"Labyrinth der Illusionen"

E.C. Tubb, Labyrinth der Illusionen, Rezension, Titelbild
E.C. Tubb

Am Ende des letzten „Earl Dumarest“ Romans sind dem Welttraumtramp zumindest die Sternkonstellationen in der Nähe der Erde übermittelt worden. Ab diesem Augenblick wäre es nur eine Frage der Zeit und entsprechender Raumschiffe, um auf seinen Heimatplaneten zurückzukehren. Da E.C. Tubb die Serie nicht vorzeitig beenden wollte, begann der Brite nach dem zehnten Abenteuer mehr und mehr Exkursionen einzubauen, die eine frühzeitige Rückkehr erschwerten. Wie einige andere stereotype Handlungsmuster – eine attraktive Frau; Verrat durch einen gerade kennen gelernten Kameraden/ Freund sowie die Unwägbarkeiten der eher unchristlichen Raumfahrt – greift der Autor auch gerne auf die Idee der in Dumarests Nacken sitzenden Cyclan zurück, die eine koordinierte Reise unmöglich machen oder das verlockende wie tödliche Angebot, schnell sehr viel Geld mit einer Selbstmordmission zu verdienen. „Labyrinth der Illusionen“ – im Original sehr interessant mit „Jack of Swords“ nach einer Spielkarte genannt -   fügt noch eine weitere Idee hinzu. Wie im ersten Band der Serie „Planet der Stürme“ verzichtet E.C. Tubb auf den harten fast unwirtlichen Realismus und fügt mit einer legendären Welt, auf der sich alle Wünsche der Reisenden erfüllen, ein mystisches Element hinzu.

Wie es die Handlungsmuster der letzten Roman zeigen, erreicht Dumarest gleich zu Beginn erst einmal einen falschen Planeten, der auf den ersten Blick die Erde sein könnte. Es handelt sich um Terralde. Nur stellt Dumarest sehr schnell fest, dass erstens der Blick nicht die Erde ist und er zweitens was die Schifffahrtsrouten angeht, eine Sackgasse darstellt. Mit seinem körperlich prägnanten Gang und seiner Persönlichkeit fällt er sehr schnell auf, so dass einige Händler ihn gerne als Krieger in der Arena sehen. Hinzu kommt, dass er gegen die Clanordnungen verstoßen hat, in dem er einen Bullen auf der Weise tötete und das Fleisch unter seinen Komplizen verteilte, damit die eigentliche Überleben können. Ein unvorsichtiger Mann der Gruppe lockt nicht nur die erbosten Siedler an, sondern öffnet auch die Tür zu dem gerade gelandeten Cyclan.   

 Er erhält aber im letzten Augenblick bevor die Cyclan ihn durch Verrat festzusetzen können, ein verlockendes Angebot. Er soll gegen eine hohe Bezahlung eine Expedition zum Planeten Balhadorha leiten, dem Planeten, von dem alle Schatzsucher träumen und auf dem sich alle Wünsche erfüllen. Während wie eingangs erwähnt die erste angesichts der Gesamtlänge des Buches zu lange Hälfte wieder mit der Jagd der Cyclan auf Earl Dumarest und den Verrat konzentriert, beginnt mit dem Abflug einer seltsamen Gruppe ein deutlich interessanteres Kapitel, in dem Tubb eine ungewöhnliche Stärke zeigt. Er nimmt sich Zeit, die einzelnen Mitglieder der Reise zu charakterisieren. Da wäre der Kapitän auf einer legendären Fahrt, der neben Geld verzweifelt Ruhm sucht. Die ältere, sterbenskranke Frau, die auf dem Planeten eine Art ewiges Leben sucht. Die zweite Frau sucht seit vielen Jahren ihr verschollenes oder entführtes Kind. Sie hofft, dort die Antworten auf ihre nicht von ihrem Mann unterstützte Suche zu finden. Zur Gruppe müssen auch zwei Abenteuer zwielichtiger Herkunft kommen. Und Dumarest, der auf der einen Seite das Geld braucht, auf der anderen Seite sich auch Informationen erhofft. Vervollständigt wird die Reisegruppe durch ein blindes Mädchen, das wie eine Sklavin erst gezüchtet und dann von einem Mitglied der Gruppe extra für diese Mission aufgrund ihrer übernatürlichen Fähigkeiten gekauft worden ist. Neben der mystischen Welt sind es ihre ambivalent gehaltenen übernatürlichen Talente, die den vorliegenden Roman aus der Masse herausheben. Tubb verzichten auf einige Klischees wie die Möglichkeit einer Illusion oder einer Suggestion. Balhardorha  ist eine herausfordernde, aber keine unwirtliche Welt. Mit der geheimnisvollen Stadt und der gigantischen Mauer, welche die Sehnsüchte der einzelnen Reisenden eher animiert als abschreckt wird ein mittelalterliches Ambiente angeboten, das dem Leser schon aus den frühen Tubb Bänden vertraut ist. Auch dort mischte der Autor eine moderne, aber inzwischen im Verfall befindliche Kultur mit archaischen Arenenkämpfen und eben an das Mittelalter erinnernden Hierarchien. Einen weiteren legendären Hinweis gibt es mit dem Fund des Raumschiffkapitäns, der vor vielen hundert Jahren Teralde entdeckt und zur Besiedelung quasi frei gegeben hat. Tubb geht aber nicht auf die Frage ein, ob die Zeit auf dieser Welt wirklich anders vergeht. Zeit ist sowieso im Dumarest Universum im Grunde eine Illusion. Viele Reisenden verbringen die langen Flüge zwischen den Sternen im Tiefschlaf, während die meisten Arbeiter nieder reisen, also die relative Zeit an Bord der Schiffe zur Gänze durchleben müssen. Auch wenn Dumarest momentan in seinen besten Jahren ist, könnte er schon seit vielen Jahrhunderten auf der Suche nach der Erde sein. Eindringen und schließlich auch Flucht aus der Stadt werden so realistisch beschrieben, dass sie kein Teil des Labyrinths der Illusionen sein können. Auf der anderen Seite erkennt Dumarest als einziger, was sich wirklich in dem Nebel verbürgt und was der „Schatz“ ist. Tubb füllt den Roman an dieser Stelle noch mit einigen wenigen Traumsequenzen, bevor er die Handlung relativ flott, aber im Vergleich zu den letzten Romanen weniger abrupt beendet. Wie es sich für die in den siebziger Jahren gängigen Katastrophenfilme gehört, muss die ungleiche Gruppe entsprechend durch entweder Opfergang oder Feigheit reduziert werden. Wenn Dumarest abschließend entscheidet, dass zumindest ein Mitglied dieser ungleichen Gruppe zurückbleiben muss, dann wirkt es für die gebrochene , unter einem natürlichen Alterungsprozess leidende Frau wie eine Erlösung. Aber wie zynisch der Autor agiert, zeigt sich an einer anderen Stelle. Auch die suchende Mutter findet ihre Tochter. Aber er gönnt seinen Protagonisten kein Happy End, sondern mit einer finalen Auseinandersetzung zeigt er, wie sinnlos abschließend ihre Suche gewesen ist.

Dieser Zynismus, diese Desillusion der ansonsten sehr gut gezeichneten Figuren, die vom Krieger über den Spieler bis zur blinden Anführerin nur als Team erfolgreich sind, hebt den Roman aus der Masse der Dumarest Romane heraus. Interessant ist, dass sich im Grunde eine Gruppe von Gescheiterten versammelt haben, um dieses letzte Rätsel des Universums zu lösen. Dabei hat Dumarest zum ersten Mal die gleichen Interessen wie alle anderen Expeditionsteilnehmer. Während er sich ansonsten ausschließlich als Söldner in Gefahr begibt, kann diese Welt ihm die Antwort auf seine Fragen bringen und gleichzeitig wird er dafür bezahlt. Um diesen Handlungsbogen auch plausibel und spannend zu gestalten, dominiert Dumarest nicht so sehr, sondern muss anderen den Vortritt lassen. Auf der anderen Seite verzichtet Tubb an einigen wichtigen Stellen zu stark auf weitergehende Erklärungen, so dass manche Passagen zu stark konstruiert und zu wenig aus sich heraus entwickelt werden. Aber nach einem eher stereotypen Auftakt entwickelt sich insbesondere auf der Welt der Illusionen vielleicht manchen insbesondere aus der klassischen „Star Trek“ Serie bekannten Muster trotzdem ein geradlinigen Science Fiction Abenteuer mit einigen vor allem atmosphärisch eindrucksvollen Abschnitten.     

Pabel Verlag, Taschenbuch, 160 Seiten