Inzwischen mit mehr als einhundert Veröffentlichungen hat sich der Hard Case Crime vor einigen Jahren vor den ursprünglich fünfzigsten Band einige Besonderheiten einfallen lassen. Neben einer Farbgalerie mit allen Titelbildern hat Charles Ardai im Gegensatz zu seinen beiden unter dem Pseudonym Richard Aleas veröffentlichten Roman einen Plot einfallen lassen, der nicht nur selbstironisch, sondern zumindest in der Theorie phantastisch ist. Das Buch besteht aus fünfzig Kapiteln, jede Überschrift ist der Titel eines seiner veröffentlichten Romane. Hinzu kommt, dass er statt auf die bislang fünfzig publizierten Romane zurückschauend die Handlung einfach fünfzig Jahre in die Vergangenheit gesetzt hat. Nur ist dieser Herausgeber Charley Bordon sehr viel geschäftstüchtiger. Neben den Krimis publiziert er wie einige der Hard Case Autoren wie Lawrence Block Pornographie. Er scheint impliziert in dem Gebäude auch einige Mädchen laufen zu haben, die nicht nur für reiche Männer tanzen. Hinzu kommt, dass Borden der klassische und damit klischeehafte opportunistische Feigling ist, der sich bei Schwierigkeiten versteckt und andere gerne die Suppen auslöffeln lässt die er ihnen eingebrockt hat. Einer der Männer, die ihn sucht, ist in einer der zahllosen Anspielungen Mickey Spillane, da er dessen ersten erfolgreichen Roman „I the Jury“ schamlos kopiert hat. Charles Ardai hat sehr viel Freude, das Bild des heruntergekommenen Verlegers mit der Pornographie in der Schublade zu zeichnen, der natürlich am Ende des Romans nicht nur zum Helden als Teil eines Teams wird, sondern die attraktive junge Frau bekommt, die geistig im überlegen ist. Hinzu kommt, dass Adrai diese Hommage ganz bewusst in einem der schäbigen Viertel angelegt hat, obwohl er immer wieder die Klischees auch gegen den Strich bürstet. So wird nicht umgehend, aber wenige Tage später ein kleiner Straßengangster bestraft. Er hat sich an der falschen Frau vergriffen.
Der Roman beginnt aber wie viele Hardboiled Krimis mit der Unschuld vom Lande, die in die große Stadt kommt, um Karriere zu machen. Ihre Schwester hat es nicht geschafft. Erst im Laufe der Geschichte erfährt der Leser weitere Informationen über sie. Dadurch relativiert der Autor das anfänglich sehr herzlose Bild einer Egoistin. Fast mittellos und durch einen Kleinkriminellen vor einem angeblichen Hotel im Stich gelassen wird die erst achtzehn Jahre alte Tricia Heverstadt aus South Dakota in New York erst tänzerisch – das ist dieses Mal ernst gemeint – und landet durch einen Zufall im Büro von Charley Bordon, der sich schnell die Chance zu nutze macht und sie als eine Art Sekretärin einstellen möchte. Tricia dagegen ist fasziniert von der Idee, für einen Cent pro Wort einen der reißerischen Krimis zu schreiben, die Bordon mehr oder weniger erfolgreich vermarket. Mit ein wenig Recherche – erst am Ende des Buches stellt sich heraus, dass sie nicht nur Zeitungen bemüht hat – schreibt sie die Geschichte eines Mannes, der 3 Millionen Dollar vom örtlichen Gangsterboss gestohlen hat. Was weder Bordon noch sie ahnen ist, dass jemand sich mit der minutiösen Schilderung in ihrem zu dieser Zeit noch unveröffentlichten Manuskript tatsächlich Zugang zum Safe des Mafia Bosses verschafft und neben dieser Summe auch belastende Fotos gestohlen hat. Weder die Polizei noch der Gangster will Tricia bzw. dem windigen Bordon glauben, dass es sich nur um einen Zufall handeln kann.
Tricia dagegen ist ein Traum einer Frau, wie er nur in der Phantasie eines echten Mannes entstehen kann. Sie ist jung und attraktiv, sie ist aber auch klug und schlagkräftig. Sie kann sehr gut tanzen und gleichzeitig dank ihrer Recherche und Intelligenz aus dem Nichts heraus einen Roman schreiben. Vor allem hat sie auch die entsprechende Schreibmaschine gleich bei sich. Wenn die Situation brenzlig wird - hier begegnet sie das erste Mal nicht nur halbseidenen Mädchen wie ihre Schwester mit mehr als einer Vergangenheit, einem echten Gangsterboss und wird mehr als einmal mit dem Tod bedroht. Wenn es brenzlig wird, übernimmt sie die Initiative. Mehrmals muss ihr zwar der Zufall zu Hilfe kommen und nicht jede Plotwendung ist wirklich nachhaltig durchkonstruiert, aber sie ist immer einen Schritt nicht nur ihrem zukünftigen verlegerischen Partner, sondern vor alle auch der Polizei voraus. Dabei hat sie nicht nur einen interessanten Zungenschlag, sondern auch ein Herz aus Gold. Im Grunde steht sie vor einem unmöglichen Auftrag. Sie soll nicht nur das Geld und die Fotos finden, sondern gleichzeitig muss sie bei einem möglichen Tauschhandel darauf achten, mit dem Leben davon zu kommen. Zumindest lässt der Autor nicht alles durchgehen und so landet sie nach einer eher improvisierten Täuschung auch einmal kurzzeitig hinter schwedische Gardinen.
Zu Tricia sowie den ambivalenten Borden hat Ardai eine Reihe von stereotypen, aber auch pragmatischen Nebenfiguren platziert. Wahrscheinlich hat Ardai eine Reihe von Bekannten, Freunden oder Helfer seiner Buchreihe mit eingebaut. Auch wenn sie sich nur selten durch ihre Vergangeheit zu erkennen geben, wirken diese fünf Sekunden des Ruhms an einigen Stelle auch befreiend und geben dem Plot einen warmherzig sympathischen Flair, auch wenn es um Erpressung und “Mord” geht. Alle Figuren gehen nicht zimperlich miteinander um, aber zumindest haben die Halbguten - immerhin hat Brodon auch ordentlich Schulden bei den Buchmachern - eine Art Moral, während das gestohlene Geld eines Gangsterboss eher ein Kavaliersdelikt ist.
Dabei reicht das Spektrum natürlich von den eher überforderten Polizisten über die schon angesprochenen Kleinkriminellen oder die halbseidenen Damen teilweise mit Herzen entweder aus Stahl oder Gold bis zu charismatischem Gangsterboss, der eher wie ein James Bond Schurke denn eine Gestalt aus den dreißiger Jahren erscheint. Der Titel leitet sich aus seiner Lieblingsbeschäftigung ab. Er zwingt sine Opfer, eine richtige Karte aus einem Kartenspiel zu raten. Die Chancen sind eben wie erwähnt fünfzig zu eins. Zumindest zeigt sich der Autor von seiner großzügigen Seite, denn einmal mit dem falschen Set Spielkarten und bei zweiten Mal schlägt die Wahrscheinlichkeit zu. Wäre es der einzige Kompromiss gegenüber der Handlung, wäre es zu verschmerzen, aber mehr als einmal muss Ardai Brücke bauen. Dabei gibt es eine Schnitzeljagd in und um New York. Dazu verschiedenen Verfolgungen und schließlich der finale Showdown, der ein wenig zu sehr an den Pulp erinnert. Immer wenn das Tempo der unterhaltsamen, aber nicht unbedingt in sich logische Handlung nachlässt, fügt Ardai eine neue meistens falsche Spur hinzu. Während die Pulp Autoren, die er so liebevoll auf die Schippe nimmt und inzwischen mit eine großen Erfolg wieder auflegt, sich kurz fassten - hierhin gab es eine Obergrenze von 500 Dollar pro Roman und jedes ehr geschriebene Wort wurde nicht bezahlt - wirkt “Fifty-to-One” zu gedehnt und vor alle unabhängig von den ohne Frage polierten Dialoge ein wenig zu sehr wie eine Parodie als die Hommage, als die das Buch wahrscheinlich konzipiert worden ist. Dabei funktionieren viele Passagen des Romas ausgezeichnet. Alleine der Auftakt mit Tricias Aufstieg zur anonymen Bestsellerautorin, die Begegnung mit dem Gangsterboss und die Ausweglosigkeit, nach Erklärungen für diesen fiktiven und doch bis hin zur Kombination des Safes umgesetzten Streich zu suchen sollte ausreichen, um während der nächste einhundert Seiten ausreichend Spannung aufzubauen. Aber dann zerfällt der Plot in einzelne Episoden, bevor er zwar unterhaltsam, aber auch ein wenig vorhersehbar gegen Ende des Buches um ca. einhundert Seite zu lang zufriedenstellend inklusiv des Happy Ends und einem eher ambivalenten Ende abgeschlossen wird. Ohne Frage ist Ardai ein sehr talentierter und ausgezeichneter Krimiautor, aber er muss sich auch fragen lassen, warum er in den erste fünfzig Taschenbüchern ohne Not drei seiner eigenen
Romane teilweise unter Pseudonym veröffentlicht hat. Es ist auf jeden Fall eine ungewöhnliche Würdigung dieser empfehlenswerten Reihe eines mit allen Wassern gewaschenen Herausgebers. Zumindest in einem fiktiven und doch lebendigen New York vor mehr als fünfzig Jahren.
Hard Case Crime
December 2008, 330 Seiten
ISBN: 978-0857683243
Cover art by Glen Orbik