
Mit “Kriegsmaschinen” erscheint zum ersten Mal im Rahmen der Cross Cult Reihe ein Roman, der relativ zeitnah an der laufenden Fernsehserie spielt und vor allem viele relevante Ereignisse um den Kriegs Doctor geschickt extrapoliert. Es ist wichtig, den Roman vor den Ereignissen vor allem in „The last Day“, der in den Kinos ausgewerteten „Der Tag des Doctors“ und schließlich auch „The End of Time“ zu lesen. Mit Cinder tritt nicht nur die erste Begleiterin dieses deutlich älteren und zynischeren Doctors auf, George Mann gibt sich rückblickend berechtigt Mühe, dessen Vorbehalte gegen eine junge, in diesem Fall allerdings auch kampferprobte Frau als Begleiterin in Kriegstagen nuanciert und ausführlich zu beschreiben. Auch wenn diese Prämisse grundsätzlich nicht neu ist und viele insbesondere der neuen Inkarnationen nicht immer glücklich über ihre Companion sind, unterstreicht das Ende die Gefährlichkeit dieser phantastischen Missionen. Mit George Mann haben sich die Produzenten der Buchreihe einen erfahrenen Steampunk Autoren ausgesucht, der in den letzten Jahren auch mit seinen Sherlock Holmes Geschichten positiv aufgefallen ist.
Zu den größten Schwächen angesichts George Manns Fähigkeiten gehört erstaunlicherweise die Charakterisierung der wichtigsten Protagonisten. In der Fernsehserie hat John Hurt bewiesen, wie man die Figur gegen alle Erwartungen spielen kann. Obwohl George Manns Roman ausgerechnet diese Inkarnation des Doctors – anfänglich vergisst er sogar seinen Namen – genutzt hat, um die Hintergründe des Zeitkrieges zu erläutern, erscheint Doctor Who im Buch wie eine „gewöhnliche Inkarnation des Doctors, der vielleicht ein wenig schlechter sieht, aber ansonsten seinen humanistischen Charakter selbst gegen sein eigenes Volk wie eine Fackel vor sich trägt. Natürlich hasst er die Daleks und fürchtet ihre Waffen, aber der zweite Versuch, die Maschinenmenschen auszuschalten, soll nicht mit dem Blut von Milliarden unschuldiger Wesen getränkt sein. Seine humanistische Handlungsweise in einem direkten Kontrast zu der inzwischen verzweifelt feigen Vorgehensweise der anderen „Time Lords“ wirkt zu konträr zur gegenwärtigen Fernsehserie. Natürlich wäre mit einem Hass erfüllten Doctor der Roman noch dunkler gewesen, aber zu viele Elemente wirken eher wie eine klassische „Doctor Who“ Geschichte. Während Cinders tragische Geschichte- bei einem Dalek Angriff versteckt sie sich unter einem roten Metallmülleimer und wird deswegen nicht entdeckt, während ihre Familie ausgerottet wird – Einblick in ihre Persönlichkeit geben könnte, verfällt George Mann neben den eher pragmatischen Tipps in eine Reihe von Klischees. Das tragische Ende verwirrt ein wenig, denn mit dem Epilog versucht der Doctor eine verzweifelte Mission zu erfüllen, während auf der anderen Seite am Ende des eigentlichen Handlungsbogens nicht zuletzt durch eine Umkehr verschiedener Ereignisse zumindest in der Theorie eine Heilung der Wunden dieses Krieges und der zerstörten Zeitlinien zumindest möglich ist. Und für Cinder könnte sich ein Kreis schließen. Als Persönlichkeit solide aufgebaut springt der Funke wie bei Manns Doctor nicht unbedingt über.
Nicht nur die Gedankensonde stammt aus der Episode „The Five Doctors“. Es ist erstaunlich, wie eng George Mann seinen Handlungsbogen trotz oder vielleicht auch gerade wegen der modernen Aufmachung der gegenwärtigen Serie mit dieser nostalgischen, aber auch stark konstruierten Folge in Verbindung bringt. Nicht nur die Gedankensonde – sie vermittelt dem Leser einige wichtige, romantisch verklärte Szenen aus Cinders Vor Dalek Leben -, sondern vor allem Rassilon, der von einem lebendigen Toten – nicht der einzige dieser Episode – zum charismatischen wie rücksichtslosen Anführer der bislang eher anarchistisch organisierten Time Lords geworden ist. In dieser direkten Konfrontation mit seinen "Vorgesetzten" sowie dem legendären Ausschrei "No More" als die Planungen hinsichtlich der Vernichtung von Milliarden von Menschen voranschreiten, baut George Mann auf eine Reihe von Konfliktherden. Aus der Vergangenheit kommen die Todeszone sowie ein Gallifrey inklusiv der Kammes des großen Konzils, das Altfans nostalgisch lächeln lässt, Neueinsteiger mit der Mischung aus wirklich altbekannten Ideen - siehe die "Superman" Comics - und Ansätzen ein wenig verwirrt zurücklässt. Aufgrund des hohen Tempos kann George Mann die Hintergründe weniger erklären als in die laufende Handlung einbauen. Dank Cinders in dieser Hinsicht pragmatisch effektiven Außenseiterperspektive wird das Geschehen reflektiert, während der Doctor agiert. Die Stellung der Time Lords wird hinterfragt. Da der Dalek- Krieg im Grunde gegen sie läuft, werden die selbst ernannten Hüter des bekannten Universums ihrer Polizistenrolle nicht mehr gerecht und reduzieren sich auf ein Volk, das unabhängig von ihrer Langlebigkeit mit der Idee des Untergangs konfrontiert wird. In dieser Hinsicht stellt sich eine sehr interessante anschließende Frage. Ist es für einen potentiell Unsterblichen schwieriger, nicht nur zu sterben, sondern seine Existenz inklusiv aller Erinnerungen an ihn ausgelöscht zu bekommen. In einigen Szenen zeigt sich George Mann als überraschend einfühlsamer Erzähler. Wenn Cinder es romantisch findet, dass die Bewohner Gallifreys Erinnerungslaternen in die Galaxis ausschicken, damit sich irgendwo/ irgendwann jemand an einen erinnert, verweist der Doctor pragmatisch auf das Hier und Jetzt. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen, denn an einer anderen Stelle reagiert er allerdings auf eine neue perfide Waffe, die als interessante Hommage ebenfalls als die klassischen Folge nur eine Variation einer schon vorhandenen, im Besitz der Time Lords befindlichen ultimativen Waffe darstellt. Während die Time Lords diese aber unter Verschluss gehalten haben, wollen die Daleks sie konsequent in ihrem Eroberungskrieg einsetzen. Da die Vergangenheit der Daleks und die Wurzeln des Konflikts bislang in der Serie immer wieder angerissen, aber niemals abschließend geklärt worden sind, wirken sie teilweise doch wie eine perfide Variation der Borgs, wobei die wiederum mit ihrer Floskel des Assimilierens wieder auf den alten Daleks mit ihrem Hang zur Elimination basieren. Ein Kreis könnte sich schließen. Der Doctor sucht einen Ausweg aus dem Dilemma und der Leser glaubt keine Sekunde daran, dass erstens die Time Lords mit ihrem Plan wirklich Erfolg haben könnten und zweitens der Doctor in dem ohne Frage furiosen Finale nicht nach dem letzten Strohhalm greift.
Hier liegen vielleicht auch die Stärken des Buches. Der Plot ist beginnend mit der zufälligen/ irgendwo im Universum geplanten Notlandung auf Cinders Welt, der Entdeckung der Waffe, der Flucht nach Gallifrey und schließlich dem ultimativen, aber verzweifelten Gegenschlag der Time Lords ausgesprochen stringent und kompakt. Im Kino oder vielleicht Fernsehen wirken tausende von Tardis in den unterschiedlichsten Formen - sowohl im Flug durch das All wie auf dem Tardis Friedhof auf Galifrey - wahrscheinlich visuell eindrucksvoller als es Mann beschreiben kann. Aber diese "Raumschlachtszenen" sind die zugänglichsten Passagen des ganzen Romans. Verschiedene Rettungen in letzter Sekunde - eine Tardis materialisiert um zwei Flüchtende herum - könnten mechanisch erscheinen, werden aber geschickt variiert. Hinzu kommen die Pläne hinter den Plänen. Nicht selten ein wenig variiertes Konstruktiv mit der "Deus Ex Machina" Auflösung. In diesem Fall erscheint die Vorgehensweise des Doctors sogar nachvollziehbar, wobei die programmtechnischen Arbeiten mit der Vorgabe eines einzigen Fluchtkurses vielleicht überambitioniert genannt werden muss. Gegen Ende während des obligatorischen Showdowns mit verschiedenen Variationsmöglichkeiten ist es wirklich Handarbeit des Doctors, um das Schicksal zu wenden. Auf der emotionalen Ebene macht es diesem Doctor vielleicht weniger aus, die Vernichtung der Daleks zu verschieben, um Milliarden von unschuldigen Lebewesen zu retten und sein eigenes "Volk" zum wiederholten Male bloßzustellen, aber zumindest ist seine Vorgehensweise angesichts der Resourcen interessant. Er muss selbst auf einen Verräter aus den eigenen Reihen - wieder eine Hommage an die alte Serie - zurückgreifen, dem er Erlösung aus seinem sadistisch angelegten Matyrium verspricht.
Aber George Mann ist trotz seiner konsequenten Vorgehensweise auch ein Autor, der seinen Lesern einen Blick auf die alten Inkarnationen des Doctors verspricht. Immer wieder blinkt dessen teilweise sarkastisch zynischer Humor auf. Seine verbalen Schlagabtäusche mit Cinder, auf Gallifrey und schließlich auch mit den Daleks sind souverän niedergeschrieben worden. Auch die verschiedenen fremdartigen Daleks mit ihrer Brutkammer und ihrer Suche nach einer Perfektionierung ihrer Bewaffnung im Einklang mit einer Biogenetik und damit einem Rückfall auf das „Fleisch“ sind gut beschrieben. Zu den Schwächen gehört, dass der Doctor auf den ersten vielleicht achtzig Seiten mehr als ein Spielzeug gesehen wird, das mit den richtig platzierten Informationen gefüttert als Köder dienen soll. Eine Idee, die den ganzen Roman betrachtend nicht konsequent durchgeführt wird und sich am Ende in Luft auflöst. Als Ganzes betrachtet ist es George Mann gelungen, einen nicht abschließenden Blick auf den Zeitkrieg zu werfen und seinen Roman trotz des begrenzten Handlungsspielraums und den engen, der Serie geschuldeten Vorgaben spannend, rasant und stellenweise emotional sogar überzeugend anzulegen und unabhängig von den charakterlichen Schwächen seiner Protagonisten ein interessantes, modernes wie nostalgisches „Doctor Who“ Abenteuer zu präsentieren.
Verlag Cross Cult
Taschenbuch, 340 Seiten, s/w, 18 x 12 cm
ISBN: 9783864252921