Ian Fleming

Ian Fleming, Cover,
Andrew Lycett

Andrew Lycetts umfangreiche Biographie mit dem Untertitel „The Man behind James Bond“ trifft in vielen Punkten den Kern des Problems. Wieviel Ian Fleming ist wirklich in dem Agenten mit der Lizenz zum Töten? Was hat den exzentrischen Briten aus einer Bänkerfamilie beeinflusst? Auf Seite 149 spricht einer von Ian Flemings Vorgesetzten im Krieg über den Autor, „Ian constantly longed to be personally engaged in the excitement. He was of an essentially aggressive nature. It was the repression of all these desires by authority, quite rightly, which in my opinion fired the imagination engaged in his books”. Mit ein wenig Phantasie können Flemings meistens eher thereotische Aktionen, den zukünftigen James Bond vorwegnehmen.

James Bond wird bei seinen Aufträgen – vor allem in den Büchern – alleine los geschickt, um die Ziele mit allen Mitteln zu erreichen. Ian Fleming dagegen musste sich immer wieder mit Vorgesetzten vor allem während seiner Zeit im britischen Nachrichtendienst der Marine herumschlagen, die seine exzentrischen Ideen nicht immer wohlwollend empfanden. Die Kriegsjahre sind vielleicht auch der Dreh- und Angelpunkt dieser Biographie. Einen Tag im Planungsstab oder vielleicht sogar  sowohl in Frankreich/ Spanien als auch den USA unterwegs, den nächsten Tag feiernd mit der britischen Oberschicht, während die Zivilbevölkerung immer noch unter den Bombenangriffen leidet. Dieser Zwiespalt vor allem in sozialer Hinsicht ist einer der roten Fäden, der sich durch das Buch zieht. Lycett fokussiert sich sehr stark auf Fleming und nachrichtentechnisch scheint der Brite alleine den Krieg für die Briten gewonnen zu haben. Er engagierte sich für einen Kriegseintritt der Amerikaner, er suchte mittels extra ausgebildeter Kommandounternehmen hinter die feindlichen Linien zu kommen; er horchte in teuren Restaurants mittels Alkohol und gutem Essen die gefangenen deutschen Offiziere aus und versuchte so, deren Modus Operandi zu ermitteln. Sein James Bond hätte die Feinde eher gefoltert und später getötet. Viele Ideen wie die Spionage mittels tief fliegenden extra ausgerüsteten Flugzeugen hat Fleming mit einem Freund zusammen perfektioniert und selbst den Schutz von Großbritanniens Küsten gegen die zukünftig angreifenden Deutschen wollte er intensiveren. Waghalsig plante Fleming die Kaperung eines deutschen Rettungsboots, in dem er ein Spezialkommando an Bord eines gekaperten deutschen Bombers im Kanal notwassern und retten ließ. Lycett hinterlässt den Eindruck, dass Fleming ohne Frage im Krieg seine Bestimmung gefunden hat, nachdem er sehr lange Zeit als Dandy aus reichem Haus mehr oder minder zwischen einigen Jobs hin- und her gependelt ist. Aber es gibt wenige kritische Aussagen. Fleming wirkt wie ein Einzelgänger, der sich schwer bis gar nicht in die entsprechenden Hierarchien einordnen konnte. Der periphere Erfolg gibt ihm zum einen Recht, zum anderen fordert es aber auch ein Hinterfragen heraus. War es alleine die Phantasie des zukünftigen Bestsellerautors, der sich durchaus von Agentenautoren wie John Buchan hat inspirieren lassen? Fleming hatte ohne direkt in Kampfhandlungen verwickelt zu sein einen interessanten Krieg. Er ist anfänglich eher aufgrund seiner Herkunft und dem Tod seines Vaters im Ersten Weltkrieg die Reihen hinaufgefallen, bis er sich wie sein älterer Bruder Peter Fleming den Respekt seiner Vorgesetzten genauso wie deren Missfallen durch manch freie Interpretation der entsprechenden Anweisungen verdient hat. Ohne Frage ist die Kriegszeit der Schlüssel zu den James Bond Büchern. Selbst immer wieder in verschiedene Phasen der Operationen involviert hat sich Fleming von den fanatischen italienischen Tauchern, die durch die Bodenklappe eines internierten Öltankers zu britischen Schiffen getaucht sind, für „Feuerball“ genauso inspirieren lassen wie zum Beispiel von einem britischen Offizier, mit dem er den zukünftigen „Q“ vorweg nehmend an verschiedenen Waffen gebastelt hat. Lycett verweist immer wieder einmal auf die James Bond Romane und zeigt auf, das beginnend mit dem angeblichen Spiel um hohe Einsätze in „Casino Royale“ – hier kann nicht bewiesen werden, ob Fleming von der Geschichte nur gehört hat oder er wirklich involviert gewesen ist – oder der verzweifelten Mission in „Man lebt nur zweimal“ vieles auf Kriegsgeschichten und nicht immer nur Kriegserfahrungen basiert. Ohne Frage hat sich Fleming sehr stark für die Spezialeinheiten interessiert, die zu erst vor den eigentlichen Truppen operierend im Feindesland wichtige Informationen und Knotenpunkte sichernd sollten. Eine Taktik, die er allerdings von den Deutschen während ihrer Blitzkriege kopiert hat. Fleming erscheint ganz offen geschrieben auch als ein Mann, der sich nicht zu schade ist, andere Ideen aufzunehmen und zu verfeinern. Während die Briten in der ersten Kriegsphase wie die Franzosen überfordert wirkten, agierte Fleming pragmatisch und analysierte die Gegenseite, um daraus positive Schlüsse zu ziehen. Bei einigen Aussagen wie der Kriegserklärung an die USA durch Hitler werden aber auch Floskeln zu sehr hervor gehoben. Am Ende ist Ian Fleming während der Kriegszeit fast ein allgegenwärtiger Unruheherd im positiven britischen Sinne gewesen, der mit seiner aggressiven und sehr direkten Art – siehe die Flucht von hunderten von Juden aus dem besetzten Frankreich nach Großbritannien – die umständlichen Befehlswege abkürzte. Vielleicht wird Ian Flemings Wirken ein wenig zu stark heraus gehoben. In anderen Büchern, die sich mit der Kriegsbedeutung der Nachrichtendienste im Zweiten Weltkrieg auseinandersetzen, findet sich Ian Flemings Name nicht so oft. Daher ist es schwer, ein ambivalentes Bild zu zeichnen. Auf jeden Fall ist der Jüngling Ian Fleming zu einem Mann gereift. Ohne Frage hat er in seiner nicht unwichtigen Position als Bindeglied zwischen seinem eher der alten Schule entstammenden Vorgesetzten und den kämpfenden Truppen auch wichtige Dienste geleistet, die vor allem die eigene Familie ihm nach seinem Werdegang nicht unbedingt zugetraut hat.

 Hier kommt ein weiteres, James Bond als Persönlichkeit formendes Element ins Spiel. James Bond stammt aus keiner armen Familie, allerdings sind seine Eltern in den Schweitzer Bergen bei einem Unfall ums Leben gekommen. Auch Ian Flemings Familie war durch die Bankgeschäfte des Großvaters vermögend. Flemings Vater ist Mitglied im britischen Unterhaus gewesen und im Ersten Weltkrieg gefallen. Seine Mutter hat vor allem den ersten Abschnitt seines Lebens dominiert. Während Fleming noch drei Brüder und eine Schwester gehabt hat, verfügte James Bond nur über einen Bruder. Diese Erkenntnisse stammen nicht aus dem letzten James Bond Film „Skyfall“, sondern Fleming hat die Lebensgeschichte des Agenten fragmentarisch in den meisten seiner Bücher weiter entwickelt. Bond und Fleming haben einen Hang zu einem gehobenen, vielleicht auch ein wenig exzentrischen Lebensstil. Fleming aufgrund seiner Herkunft, James Bond um ihn interessanter zu machen. Aber Fleming hat trotz mancher Langeweile sich trotzdem eine Nische heraus gearbeitet. Als Eaton Schüler und Sportler verbindet sie beide eine exzellente Ausbildung. Fleming vollendete diese durch seine Sammelleidenschaft nicht nur von erotischen Bildern, sondern vor allem auch wertvollen Bucherstausgaben, in denen er auch gelesen hat. Aber Lycett ordnet dabei zum Beispiel Klaus Mann als den Bruder von Thomas Mann und nicht dessen Sohn falsch ein. Die Literatur scheint auch in der ersten Phase seines Lebens eine Art Schutzmechanismus nicht nur vor seiner dominanten Mutter; der Angst vor echter Arbeit und schließlich auch engeren Bindungen zu Frauen zu sein. Wie James Bond liebt Ian Fleming Frauen, will sie erobern und verliert anschließend das Vertrauen. Auch hier arbeitet Lycett einige interessante, überschneidende Punkte aus Ian Flemings Sturm- und Drangzeit heraus.  Aus Trotz oder Enttäuschung hat sich der Jüngling Ian Fleming einmal mit einer Prostituierten eingelassen und sich eine Geschlechtskrankheit zugezogen. Sehr zum Unwillen seiner Mutter. Auch wenn Fleming danach eine Reihe von sexuellen Freundschaften auch zu ausgesprochen attraktiven Frauen aus gehobenen Kreisen sowohl in Großbritannien als auch dem Kontinent hatte, konnte er sich nie entschließen, auch die Frauen zu ehelichen. In erster Linie scheint sich Fleming immer selbst zu erst geliebt zu haben. Dieser Narzissmus änderte sich erst, als er eine lange Liebesbeziehung zu Anne O Neil begann, in der er nicht nur die Freude und Tragik der Vaterschaft kennen lernte, sondern seine dominanten masochistischen Triebe auszuleben begann. Es scheint, als wenn die Dominanz, die seine Mutter auf ihn ausübte, sich in den Beziehungen zu verschiedenen Frauen entlud. Nicht selten war wie bei seiner literarischen Schöpfung die Jagd interessanter als das Ziel zu erreichen. Lycett nimmt sich Zeit, diese verschiedenen Beziehungen zumindest zu beleuchten. Einige der Frauenfiguren findet man auch in seinen James Bond Romanen nicht immer schmeichelhaft wieder gegeben wieder.

Erst die nicht immer einfache Beziehung zu Anne O´Neil, die Fleming schließlich während ihrer zweiten Schwangerschaft von ihm heiratete, wendete das Blatt ein wenig. Die Verantwortung, für eine Frau und ein Kind zu sorgen, sowie den eigenen sehr hohen Lebensstandard zu halten, beflügelte ihn bei seinen ersten Agentenromanen. Interessant ist, dass Anne O´Neil vierzehn Jahre seine Geliebte gewesen ist, er in seinen letzten Lebensjahren aber wo anders Trost gefunden hat.  

 Aber noch ein anderer Punkt aus seiner Vor- und vor allem auch seiner Nachkriegskarriere spiegelt sich in der Qualität seiner James Bond Bücher wieder. Fleming arbeitete für die Reuters Agentur und später als koordinierender Journalist weiterhin mit Geheimdienstambitionen und zumindest einige Zeit noch als Offizier im Wartestand vor allem hinter der Schreibmaschine. Es kam darauf an, wichtige Nachrichten komprimiert, aber sehr schnell weiterzuleiten. Daraus lässt sich nicht nur sein ökonomischer Stil, sondern vor allem auch der stringente Plot eines jeden James Bond Romans ableiten. Wie bei seinen Reportagen ging es Fleming darum, relativ schnell zum Kern des Problems vorzustoßen. Lycett arbeitet weiterhin heraus, dass Fleming zuerst vor dem Krieg an einigen Kurzgeschichten gearbeitet und diese teilweise im Rahmen von literarischen Magazinen veröffentlicht hat. Auch wenn die Themen eher ambivalenter und beziehungstechnischer Natur gewesen sind, zeigt sich eine gewisse Distanz zum attraktiven weiblichen Geschlecht wie auch ein Sadismus der eigenen Hauptfigur gegenüber. In dieser Hinsicht folgt der Autor einem seiner literarischen Vorbilder: Thomas Mann hat nicht selten auch mit latent homosexuellen Neigungen trotz zahlreicher Kinder aus seiner Ehe immer wieder seine wichtigsten Charaktere „gequält“. Entweder wie in „Tod in Venedig“ oder „Der Zauberberg“ durch das Erkennen ihrer Homosexualität und Hypochonderanwandlungen oder wie in „Die Buddenbrooks“ durch die Zeichnungen einer von der Dekadenz befallenen Familie, die ihren gesellschaftlichen Höhepunkt überschritten hat. Nach dem Krieg schenkt er Roald Dahl eine der interessantesten Ideen eines perfekten Mordes, bevor Fleming dann mit seinen James Bond Romanen begann.

Hier kommt der letzte Faktor zum Tragen. Ian Fleming hat in jungen Jahren durch seinen gesellschaftlichen Stand, aber nicht mit monetär unbegrenzten Mitteln; später im Krieg als Abgesandter der britischen Marine und schließlich nach dem Krieg als Ressortchef einer Zeitung die Welt bereist. Diese Eindrücke spiegeln sich in den James Bond Romanen wie in kaum einer anderen Agentenserie mit ihren dreidimensionalen Perspektiven immer aus der Welt der „Reichen“, der Jetset Gesellschaft wieder. Sehr gut arbeitet der Biograph heraus, welche Punkte der Erde den Briten so sehr wann beeinflusst haben, um Einzug in die James Bond Romane, verfasst in seiner Villa „Goldeneye“ zu halten.

 Weniger offen ist jahrelang diskutiert worden, dass das exzessive Leben mit zahllosen Zigaretten- seine Sucht nach einer speziellen Marke hat auch einer sehr wichtigsten Frauen während des Krieges das Leben gekostet – und seinem Hang zum Alkohol in Kombination mit dem angesprochenen Hang zum eingebildeten Kranken mit entsprechenden Folgen fürs Gemüt auch seine Gesundheit schon sehr früh, lange vor dem Verfassen des ersten James Bond Buches angegriffen hat. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum sein stahlharter Agent immer wieder körperlich an die Grenzen der Belastbarkeit getrieben worden ist. Die Sportlichkeit seiner ersten Jahre, die Selbstdisziplin während des Krieges haben sich nach dem Zweiten Weltkrieg spätestens ins Gegenteil verkehrt und dafür gesorgt, dass Fleming wahrscheinlich neben seinen sadistischen Zügen seine Voodoo Puppe Bond auch immer wieder in Extremsituationen getrieben hat, die der theoretische Adrenalinjunkie Fleming nicht mehr erleben konnte.

 Mit der Publikation des ersten James Bond Romans findet die Biographie zwar einen deutlich stringenteren roten Faden, wirkt aber auch mechanisch. Ian Fleming als Gewohnheitsmensch hat sich ein striktes Arbeitspensum zu Eigen gemacht. Sein geordnetes Leben bestand aus der Recherche für die neuen James Bond, seine Arbeit für die Zeitung und sein auseinander fallendes Privatleben. Auf der anderen Seite ist Fleming schon zu Lebzeiten ein intellektueller Grüner gewesen, der sich Gedanken um saubere Energien genauso wie die Ernährung der Bevölkerung gemacht hat. Nicht selten bleibt der Eindruck, als wenn in Flemings Brust zwei Wesen gehaust haben. Der Täter an der Schreibmaschine, der seine Obsessionen als Thrillerautor ausgelebt, während er als aufstrebender Sachbuchautor dagegen mehr das schlechte Gewissen der Menschheit gespielt hat. Dabei wirken die Passagen mit den James Bond Romanen erstaunlicherweise am langweiligsten. Andre Lycett vertraut darauf, dass die Leser den Inhalt der Romans auswendig kennen. Seine Leser werden auch nicht davon überrascht, dass die Reihenfolge der Romane natürlich eine gänzlich andere ist als bei den Verfilmungen. In erster Linie geht es Lycett darum, die in den Kriegsabschnitten ausgestreute Saat keimen zu lassen. Neben Hinweisen auf verschiedene Mitmenschen Flemings, die dieser je nach Sympathie zu seinen Schurken zusammengebaut hat, arbeitet er heraus, wie gründlich bis teilweise naiv mit Briefen an verschiedene Institutionen der Brite seine Bücher vorbereitet hat. Das die Veröffentlichung des ersten James Bond Romans im Stammverlag seines Bruder Peter Fleming auf dessen Wohlwollen basiert hat, ist eine der Skurrilitäten des Verlagsgeschäfts. Vorsichtig abwägend ohne eine eigene Position einzunehmen beschreibt Lycett die Reaktionen der Presse, aber auch innerhalb von Flemings Bekanntenkreises. Interessant ist, dass Fleming die Romane zwar als Möglichkeiten gesehen hat, seinen ohne Frage aufwendigen Lebensstil zu erhalten, es ihm aber weniger um literarischen Ruhm als zumindest eine Form der Anerkennung gegangen ist. Kritik gibt es nur in Form von Zitaten aus verschiedenen Rezensionen, die der Implikation Lycetts folgend eher aus Boshaftigkeit denn objektiver Reflektion veröffentlicht worden sind. Ein weiterer Schwerpunkt ist Ian Flemings suche nach Möglichkeiten, die James Bond Serie im Fernsehen bzw. Kino auszuwerten. Neben der CBS Verfilmung von „Casino Royale“ geht der Autor auf die verschiedenen Versuche inklusiv der Sondersituation mit „Feuerball“ ein, ohne gänzlich in die Details einzusteigen. Es ist eine solide Übersicht.

 Aber es bilden sich auf der persönlichen Ebene zwei wichtige Elemente heraus. Auf der einen Seite Ian Flemings schlechter werdende Gesundheit, die ihn aber nicht von seinem exzessiven Lebensstil abhält, auf der anderen Seite die nach der Geburt seines Sohns schlechter werdende Beziehung zu Anne. Dabei ist interessant, dass Lycett im Grunde herausarbeitet, dass die beiden so verschiedenen, sich aber ergänzenden Charaktere vor allem in einer Liebesbeziehung, aber keiner Ehe glücklich sein könnten. Während Anne vor allem in Großbritannien weiter die gehobene Gesellschaft unterhält, hat sich Fleming zu einem emotional angegriffenen in sich zurück gezogenen Menschen entwickelt, der vor allem aus sich herausbrechen kann, wenn er Alkohol getrunken hat. Da er auf Jamaica mit Blanche Blackwell eine Frau kennen gelernt hat, die weniger wie Anne und er egoistisch und egozentrisch ist, sondern sich um ihre Umwelt kümmert, bricht die harte, aber sehr distanziert beschriebene Schale in seinen letzten Lebensjahren mehr und mehr auf. Für den Leser ist es aber in diesem Abschnitt schwer, Ian Fleming als Mensch wirklich kennen zu lernen. Auch von Lycett eine fast erschlagende Anzahl von Dokumenten, Interviews und schließlich auch Zeitungsausschnitten zusammengetragen hat, bleibt der Schöpfer von James Bond eher fremd und distanziert. Vielleicht sträubt sich Ian Fleming mit den Widersprüchen in seinem Leben auch einer Biographie, aber das sollte für jeden Autoren den besonderen Reiz darstellen. Weltenbummler; immer noch Reporter allerdings eher für Sondermissionen und schließlich ein Narziss. Interessant ist, wie sehr Ian Fleming weniger nach literarischem Ruhm als Anerkennung für sekundärliterarische Artikel gekämpft hat. Dabei scheint seine Zeitung eher mit seinem Namen zu kokettieren als mit seiner Leistung als Reporter. Auf der anderen Seite wird in dieser Biographie deutlich, wie sehr Ian Fleming positiv aktuelle politische Themen mit den ideologischen Dogmen seiner James Bond Romane verbunden hat. Nicht selten „tarnte“ er unter dem Deckmantel eines Ost- West Konfliktes auch Kritik an gegenwärtigen Regierungen, wobei er geschickt und konsequente vorgehend vor allem in den ersten Bond Büchern neben Spionage oder den Nazi auch sich dem Diamantenschmuggel annahm. Um den Bogen von den Folterungen, die sein Held erleiden muss, zurück zu seinem Privatleben zu schlagen. Fleming scheint ein zumindest unterdrückter Sadist zu sein, der seine Leidenschaften an der masochistisch veranlagten Anne zumindest teilweise ausleben konnte, auch wenn er sich später vor ihren durch den Kaiserschnitt verursachten Narben ekelte. Auch wenn er anscheinend anderen jungen Frauen gegenüber seine Leidenschaften zumindest verbal unter Alkohol ausdrückte, ist die Beziehung zu Anne laut Lycett die einzige, in welcher Fleming sie auch ausleben konnte. Dieser Punkt wird viel zu wenig herausgearbeitet, so dass diese auch für seine Figur James Bond wichtige Facette stellenweise in der Luft hängt. Im Gegenzug muss allerdings auch argumentiert werden, dass insbesondere die Miniserie „Fleming“ sie im Vergleich zu anderen relevanten Fakten seines Lebens sensationell überbetont nat.

 Aus der Routine seine Arbeitslebens konnte Fleming auch in zweiter Hinsicht nur noch einmal ausbrechen. Während der Fernsehfilm „Casino Royale“ keine großen Wellen hinterlassen hat, sollte sich sein Leben durch den Filmdeal erst für „Thunderball“ – hier hat Fleming zuerst das Drehbuch und dann den Roman entwickelt – sowie die Zusammenarbeit mit Broccoli noch einmal gewaltig ändern.  Interessant ist, das Fleming von den Sean Connery Verfilmungen gar nicht so überzeugt gewesen ist, Während die Verkäufe seiner Bücher förmlich durch die Decke geschossen sind und er sein Vermögen Steuer optimiert angelegt hat, distanzierte er sich gleichzeitig von dem Ruhm und versuchte James Bond vielleicht auch aus einer inneren Leere heraus frühzeitig zu ermorden. Wie bei Arthur Conan Doyle kann sich Lycett diesem Widerspruch eines erfolgreichen Autoren eher nebenbei nähern und ergründet das Phänomen zu wenig. Im Vergleich zu Flemings Leben und seinen Liebschaften wie auch Konflikten vor allem in tiefer gehenden Beziehung – zu Anne baut er kontinuierlich erst eine Distanz, später einen ganzen Wall auf  - erscheint der Brite als Snob, ein Anhänger des viktorianischen Großbritanniens, in dem er im Grunde niemals gelebt hat. Lycett nähert sich Fleming, ohne wirklich mit ihm als Mensch, als Charakter warm zu werden. Dadurch wirken einige wichtige Passagen vor allem in der zweiten Hälfte des Buches oberflächlich, auch wenn der Autor positiv im Vergleich zu einigen Legenden, Gerüchten und vor allem Verklärungen sehr gut zwischen Fakten und Fiktion mit Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg gut unterscheiden kann. James Bond ist ein Kind des heißen Krieges, der in der Zeit des kalten Krieges vor allem den geschwundenen Status Quo des britischen Imperiums mit der Lizenz zum Töten zu verteidigen suchte. Genau wie es der Reporter Fleming immer wieder mit mäßigen Erfolg versucht hat. Es ist die Ironie der Geschichte, das ausgerechnet seine Unterhaltungsthriller den Namen Fleming zementiert haben. Und nicht die geschäftlichen oder künstlerischen Erfolge seiner Familie.

  • Paperback: 512 pages
  • Publisher: W&N; New edition edition (4 Nov. 1996)
  • Language: English
  • ISBN-10: 1857997832
  • ISBN-13: 978-1857997835
Kategorie: