In seinem Vorwort erläutert Jörg Schukys , wie Hugh Walker und sein Freund Franz Schwabeneder ihre drei phantastischen Erzählungen konzipiert und schließlich in einer echten Gemeinschaftsproduktion in der Küche von Hugh Walkers Mutter auf der Schreibmaschine produziert haben. Die Texte erscheinen in den heute noch bekannten Fan- Magazinen „Pionier“ der Science Fiction Gruppe aus Wien sowie Magira. Viele jüngere Leser können sich die Magie dieser Zeit nur schwer vorstellen. Das erste Zusammentreffen mit Gleichgesinnten, das erste entweder selbst produzierte und/ oder einfach nur gekaufte Fanzine. Die Fingerübungen, mit denen sich später teilweise professionelle Autoren wie eben Hugh Walker ihre Sporen verdient haben. Selbst Franz Schwabeneder ist als Kulturjournalist immer wieder über Theaterinszenierungen ins Genre zurückgekehrt.
Zwei der drei hier gesammelten Erzählungen richten sich vor allem an ein jugendlicher Publikum mit ungewöhnlich für Hugh Walkers Werk auch jugendlichen Charakteren. Der erste auch von den beiden Autoren chronologisch geschriebene Text „Reich ohne Schatten“ dagegen nimmt einige Züge von Hugh Walkers späteren Arbeiten vorweg. Entgegen aller Kommentare haben Walker und Schwabeneder die Geschichte in einer wirklichen Gemeinschaftsproduktion und nicht abwechselnd verfasst, so dass es heute nicht mehr nachvollziehbar ist, wer welche Passage geschrieben hat. Die Rahmenhandlung ist in mehrfacher Hinsicht interessant. Im Zug trifft der Ich- Erzähler neben einer attraktiven Frau auf einen Mann, der in einem Erzählband von Poe liest. Man kommt ins Gespräch, beide kennen sich gut in der Welt der Weird Fiction aus. Anschließend wechselt der Erzähler in eine Art Schattenreich rüber, das neben verschiedenen Fabelwesen und einer attraktiven Lady als Herrscherin über eine Burg selbst über den Teufel verfügt, der zu einem diabolischen Reiseführer wird. Stilistisch teilweise sehr getragen und die Atmosphäre eher überbetonend entwickelt sich der Plot zwar in einzelnen Episoden, aber sehr konsequent. Die beiden Autoren haben mit ihren Fabelwesen eine gute Mischung aus den im Rahmen angesprochenen Vorbildern und eigenen Kreaturen gefunden. Auch der Handlungsaufbau bis zum feurigen Finale – hier überschreiten sie vielleicht die Grenze zur Groteske – wird deutlich interessanter, wobei der Ich- Erzähler und Mittler zum Leser zu schematisch und eindimensional pragmatisch skizziert worden ist. Walker und Schwabeneder haben allerdings im Gegensatz zu ihren Vorbildern ein gravierendes Problem. Sie müssen auf einen schon in den sechziger Jahren nicht neuen Trick zurückgreifen, um den Handlungsbogen abzuschließen und ihren Protagonisten wieder in die Gegenwart zurück zu holen. Vor allem für einen Erstling wirkt „Reich ohne Schatten“ auch heute noch als semiprofessionelle Arbeit gut zu lesen, wobei die Zeichnungen von Heinz Rehwald mehr bei den phantastischen Kreaturen als den Menschen überzeugen können. Auch hier muss berücksichtigt werden, dass diese Graphiken vor allem für die Fanzines der sechziger Jahre überdurchschnittlich sind.
Die beiden anderen längeren Texte „Im Land der verlorenen Herzen“ und „Eisatnahp (Die Welt des Gauklers)“ richten sich zwar in erster Linie an ein jugendliches Publikum, verarbeiten aber Märchenmotive in stringenten sehr kompakt erzählten Texten. Wie auch im ersten Roman dieser Sammlung geht es um den Übergang in eine „fremde“ Welt. Diese Entführung ist nicht immer freiwillig, die Jugendlichen müssen sich in einem gänzlich fremden Ambiente zu Recht finden. Interessant ist vor allem im ersten deutlich simpler gestalteten Roman, dass der aufmerksame Leser viele der angesprochenen Motive schon kennt. Die „kleinen“ Menschen erscheinen „Dr. Cyclops“ oder entsprechenden Texten entnommen, wobei in „Die Welt des Gauklers“ die Märchenmotive im Vordergrund stehen. Hugh Walker und Franz Schwabeneder nutzen die Vorlagen und bauen sie in ihre mystischen Welten ein. Die Fantasyideen sind weniger stark herausgearbeitet als in „Reich ohne Schatten“, dafür wirken die Handlungsstrukturen absichtlich komplexer angelegt. Im direkten Vergleich ist „Im Land der verlorenen Herzen“ allerdings die schwächere Arbeit. Ein wenig zu bemüht, noch als Ganzes zu unsicher im Jugendbuchgenre und wie bei „Reich ohne Schatten“ mit einem Kompromiss als Ende tasten sich die beiden Jungautoren eher an die Materie heran. Deutlich verspielter und vor allem wie bei „Reich ohne Schatten“ hinsichtlich der Details ambitionierter und provokanter gehen sie in ihrer letzten Kooperation vor. Das Erschaffen von phantastischen Welten erreicht in dieser Geschichte beginnend mit dem verspielteren Titel einen vorläufigen Höhepunkt. Absichtlich sind die Bewegungen der einzelnen Protagonisten nicht so einfach nachzuvollziehen als in den ersten beiden Arbeiten. Vor allem haben Walker und Schwabeneder einen erzähltechnischen Rhythmus gefunden. Wie in seinen Horrortexten bemüht sich Walker zusammen mit seinem Co- Autoren, eine Mischung aus allerdings zu belehrend eingesetzter vordergründiger Botschaft und vor allem märchenhaften Ideen zu finden. Als Mitzwanziger haben die Schriftsteller noch in den beiden letzten Texten einen Bezug zur damaligen Jugend, während die Fantasygeschichte schon einen Vorgriff auf Hugh Walkers Science Fiction Arbeiten mit ihren Realphantasien und Vorläufern virtueller Welten darstellt. Sie sind auch heute noch unterhaltsam geschrieben, wobei die Rehwald Zeichnungen der Originalveröffentlichung den Flair dieser Zeit besser wiedergeben als die technisch ohne Frage sauberen Zeichnungen Bernd Habans, der die beiden Jugendbücher illustriert hat.
Versehen mit einem kurzen die österreichische Fandomzeit der sechziger Jahre anreißend stellt diese Wiederveröffentlichung der heute anders nicht mehr zugänglichen Geschichten einen weiteren Meilenstein in der „Hugh Walker“ Edition da, deren Ziel anscheinend wirklich die Veröffentlichung seines kompletten abgeschlossenen Werkes ist.
Verlag Emmerich
Cover | Layout: Beate Rocholz |
Textsatz | Jörg Schukys |
ISBN | ISBN-10: 1519645252 / ISBN-13: 978-1519645258 |
Größe/Umfang | 20,3 x 12,7 x 2,1 cm / 324 Seiten |