an fest. Das Vater Zamis im Grunde seine Tochter weiterhin in dieser Hinsicht nicht unter Kontrolle bekommen wird, ebenso. 

So wird Coco Zamis mit einem kleinen giftigen Dämonen namens Vindobene zum Flughafen geschickt, um Dorian Hunter in Empfang und in die Falle der Zamis zu locken. Natürlich entwickelt sich alles anders, als von den Zamis und Asmodi geplant. 

 

Obwohl Dorian Hunter ein wichtiger Eckpfeiler seiner eigenen Serie ist, verhält er sich erstaunlich anfänglich erstaunlich passiv. Ob das Teil eines sich eher aus der Improvisation entwickelnden Plans ist, bleibt unausgesprochen  Seine äußerliche Attraktivität, sein verletzliches Wesen, die Sorge um seine in Wien im Koma liegende Frau und schließlich seine Scheu vor allem übernatürlichen stellen eine unwiderstehliche Mischung für die junge Hexe dar, der sie sich nicht entziehen kann. Thurner beschreibt die Liebesgeschichte gegen alle Chancen erstaunlich emotional, ohne Kitsch und mit einigen heißen Liebesszenen, wobei sich Coco Zamis dieses Mal als aggressive Verführerin zeigt. Die Kennenlernphase mit verschiedenen Begegnungen - erst auf dem Zentralfriedhof, dann an der Hotelbar - enthält eine Reihe von Pointen. So versucht sich Coco Zamis unterschiedlich zu kleiden, Dorian Hunter erkennt sie aber an ihrem Parfüm wieder. Das Asmodis untreuer Sohn der jungen Hexe trotzdem so schnell verfällt, wirkt angesichts der zahlreichen Erfahrungen Hunters mit übernatürlichen Begebenheiten genauso unglaubwürdig wie die Idee, das Coco Zamis ihren jetzt neuen Geliebten ausgerechnet unter der Bewachung Vindobenes zurücklässt, der mehr als ein Auge auf die dunklen Emotionen des Mannes im Besonderen geworfen hat. Alleine wäre der schlafende Hunter sicherer gewesen, zumal Vindobene Hunter sowieso am Liebsten an Asmodis übergeben hätte. In der zweiten Hälfte dreht sich die Handlung. Dorian Hunter beginnt seinen Feldzug gegen Dämonen im Allgemeinen und die Zamis im Besonderen. Diese charakterliche Wandlung alleine auf den Verrat zu schieben, zumal Hunter wissen muss, dass die dunklen Familien ein lebhaftes Interesse an ihm haben, erscheint übertrieben. Auch seine Reaktion auf Cocos Verführungskünste ist brutal. Obwohl Hunter plötzlich allgegenwärtig erscheint und insbesondere unter den Zamis wütet, gelingt es Thurner nicht gänzlich zufrieden stellend, diese Figur zu führen. Viele Ereignisse werden aus der subjektiven Perspektive Coco Zamis erzählt, wobei sie sich natürlich vorhaltlos auf die Seite des menschlichen Opfers stellt. Spätestens nachdem Dorian Hunters Frau indirekt in das Geschehen eingegriffen hat.   

Thurner balanciert elegant zwischen der sich entwickelnden Liebesgeschichte sowie dem Mordkomplott hin und her. Echte Spannung kommt leider nicht auf, da niemand glaubt, dass Dorian Hunter letzt endlich ums Leben gebracht wird und Coco Zamis sich für die eigene Familie entscheidet. Da hilft auch nicht die Drohung, sie in die Zelle zu Hunters verrücktem, brutalem Bruder zu sperren, auf den die Zamis aufpassen müssen. Dazu ist Coco Zamis zu oft von ihrer Sippe drangsaliert, in den Tod geschickt oder als erotischer Köder auf dem Dämonenmarkt feil geboten worden. Effektiver wäre es gewesen, den Mordauftrag an einen anderen der Zamis zu vergeben - Thekla hätte sich angeboten -, während Coco sich in den Mann verliebt. Wie schon angesprochen dreht sich der Roman in der zweiten Hälfte. Auch hier differenziert Coco Zamis zu wenig. Sie ist zwar am Ende des letzten Doppelabenteuers von ihrem Auftrag nicht begeistert und steht ihrer arroganten Familie skeptisch gegenüber, deren Motive kann sie aber zu wenig nachvollziehen. Bedenkt man, durch welche Täler die Zamis in den letzten Romanen gemeinsam geschritten sind, wirkt ihre einseitige Haltung ein wenig übertrieben und unglaubwürdig.  

Auch wenn der Spannungsbogen sich angesichts der markanten Prämisse nicht ganz zufriedenstellend entwickelt, überzeugt "Töte Dorian Hunter" nicht nur auf der angesprochenen erotisch emotionalen Ebene, sondern wie sein "Ziehvater" Ernst Vlcek weckt Michael Marcus Thurner die österreichische Hauptstadt zu einem überzeugenden bizarren Leben. Das beginnt beim ehemaligen Cafe Zamis, dessen "Wächter" seit mehr als sechzig Jahren den Laden erfolgreich betreibt. Aufgrund seines dämonischen Paktes darf er das Lokal nicht verlassen und hat sich in seinem "Gefängnis" inzwischen eingelebt. Mit spitzer Feder scheint Thurner ein Wiener Original zu zeichnen, das selbst nach der Zerstörung seines Ladens unter Mithilfe von Coco Zamis aus den Trümmern die Kaffeetassen zusammensucht und ihr einen einschenkt. Der Zentralfriedhof erwacht zu bizarren Leben und selbst der Wiener Flughafen wird detailliert beschrieben. Thurners Wien lebt und der Leser kann sich vorstellen, dass in dieser altehrwürdigen geschichtsträchtigen Stadt die Dämonen ihre Feste feiern. Das subversive, ironisch übersteigerte Ende mit der Neueröffnung eines besonderen Cafehauses ist allerdings ein pointierter Höhepunkt dieses solide, teilweise inspiriert geschriebenen Romans.  

Neben Coco Zamis und dem leider sowohl anfänglich passiven wie auch später fast überzogen aktiven ein wenig zu blassen Dorian Hunter stiehlt der Dämon Vindobene allen die Schau. Er lebt von den negativen Emotionen der Menschen. Auch er ist an Wien gekettet. Kaum verlässt er die Stadt, wird er nicht nur kleiner, sondern schrumpelt förmlich zusammen. Wie ein bösartiger Schatten folgt er den Menschen, sucht ihre Schwächen, stichelt sie an und ernährt sich von ihren "bösen" Gedanken. Auf der anderen Seite ist er natürlich auch ein klassischer Feigling, der nach oben buckelt und nach unten tritt. Der richtige Kontrast zur eigenwilligen Coco Zamis, die sich mit ihm einige interessante und von Thurner überzeugend geschriebene Wortgefechte liefert. 

 

Zusammengefasst ist "Töte Dorian Hunter" ein atmosphärisch morbider, aber überzeugender Wienthriller geworden, dessen Prämisse einlädt, in die emotionalen Abgründe innerhalb der Stadt zu schauen. Mit Dorian Hunter betritt ein charismatischer, aber in dieser Serie noch entwicklungsfähiger Held die Szenerie, in den sich Coco Zamis teilweise auch gegen ihren Willen, aber nur konsequent verliebt. Auch die Konzentration auf einen in guter Form schreibenden Michael Marcus Thurner lässt den Plot sehr viel kompakter, besser strukturiert und intensiver erscheinen als es die letzten Doppelromane darstellten. Auch für Neueinsteiger bietet sich "Töte Dorian Hunter" an, da Michael Marcus Thurner unauffällig persönliche wie sachliche Hintergrundinformationen ohne zu belehren in die Handlung einstreut.     

 
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