The Max

Ken Bruen, Jason Starr, The Max, Rezension, Thomas Harbach
Ken Bruen & Jason Starr

Ken Bruens und Jason Starrs Fortsetzung zu „Bust“ and „Slide“ wird durch das Verführerische, aber nicht richtige Cover dominiert. Es erinnert an die schmuddeligen Gefängnisstreifen der siebziger Jahre mit Femme Fatales in schwierigen, in erster Linie erotischen Situationen. Eine solche Szene gibt es im Buch auch. Einer der beiden Hauptcharaktere Angela Petrakos findet sich natürlich auf Lesbos, der griechischen Insel, in einem solchen Gefängnis wieder. Umgeben von leicht bekleideten schwedischen Schönheiten.

Allerdings ist sie nach einer Liebesnacht mit einem griechischen Aufseher relativ schnell wieder draußen. Sex die ganze Nacht mit einem Partner, der einschläft und umgehend hinter gegangen wird, ist einer der roten Fäden dieses Romans. Viel eher lässt sich der absurd überdrehte und deswegen vielleicht auch so lesenswerte Plot von „The Max“ am Ende zusammenfassen. Paula Segal ist eine durchschnittliche Autorin romantischer Thriller, deren drei bisher veröffentlichte Bücher sich immer schlechter verkaufen. Sie erhält von ihrer Agentin die Idee, eine True Crime Geschichte zu verfassen. Am Ende reicht sie ihr Manuskript ein und wird von allen Verlagen abgelehnt, weil die Story basierend auf der Lebensgeschichte von Max „the Max“ Fisher zu brutal, zu überdreht und voller unsympathischer Figuren ist. Ein treffender Vergleich zum vorliegenden Buch, dessen Plot ebenfalls auf teilweise vier Handlungsebenen ebenfalls brutal, aber nicht sadistisch, exzessiv übertrieben ist. Und das Buch ist besetzt mit durch die Bank unsympathischen Figuren. Ein Vergleich ließe sich mit dem ebenfalls erwähnten und zweimal verfilmten Patricia Highsmith Thriller „Der talentierte Mr. Ripley“ ziehen, aber im Gegensatz zum Opportunisten Tom Ripley, der anfänglich als Betrüger agiert und sich später immer wieder vor der Entdeckung seiner Vergangenheit schützen muss, agieren die Figuren im vorliegenden Buch ausschließlich reaktiv.

Die Haupthandlung wird dominiert von Angela Petrakos und Max Fisher. Ursprünglich ein Paar hat die verrückte Angela Patrakos in einem der frühen Abenteuer Max Fishers Frau in einer komplizierten Dreiecksbeziehung umgebracht. Inzwischen ist sie nach Griechenland geflohen, wo sie von dem Charmeur Sebastian ausgenutzt wird. Als ihre Ersparnisse zur Neige gehen und der griechische Vermieter sie vergewaltigt, erschlägt sie ihn, beseitigt die Leiche und muss mit Sebastian als Zeuge fliehen, der allerdings auch nicht unbedingt bei der aus seiner Sicht nicht mehr monetär attraktiven Frau bleiben möchte. Angelas Flucht führt sie nach New York, wo sie sich Hilfe bei Max Fisher erhofft. Sebastian dagegen wird von einem der zahllosen griechischen Verwandten gestellt und muss wider Willen Angelas Spur nach New York folgen. Während Sebastian teilweise wie ein Westentaschen Mr. Ripley erscheint, aber nicht durch wirklich überzeugende individuelle Züge nachhaltig gekennzeichnet worden ist, erscheint die stetig auf der Flucht befindliche opportunistische Angela Patrakos deutlich nuancierter gezeichnet. Im Vergleich zu ihren Aktionen in „Bust“ und „Slide“ bekommt ihre diese defensivere Variante weniger. Vor allem schleichen sich gegen Ende des Plots zu viele Opportunitäten ein. Mittellos soll sie Waffen für einen Gefängnisausbruch besorgen. Hier werden die einzelnen Versatzstücke mit Gewalt ineinander gepresst. Ansonsten ist Angela der typische und damit immer am Rande der Eindimensionalität herumgeisternde Vamp, der jede Chance nutzt, um sich in diesem Fall wider Willen wieder ihrem Ziel zu nähern. Eiskalt, rücksichtslos, mit wenig emotionalen Nuancen fehlt ihr die provokant verletzliche Seite einer Sharon Stone aus „Basic Instinct“, die solche Charaktere effektiver abrunden.

Paula Seagal ist eine Art Mittler zwischen den beiden Hauptfiguren. Sie ist eine lesbische Thrillerautorin, die immer wieder von Erfolgen träumt. Auch wenn sie unscheinbar gezeichnet worden ist, weiß sie mit ihren Reizen vor allem den von seinen Begierden gesteuerten Max Fisher um den Finger zu wickeln. Ihr Wahnsinn zeichnet sich erst spät ab. Als Autorin einer „True Crime“ Geschichte trägt sie erstaunlich wenig zum ganzen Geschehen bei, sondern bleibt im Hintergrund, verbindet die einzelnen Handlungsebenen und wirkt eher wie eine satirische Abrechnung auf den Medienbetrieb. Erst schreibt sie Thriller, dann soll sie es mit True Crime versuchen und als das Buch nicht zu publizieren scheint, werden ihr Juvenile Bücher als neues Tätigkeitsfeld vorgeschlagen. Hinsichtlich ihrer Wachträume bis hin zu Wahnvorstellungen ist sie Max Fisher am Nächsten, aber als Figur mit zahllosen inneren Monologen wird Paula Seagal kritisch gesprochen auf der einen Seite zu sehr wie ein Mäuschen, auf der anderen Seite wie ein egoistischer Vamp, der aber der später bei der Zusammenführung der vier Handlungsebenen auftretenden Angela Petrakos nicht das Wasser reichen kann.

Bleibt Max Fisher, der verurteilte Drogendealer. An seiner Person lässt sich die interessante Gestaltung des Plots und vor allem der zugrunde liegenden Struktur der Geschichte am besten ableiten. Immer wieder zeigen die Autoren Ereignisse aus der Perspektive des betroffenen Charakters, um im drauf folgenden Kapitel eine Art Außensicht zu schmieden. Der Kontrast zwischen den inneren Monologen und einer nicht unbedingt objektiven Betrachtung der Situation unterhält köstlich. Mit dieser Struktur verzichten die Autoren positiv auf einen übergeordneten Erzähler, einen Koordinator. Sie lassen die Ereignisse quasi von alleine fließen und sorgen durch die Begegnungen der einzelnen Figuren – jeder der beiden Hauptfiguren wird eine Art Sidekick angepasst – untereinander für Unterhaltung. Max Fisher ist wegen seines Drogenhandels zu einer langen Haftstrafe in Attica verurteilt worden. Interessant ist, dass er sich mit Schuldenmachen und Gefängnisfilmen auf das Gefängnis vorbereitet. Die Realität sieht anders aus. Es gibt keinen Trakt für besondere Gefangene und er muss mit einem kräftigen Farben die Zelle teilen, der ihn gleich anal vergewaltigt. Die Realität könnte als nicht weiter von den Idealen entfernt sein, die sich der in einer anderen Sphäre wandelnde, im Grunde nicht mehr ernst zu nehmende Max Fisher vorstellt. Im Verlaufe seines Gefängnisaufenthalts inklusiv seines Ausbruchs geschieht etwas mit ihm, ohne das er es beeinflussen kann. In seiner verzerrten Phantasie allerdings ist er die treibende Kraft. So wird ihm durch einen Zufall ein Verbrechen vor seiner Haftstrafe zugeschrieben, das fast alle Männer im Knast beeindruckt. Diesen fragwürdigen Ruhm macht sich Fisher zu Eigen, um plötzlich zum König des Knasts aufzusteigen. Wenn gegen Ende ein Gefängnisausbruch geplant wird, dann agiert er nicht, sondern lässt sich mitschwemmen, obwohl er gegenüber seiner Umfeld das Zepter in den im Grunde leeren Händen zu halten scheint. Diese Widersprüchlichkeiten zwischen der eigenen, durch Monologe dem Leser zynisch zur Kenntnis gebrachten  Perspektive und den eher indirekten verratenen Realitäten macht den Reiz der Handlung aus. Ken Bruen und Jason Starr haben von Beginn an bei allen vier, bzw. mit dem gigantischen naiven Farbigen Rufus sogar fünf Hauptfiguren nicht die Realität abbilden wollen, sondern wie bei überdrehten, subversiven Comics eher die Übertreibung gesucht. Max Fisher sieht sich auf einer Stufe von Al Pacinos Scarface. Er lebt in einem literarischen Nirvana, wobei er die goutierten Bücher/ Filme nicht wirklich versteht, sondern sich in ihrem Licht badet. Auch später im Gefängnis hilft ihm ein falscher Ruhm. Auf der anderen Seite ist er einer der Protagonisten dieser Geschichte, die rücksichtslos und aus dem Affekt heraus töten kann und tötet, während sowohl Angela als auch Sebastian im Grunde Opfer widriger Umstände werden und damit indirekt nur reagieren, aber nicht agieren kann. Diese Balance zwischen einer Parodie und einem überdrehten, subversiven Thriller in der Manier der Hardboiled Krimis der vierziger und fünfziger Jahren funktioniert ausgesprochen gut.

Am ehesten nähert man sich „The Max“ mit einem abwartenden Lächeln. Die Chronisten Paula Seagal seziert den Brust gesteuerten Max Fisher ausgesprochen gut. In diesen direkt aufeinander folgenden Szenen funktioniert das Buch am Besten. Paula zeichnet Max Fisher als Fleisch gewordene Persiflage; als einen Menschen, der sich gänzlich von der Realität abgeschottet hat und sein eigenes Leben führt. Interessant ist, dass sie ausgerechnet am Ende des Buches dieses Schicksals erleidet, während der „Max“ zurückkommt. Während sie als Lesben auch gegen ihre Überzeugung für eine gute Story körperlich fast alles zu geben bereit ist, sieht Max Fisher sie ebenfalls als Mittel zum Zweck, um Ruhm zu ernten. Beide Träumen davon, dass seine Lebensgeschichte zu einem Bestseller wird und sie vor allem reich/ bekannt macht. Auch Sebastian sucht eine reiche Partnerin, die er ausnehmen kann. Angela hat ihr Geld verbraucht und sie nur in dem inzwischen mittellosen Max Fisher die Chance, ohne Mühe durchs Leben zu kommen. In dieser Hinsicht ähneln sich auch die Protagonisten der zweiten Ebene.

Die größte Überraschung ist, dass in „The Max“ auch Hauptfiguren sterben. Weitere Fortsetzungen würden dadurch ihre Vielfältigkeit verlieren. Als Buch ist „The Max“ schwer einzuordnen. Die Geschichte kann nicht ernst genommen worden. Ein abgeschlossener Plot statt eines Lebensabschnitts ist auch nicht vorhanden, so dass zusammenfassend der Roman sich auch ohne Kenntnis der ersten Bücher dieser Serie sehr unterhaltsam lesen lässt. Man sollte aber die Handlung nicht zu ernst nehmen und die Zwischentöne zeigen dem Leser überdeutlich, dass alles im Grunde nur aus dem Auge des Betrachters zu erkennen ist.                 

Hard Case Crime, 244 Seiten

September 2008
ISBN: 978-0857683717
Cover art by Glen Orbik

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