Westward Weird

Westward Weird, Martin H. Greenberg, Rezension, Thomas Harbach
Martin H. Greenberg & Kerrie Hughes

Die Idee, den Wilden Westen mit Science Fiction oder Fantasy Themen zu verbinden, ist nicht unbedingt neu. Im Fernsehen haben es „The Wild Wild West“ und „Die Abenteuer von Brisco County jr.“ nachdrücklich beweisen. Der auch in dieser Sammlung vertretene Steampunk hat nicht selten neben dem viktorianischen England mit seinen bizarren Erfindungen auf Motive des klassischen Western zurückgegriffen. Der Herausgeber Martin H. Greenberg hat bislang in seiner langen, durch seinen Tod 2014 beendeten Karriere sehr viele Themenanthologien publiziert. Nicht selten haben die Autoren die roten Fäden exzellent aufgegriffen. In einigen wenigen Fällen kamen eher ambivalente Storysammlungen hinzu und leider muss man auch die Zusammenarbeit mit Kerrie Hughes als eine durchschnittliche Ansammlung von ansatzweise interessanten, aber durch die Bank ausbaufähigen Texten ansehen. 

 "The Temptation of Eustace Prudence McAllen" von Jay Lake ist nicht nur die Auftaktgeschichte, sondern zeigt einige Stärken, auch viele Schwächen der vorliegenden Athologie sehr gut auf. Zum einen überzeugen der lange Titel sowie der lakonische Stil, in dem Jay Lake diese kurze aufdringliche Parabel nieder geschrieben hat. Auf der anderen Seite ist der Plot mechanisch und die Idee des aufrechten Mannes, der dem Teufel begegnet, nicht unbedingt neu. Die Mischung aus Empörung - immerhin hat der Teufel die Brände gelegt, die McAllen vorgeworfen werden - und Verführung - wenn er an dessen Feuer sitzt, ist er verloren - ist weder originell noch zufrieden stellend genug extrapoliert. Die Charaktere sind schwach und Jay Lake steuert eher hilflos der Pointe entgegen anstatt sich um einen besseren und vor allem längeren Handlungsbogen zu kümmern.   

 Viele Geschichten dieser Sammlung lehnen sich vor allem neben den Steampunkaspekten an H.P. Lovecrafts Monster aus den Tiefen der Erde an. Dabei werden die Helden mit den Gefahren mehr oder minder direkt konfrontiert. In „The Last Master of Aeronautical Winters“ aus der Feder Larry D. Sweazy beschreibt die Expedition in eine lange verlassene Wolkenstadt, die Buffalo Bill unter anderem mit finanziert hat, um dort ein unbeschreibliches Monster zu suchen und zu fangen. Der Inhalt alleine hätte für eine Novelle ausgereicht. Die klassische Science Fiction Idee der fliegenden Stadt in ein Western Ambiente übertragen und dazu eine zu geradlinige Monsterjagd. Am Ende bleiben sehr viele Fragen offen und die direkte Handlungsführung wirkt wie ein Skelett, dem noch das Fleisch fehlt. Anton Strout geht in „Lowstone“ diesen einen Schritt weiter, in dem die Heldin eine Revolverfrau ist, die nicht nur ihrer dunklen Vergangenheit mit ihrem Ehemann zu entfliehen sucht, sondern einen kleinen Jungen vor den Zombieartigen Wesen wieder aus den Tiefen der Erde zu beschützen sucht. Da der Hintergrund eher spärlich entwickelt ist und die Figurenzeichnung durch Solidität überzeugt, wirkt die Geschichte als Ganzes kompakter und die Atmosphäre stimmiger, auch wenn Sweazy ohne Frage deutlich ambitionierter an alles heran gegangen ist. Interessant ist, wie sehr sich die Grundzüge der Geschichte – Jagd auf Monster, Flucht vor den Kreaturen – gleichen und wie wenig originell sie trotz kleinerer guter Ideen erscheinen. Die Monster sind überall, wie „The Flower of Arizona“ aus der Feder Seeman McGuire zeigt. Ein Monsterjäger trifft in einem Zirkus auf eine sehr attraktive Artistin, die allerdings nicht das obligatorische Monster ist, sondern nur die unheimlichen Ereignisse, welche in letzter Zeit die Truppe befallen haben, zusammenfasst. Das Ende ist pragmatisch und kommt wenig überraschend. Wie bei einigen Storys dieser Sammlung versucht auch McGuire in erster Linie über die Stimmung kommend den Leser zu unterhalten. Da die „Monster in erster Linie im ambivalenten Dunklen bleiben reiht sich der Text in die oben genannten, im Detail lesenswerten, aber erzähltechnisch durchschnittlichen bis langweiligen Geschichten ein. 

“Coyote, Spider, Bat” von Steven Saus ist eine der wenigen Texte dieser Sammlung, die wirklich funktionieren. Wenn die europäischen Vampire der Ansicht sind, dass sie als Krönung der Evolution in den USA neue unschuldige Opfer finden, erleben sie natürlich eine Überraschung, als sie auf die amerikanischen Gegenstücke treffen. Solide erzählt mit einer guten Charaktermotivation und vor allem nachhaltig gezeichneten Figuren sind die Monster nicht nur MacGuffins, sondern gut in die Geschichte eingebaut. 

 Weitere Texte beziehen sich auf Hilfsgesuche übernatürliche Wesen. In Renn and the Little Man“ von der erfahrenen Kristine Kathryn Rusch und „Showdown at High Moon“ aus der Feder Jennifer Brozeks sollen Revolvermänner und Frauen den übernatürlichen Wesen helfen. Bei m „Showdown“ geht es um die Entführung einer Queen. Da beide Texte direkt hintereinander in dieser Anthologie abgedruckt worden sind, lädt die Platzierung zu einer Gegenüberstellung ein. Der bizarre überambitionierte Hintergrund überdeckt die eher geradlinige Handlung, während Rusch mit ihrem ironischen Unterton das Hilfsgesuch der Zwerge an eine Revolverheldin sehr viel lebhafter beschrieben hat. Auch die Trolle haben sich für den alljährlichen Wettkampf die Hilfe eines Mannes gesucht, der von seinem Revolver lebt. Schade ist, dass diese zynische Pointe nicht weiter extrapoliert wird und vor allem der Konflikt ausgesprochen schnell angesichts des Potentials der Geschichte und der Konfrontation des Wilden Westen mit der nicht weniger exotischen Märchenwelt nicht ausreichend abgeschlossen wird. An unzähligen Stellen – so hat der männliche Revolverheld Märchenbücher als Vorbereitung gelesen, während sie sich mit einem Arsenal unterschiedlicher Kugeln auf verschiedene übernatürliche Wesen vom Vampir bis zum Werwolf eingestellt hat – wünscht man sich in dieser ansonsten überzeugenden Geschichte einen weiterführenden Exkurs.  Ein wenig differenzierter setzen sich „Black Train“ ( Jeff Marionette) und „Lone Wolf“ (Jody Lynn Nye) mit dem Thema auseinander. Zum Einen, weil sie teilweise die Perspektive der näher bezeichneten und vor allem auch identifizierbaren Monster suchen, zum anderen weil die einzelnen Protagonisten sehr viel differenter gezeichneter worden sind.  

 Andere Texte wie Brenda Coopers „The Ghost in the Doctor“ fassen ihren Inhalt ausgesprochen gut zusammen. Ein wenig indianischer Aberglaube, ein solider eindimensionaler Erzähler und wenig Handlung werden durch einen angenehmen Erzählstil nur bedingt ausgeglichen.

Zu den längsten und besten Arbeiten der ganzen Sammlung gehört „Surveyor of Mars“ von Christopher McKitterick. Sie passt sich auch sehr gut in den immer umfangreicher werdenden Kanon von Texten ein, die H.G. Wells „War of the Worlds“ als Vorlage nehmen. Die Menschen haben die marsianische Technologie eingesetzt, um den roten Planeten zu besiedeln und die Marsianer zurückzudrängen. Neben den politischen Exkursen sind es vor allem die Seitenhiebe auf die britische Vorlage, die unter dem Amerikanismus fast untergehen. Der wird ein wenig zu dick aufgestrichen. Auch die Idee, den Wilden Westen mit seiner einzigartigen Frontiermentalität einfach auf den roten Planeten zu versetzen, wird solide umgesetzt. Im Vergleich allerdings zu einigen anderen Geschichten dieser Sammlung leidet sie unter der nicht immer stimmigen und teilweise konstruierten Atmosphäre, während der Plot in dieser vorliegenden Form für eine Kurzgeschichte zu umfangreich ist und eher für eine Novelle oder einen Roman ausgereicht hätte.  Für sich allein stehend ist auch die Zeitreisegeschichte „Maybe another Time“ von Dean Wesley Smith, in welcher er die Expeditionen zweier Geschwister in die eigene Vergangenheit und eine Familienmiene untersucht. Das Zeitreisenden gefährlich ist, steht außer Frage. Wenn aber das abschließende Bild ein wenig an den Höhepunkt von „Ein Computer wird gejagt“ und die gigantische Höhle erinnert, dann zeigt sich das Augenzwinkern, mit welchem Smith seinen kurzweiligen, teilweise bitterbösen, die verschiedenen Klischees der Zeitreise immer am Rande des Chaos parodierenden Plot verfasst hat.    

 Erstaunlich ist an dieser Sammlung, dass die Autoren mehr auf Monster und übernatürliche Wesen vertrauen als die Idee des mechanischen Menschen aus dem Steampunk in den Wilden Westen übertragen. Beispielhaft sei hier „The Clockwork Cowboy“ von J. Steven York erwähnt, in welcher der mechanische Ich- Erzähler sich nicht nur gegen einen Opponenten des örtlichen Wasserbarons und damit Schurken des Stücks dank Geschicklichkeit durchsetzen kann, sondern in dem neben dem Hinweis auf Asimovs Robotergesetze die Idee des Vigilanten als Beschützer der Armen aufgenommen wird. Eine solide Story mit einigen interessanten Anspielungen, basierend auf einem im Grunde klischeehaften Plot der Dime Westernromane. 

Es ist schade, dass die Autoren das Potential phantastischer Wilder Westen Science Fiction, Fantasy oder auch Horror Geschichten so wenig heben können. Immer wieder drehen sich die Plots um die gleichen oder ähnlichen Komponenten. Hier hätten auch die Herausgeber korrigierend eingreifen können. Vielleicht liegt es daran, dass viele der hier versammelten Autoren mehr Erfahrung im Bereich des Western denn des phantastischen Genres hatte. In Bezug auf die Frontierkomponenten der Texte funktioniert ein Großteil der Texte ausgesprochen gut, während wie schon angesprochen nur wenige Autoren bereit, willens und leider manchmal auch fähig sind, diese Grenzen auszutesten und den notwendigen Schritt über die Erwartungshaltung des Publikums hinaus zu gehen. Es wird sehr viel Potential verschenkt und zu wenig Atmosphäre aufgebaut. 

 

 

 

 

  • Mass Market Paperback: 320 pages
  • Publisher: DAW; Original edition (February 7, 2012)
  • Language: English
  • ISBN-10: 0756407184
  • ISBN-13: 978-0756407186