Die Schiffbrüchigen der Zeit Band 4: Das Lebende Universum

Die Schiffbrüchigen der Zeit, Band 4, Rezension, Thomas Harbach
Jean Claude Forest & Paul Gillon

Während das dritte Abenteuer „Labyrinth der Illusion“ sich auf eine geradlinige Verschwörungsgeschichte vor einem allerdings wieder exotischen Hintergrund konzentrierte, greift Jean Claude Forest mit dem vorliegenden vier Band seiner Reihe auf die lebendigen Hintergründe des zweiten Abenteuers „Das Rätsel der Charoner“ zurück. Der Übergang zwischen den Bänden ist nahtlos und um die Zusammenhänge vor allem zwischen den weiblichen Protagonisten mit dem durch die Zeit in seiner Kapsel „gereisten“ Chris zu verstehen, ist es notwendig, die Geschichte von Beginn an zu lesen. Zusammen mit seinem Zeichner Paul Gillon, aber vor allem dem für die Farbkompositionen zuständigen Hubert verlässt Forest spätestens mit dem vorliegenden Abenteuer den Bereich der Science Fiction und dringt in die Science Fantasy ein, in welcher eine futuristische Zukunft mit surrealistischen erscheinenden Kreaturen wie einem gigantischen, ganze Planeten fressenden Wurm eine phantasievolle Synthese eingehen.

 Auf der Flucht vor dem Tapir reist Chris zusammen mit seinen Frauen an Bord des Raumschiffs von Leobart durch einen Transittunnel in ein paralleles Universum. Leobart hat dort schon mehrmals Computer hingebracht. Diese werden im Schatten von unzähligen herumschwirrenden Raumschiffwracks auf einer Rampe durch eine seltsame Pforte gebracht. Es stellt sich heraus, dass diese Pforte nur von der einen Seite durchschritten werden kann. Chris und seine Freunde machen sich auf den einzigen Weg zu einem vielleicht anderen Ausgang. Dabei treffen sie nicht nur auf einen Mann, der scheinbar in Tagen um Jahre gealtert ist; sie bauen auf einem aus fließenden Steinen bestehenden Fluss ein Floß; müssen gegen Piraten, die in ihren Rüstungen schon vorfault sind und landen schließlich in einem Dorf, wo ihnen das gigantische Geheimnis dieser seltsamen Welt offenbart wird. Anscheinend hat Leobart wie der Tapir das Ziel, mittels einer biogenetischen Waffe das bekannte Universum zu erobern.

 Wie schon angedeutet löst Forest spätestens mit diesem Comic das bekannte und vielleicht technisch noch erklärbare Universum auf. Der Autor spielt auch mit den Versatzstücken des Genres. Das Paralleluniversum ist nicht nur farbenfroh bis psychedelisch, es scheint auch aus Staubpartikeln zu bestehen, die mehr oder minder zum Durchfliegen genutzt werden können. Während Raumschiffwracks oder gestrandete Raumfahrer klassische Elemente der Science Fiction sind, entwickelt Forest in einer Mischung aus der „Star Trek“ Folge „Planetenkiller“ sowie Frank Herberts „Dune“ eine phantastische Kreatur, welche der Leser allerdings niemals ganz zu sehen bekommt. Damit fehlt vielleicht der Aha Moment in dieser Geschichte und wie bei einigen anderen Informationen muss sich der Leser darauf verlassen, das die einzelnen Protagonisten die Wahrheit sagen. Meistens handelt es sich dabei um subjektive Wahrheiten, denn die einzelnen Reisen Beobarts bekommen am Ende ein gänzlich anderes Gesicht. Wie wenig Forest an technischen oder logischen Details interessiert ist, merkt der Leser während der unterschiedlichen Begegnungen für fremden Kreaturen. Eine Kommunikation findet immer statt. Auf der anderen Seite zeigen Gillon mit seinen teilweise phantastisch fremdartigen und den Leser ansprechenden Zeichnungen sowie Forest bei der Entwicklung der Hintergrund, das sich auch dieses Universum in erster Linie aus der Perversion der Menschen und ihrem Drang zu einer genetischen Manipulation, zum Züchten von Unterkreaturen entwickelt hat. Viele Szenen wirken auch in ihrer Grausamkeit, lieber einen genetischen Krüppel zu opfern als selbst den entscheidenden Schritt zu unternehmen wie eine dunkle Hommage an Raymonds „Flash Gordon“ Geschichten und wirken wie ein Gegenentwurf zu der deutlich humanistischer, aber nicht weniger exotisch gestalteten „Luc Orient“ Serie. Auf der einen Seite zeigen Autor und Zeichner, wie sich Chris nicht zuletzt auch dank seiner Athletik im Zweikampf behaupten kann, einen Moment ist er bereit, mittels einer Lanzendrohung einen Unschuldigen zu opfern. Im Vergleich zum dritten Abenteuer agiert Chris auch deutlich mehr. In „Labyrinth der Illusion“ blieb ihm alleine die Reaktion. Auch hier wird er von einem Verräter in seinem unmittelbaren Freundeskreis in eine lebensbedrohliche Situation gebracht, aber kaum mit dem Szenario vertraut übernimmt er die Führung der kleinen Gruppe. Im Gegenzug müssen allerdings die beiden Frauen, die ihn lieben – eine brünett, die andere natürlich blond – in den Hintergrund treten. Es bleiben ihnen nur wenige Dialogszenen.

Zusammengefasst überrascht die Handlung vor allem mit ihren kleinen Einfällen, bevor die beiden Handlungsstränge am Ende wie in „Labyrinth der Illusionen“ mit einem finalen Showdown nach fast dem gleichen Muster zusammenlaufen. Am Ende ist der Pyrrhussieg perfekt und der nächste Schritt – bezeichnet heißt das fünfe Album auch „Zärtliche Bestie“ – ist eher folgerichtig als konsequent. Auf der anderen Seite packen Forest und Gillon unterstützt von den fast einzigartig fremdartigen Farbkompositionen Huberts so viele Ideen in ihr lebendiges Universum und verzerren die einzelnen Charaktere zu stark, dass es selbst bei einem etwas blassen Protagonisten – momentan ist Chris der einzige Mensch, der aktiv aus der Zeit der Leser stammend eine Identifikationsfigur darstellen könnte – eine Freude ist, den sehr guten Nachdrucken aus dem Hause Splitter zu folgen und eine bizarre, aber interessante Science Fantasy Serie zu lesen, die viele Andeutungen aus der alten „Flash Gordon“ Serie in eine Zukunft auf Speed transportiert und vor allem überzeugend vielschichtig extrapoliert hat.                

Splitter Verlag

EinbandHardcover
Seiten56
Band4 von 10
Lieferzeit3-5 Werktage
ISBN978-3-95839-103-1
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