Der Festa- Verlag hat William Forstchen im Grunde Novelle in Deutschland ohne das einleitende Vorwort des Autoren veröffentlicht. Damit verschiebt sich auch ein wenig die inhaltliche Perspektive des Buches, denn auch wenn der Text wie eine Propagandaschrift aus den vierziger Jahren und damit dem Zweiten Weltkrieg nur gegen die ISIS statt die Nazis verfasst erscheint, ist die Idee deutlich nachhaltiger. Forstchen ist nicht nur ein Geschichtsprofessor mit einem Schwerpunkt auf Militärgeschichte und einer Faszination für den amerikanischen Bürgerkrieg, sondern hat neben seinen bekannten Science Fiction Romanen eine Reihe von historisch relevanten Büchern geschrieben. Unter anderem hat er sich mit dem Weg nach Pearl Harbour genauso auseinandergesetzt wie mit dem amerikanischen Bürgerkrieg.
Auch wenn die Zielrichtung der Krieg gegen den ISIS Terror ist, wird eine gänzlich andere Begebenheit nicht nur erwähnt, sondern auch als Vorlage für diesen Terroranschlag auf die USA ausgewählt. Die Geiselnahme einer Schule in Beslan im Nordkaukasus im Jahre 2004; das Vorgehen der Geiselnehmer, die fatale Erstürmung des Gebäudes und anschließend in einer Art Epilog auch die politischen Folgen dieser Tat, die zumindest von den Angreifern angeblich vorhergesehen und von Forstchen ein wenig übertrieben extrapoliert worden sind. Fängt man mit dem Epilog an, ist „Tag des Zorns“ – so heißt die Operation der Terroristen – im Grunde das vorläufige Ende der amerikanischen Demokratie. Es scheint fraglich, dass diese Art von Notstandsgesetzen wirklich umgesetzt werden können und das Amerika nach dem es ein zweites Mal in Folge wie beim 11. September geschlafen hat dadurch ein „sicheres“ Land geworden ist. Zumal ein Vorgehensweise des Präsidenten dem amerikanischen Grundwillen einer aktiven Vorwärtsverteidigung genauso widerspricht wie einem Überleben des USA als Wirtschaftsmacht. In dieser Hinsicht lassen sich weder positiv oder negativ die modernen Medien ausschalten noch ein Internetverkehr pro aktiv mit drastischen Strafen beschneiden. Zumal es auch keinen Sinn macht, da die Aktivierung weder über das Internet gekommen ist noch die Attentäter in den USA auf technische Hilfen bis auf Mobilfunktelefone zurückgegriffen haben. Forstchen versucht die Amerikaner mit seiner dunklen Vision eines brutalen, aber schon durchgeführten Anschlages wachzurütteln, aber die Mahnung schießt nicht nur über das Ziel in dieser Novelle hinaus, es fehlt die Basis. Auf der anderen Seite will er nicht einen klassischen Propaganda- Roman schreiben und die Amerikaner unabhängig von ihren Schwächen und ihrer Arroganz siegen lassen. Der Roman endet mit der fatalen Erkenntnis, dass man sich weder isolieren kann noch wirklich wie die Geschichte nachhaltig bewiesen hat, den Terror von Männern aufhalten kann, die nichts zu verlieren haben und aus ihrer Sicht nicht nur für ihren Glauben, sondern die Freiheit ihres Länder selbst unter einem paranoiden psychopathischen Regime kämpfen. Natürlich gibt es in diesem Buch aufrichtige Amerikaner, die Pyrrhussiege erringen, weil sie stoisch die Gesetze ignorieren und das Recht der Selbstverteidigung weiterhin in die eigene Hand nehmen. Da hilft es auch nicht, dass als Stimme des überforderten Staates die Kollegen sie eher anschwärzen als ihre Leistungen zu würdigen. Auf der anderen Seite stehen die eher gesichtslosen Terroristen, die auf dem Weg in das von Jungfrauen bevölkerte Paradies möglichst viele Feinde mitnehmen wollen. Der schmale Grat hinsichtlich der eindimensionalen Charakterisierung der einzelnen Protagonisten fordert natürlich auch stark heraus. Forstchen zeichnet nihilistisch, aber zynisch den Weg dieser Männer durch ihre Organisation bis zur Übernahme dieses Selbstmordkommandos auf. Greultaten in den besetzten Gebieten, das Hinrichten von potentiellen Verrätern in der eigenen Organisation und das gegenseitige Anfeuern. Auch wenn die westlichen Zuschauer inzwischen einen Blick hinter die Kulissen der ISIS werfen konnten, agiert Forstchen in dieser Hinsicht wie eine Propagandamaschine. Kritische Aspekte wie das Verbrennen der Feinde – nur Gott darf mit Feuer töten – und das Auseinanderfallen der islamischen Welt in diesem Punkt werden ignoriert, da sie das Bild dieser durch und durch brutalen sowie eindimensionalen, vor dem ultimativen Terror warnenden Romans unterminieren würden. Auf der anderen Seite sind die Amerikaner in ihrer Heimat weiterhin seltsam schwach. Auch wenn die vergangene Zeit zwischen dem ersten Angriff und dem abschließenden Eingreifen der überforderten Polizisten in allerdings in erster Linie amerikanischen Kleinstädten nicht richtig bestimmt werden kann, ragt neben der verzweifelten Aktion des mutigen Lehrers Bob nicht nur zu Schutz der eigenen Tochter die Selbstopferung eines natürlich ehemaligen Marines aus Vietnam aus dem chaotischen Geschehen heraus. Ordnungskräfte wie Politiker sieht Forstchen in ihrer naiven Unentschlossenheit und ihrem Weiterreichen von Verantwortung eher als das Problem des amerikanischen Kapitalismus und damit auch der Unfähigkeit, entschlossen wie radikal gegen den Terror vorzugehen denn als eine notwendige Lösung. Alternativen gibt es für den Autoren nicht. Es geht auch weniger um die Erörterung eines Problems, dem Aufzeigen einer potentiellen Schwäche, sondern dem Einschlagen eines Postens als Diskussionsgrundlage.
Und in diesem Punkt ist „Tag des Zorns“ unabhängig vom erzkonservativen amerikanischen Unterton der Versuch, einen perfiden und schwierig im Keim zu erstickenden Terroranschlag zu entwickeln, dessen Vorbild in Beslan im Jahre 2004 die Welt schon einmal erschüttert, die grundlegenden Probleme aber niemals beseitigt hat. Der Leser sollte dabei vergessen, dass weder Sanitäter noch Kinder in diesen gegenwärtigen Cyberkriegen schützenswert sind. Was die Terroristen im Nordkaukasus oder die fiktiven ISIS Kämpfer im vorliegenden Roman anrichten, findet auch in den Angriffen der Amerikaner sowohl in Vietnam als auch dem Nahen Osten seine Entgegnung. Dabei spielt es ja keine Rolle, ob ein Kind durch einen Marschflugkörper oder eine Kugel aus nächster Nähe stirbt.
Knapp einhundertfünfzig ISIS Krieger dringen unterstützt durch die örtlichen Drogenschmugglerorganisationen in die USA ein. Forstchen zeichnet nicht nur ein sehr realistisches Bild ihres Eindringens in die USA; sondern spekuliert hinsichtlich ihrer Assimilation in der amerikanischen Gesellschaft. Während die Attentäter des 11. Septembers ausschließlich rückblickend leichter zu erkennen gewesen sind als es die Geheimdienste selbst wahr haben wollen, reicht die Adaption des westlichen Lebensstils bis zum Trinken von Alkohol und dem Essen von Schweinefleisch, einer fließenden englischen Aussprache und der Idee, Amerika in sich verinnerlicht zu haben. Die Aktivierung der Schläfer erfolgt in zwei Stufen durch das Fernsehen und einer bestimmten, in der arabischen Welt ausgestrahlten Bericht, der natürlich von der Medienberichterstattung in den USA übernommen wird. Und doch ist dieses System anscheinend nicht perfekt, denn Forstchen zeigt in einer ins Nichts laufenden Sequenz auf, dass selbst diese Vorsichtsmaßnahmen auffallen. Nur versickern die Erkenntnisse im großen Datennichts der amerikanischen Geheimdienste. In einer ersten Welle – hier wirkt Forstchen ein wenig unsicher, denn ein gleichzeitiges Zuschlagen an allen hätte eine deutlich größere Wirkung gehabt und es wird auch nicht ausreichend erklärt, warum eine Schule einige Stunden/ einen Tag vorher schon Ziel einer Schießerei geworden ist – werden mehrere Schule von schwer bewaffneten Kommandos angegriffen und die Schüler/ Lehrer systematisch hingerichtet. Der Plan setzt auf die panische Reaktion der Eltern, die natürlich zu allen Schulen des Landes eilend ein Verkehrschaos anrichten und den Zugriff durch das amerikanische Militär und die Polizisten erschweren. In einer zweiten Welle sollen andere Gruppen sich auf die Highways begeben und sinnlos auf die Wagen mit Zivilisten schießen, möglichst viele Menschen töten und weiteres Chaos stiften.
Die Angriffe auf die Schulen im Allgemeinen und die des bewaffneten, damit auch die Gesetze brechenden Lehrers Bob – der Leser weiß schon, dass seine Familie oder er selbst Opfer bringen wird – sind unangenehm in ihrer zynischen, verbrannte Erde hinterlassenden wie fatalistischen Strategie zu lesen. Auch wenn Forstchen bis auf eine Szene – sie soll auf der Situation in Beslan basieren, wobei hier angeblich die Medien weg geblendet haben - nicht zu sadistisch voyeuristisch in die Details geht, wirkt das beschriebene nihilistisch und perfide durchgeplant. Es könnte Kritik laut werden, dass Forstchen den potentiellen Terroristen eine Art Blaupause gibt, aber das ist in mehrfacher Hinsicht nicht der Fall. Beslan wie die Bombenanschläge in Madrid und London haben bewiesen, dass der Terror genau weiß, wo er einsetzen muss. Forstchen nimmt die amerikanische Infrastruktur nur als Vorlage, um die eigentlichen Anschläge mit dem daraus resultierenden Chaos zu „verbinden“. Forstchen sieht seinen Roman als Warnung, niemals in der Wachsamkeit nachzulassen. Dabei ist er sich der Schwächen der Amerikaner durchaus bewusst. Sowohl der Bombenanschlag von Boston als auch die Amokläufer – verweichlichte jugendliche soziale Außenseiter mit einer Affinität für Ballercomputerspiele und Zugang zu den Waffenvorräten der Eltern – werden erwähnt. Aber für Forstchen gehen die Fundamentalisten einen Schritt weiter und der Autor sieht sie als eine gefährlichere Bedrohung als Al Kaida, weil sie angeblich rücksichtsloser und hinsichtlich ihrer Möglichkeiten ambivalenter agieren können. Zusammen mit dem ebenfalls in dieser Reihe veröffentlichten Roman „Power Down“ unterstreichen diese Arbeiten, wie sehr Amerika nach dem 11. September im Gegensatz zu „Pearl Harbour“ nicht nur in seinem innersten Wesen getroffen worden ist, sondern wie „hilflos“ die große Militärmacht gegenüber dem weltweiten Terror ohne die „Unterstützung“ eines Weltkrieges ist. Mit dem Fokus auf ISIS und weniger Al Kaida will Forstchen die Aktualität seines Buches unterstreichen und versucht die für Außenstehende kaum zu beurteilende Situation um die in ihren Zielen ausgesprochen flexible Terror Organisation nicht zu extrapolieren, sondern plakativ als tödliche Gefahr darzustellen. Am Ende des kurzweilig zu lesenden Plots ist die Diktatur der amerikanischen Politiker genauso perfekt wie die Menschen verachtende Herrschaft des eher eindimensional gezeichneten Kalifen.
Es ist eine politisch erzkonservative, das ureigene amerikanische Phlegma stark kritisierende „Was wäre wenn…“ Vision, die ohne Frage unabhängig von den vielleicht einseitigen Charakterisierungen zum Nachdenken anregt. Lösungen bietet Forstchen nicht an. Will er auch nicht, ansonsten würde das Buch natürlich seine in mehrfacher Hinsicht auch manipulierende wie aufrüttelnde Wirkung verlieren. Mit einem provokanten Titelbild ausgestattet wird „Tag des Zorns“ ohne Frage Diskussionen in viele Richtungen auslösen.
Buchreihe: | Festa Crime |
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Auflage: | Deutsche Erstausgabe |
Buchseiten: | 224 Seiten |
Ausführung: | Paperback, Umschlag in Festa-Lederoptik |
Format: | 20 x 12,5 cm |
ISBN: | 978-3-86552-373-0 |
Originaltitel: | Day of Wrath |
Übersetzung von: | Patrick Baumann |
Erscheinungsdatum: | 13.05.2015 |