
„Welt am Faden“ ist der mittlere Teil von Holger M. Pohls „Rettungskreuzer Ikarus“ Trilogie. Wie es sich manchmal ein wenig zu mechanisch für diesen Zwischenband gehört, wird der eigentliche Plot nicht unbedingt vorangetrieben und der Cliffhangar präsentiert weitere Informationen über den Hintergrund einer neu eingeführten Figur.
Das im ersten Band wichtige Hauptgeschehen um die Ausplünderung des Mondes Valerans spielt dabei weniger eine relevante Rolle als die geheimnisvolle Waffe, die von einem bislang nicht aufgefundenen Punkt eingesetzt wird und deren Langzeitwirkungen in letzter Konsequenz noch nicht absehbar sind. Die Frauen als herrschende Autorität auf dieser Welt wie die Männer verlieren ihre Willenskraft, driften nicht wie beim Wanderlustvirus in die Apathie ab, sondern werden zu Marionetten, die teilweise unter Kopfschmerzen leidend die Gerätschaften ihrer Welt nach und nach abstellen, um dann auf den Tod zu warten. Es bleibt abzuwarten, woher diese seltsame Waffe kommt und vor allem was letzt endlich das Ziel der Manipulation dieser bis auf die auf dem Mond befindlichen Bodenschätze unwichtigen Welt ist. Beim Wanderlustvirus handelte es sich um eine uralte, wieder aktivierte Waffe. Es bleibt zu hoffen, dass Holger M. Pohl im abschließenden Roman „Generalprobe“ eine Variation als Auflösung präsentiert. Die Auswirkungen der Wunderwaffe mit mehr oder minder durchdringenden Kopfschmerzen und einer sich quasi abschaltenden Zivilisation hätten vielleicht ein wenig differenzierter und minutiöser beschrieben werden können. In einigen Passagen wird immer wieder auf die Folgen hingewiesen, sie wirken aber zu wenig in die laufende und sich eines hohen Tempos bemächtigende Handlung eingebaut. In dieser Hinsicht hat der allerdings auch deutlich längere „Wandervirus“ Zyklus mehr Spuren im alltäglichen Geschäft zurück gelassen. Vor allem wenn der Leser bedenkt, dass erstens die Zivilisation auch durch den Verrat einiger wichtiger Offiziere in den Grundfesten ihrer Struktur erschüttert worden ist und der Geschlechterkonflikt weiterhin im Hintergrund vor allem durch die fremden Besucher köchelt.
Auf der Suche nach der Waffe sowie hinsichtlich der Ausbeutung des Mondes variiert Holger M. Pohl nicht unterinteressant die unterschiedlichen Gruppen. In erster Linie von gut geschriebenen Dialogen getrieben entwickelt der Autor brüchige Gemeinschaften, wobei sehr positiv wie in Dirk van den Booms vorangegangener Trilogie die Besatzung des „Rettungskreuzers Ikarus“ – dieser ist ja abhanden gekommen – eher passiv das Geschehen verfolgen als bislang aktiv eingreifen kann. Mit den beiden Praktikanten an Bord hat Holger M. Pohl interessante Figuren geschaffen, wobei insbesondere das offene Ende des sich kontinuierlich in „Welt am Faden“ als Charakter entwickelnden Darkwood viele Möglichkeiten offen lässt.
Wie schon angedeutet wirkt die Amazonen Gesellschaft Valerans eher rudimentär entwickelt. Zu ernsthaft, zu wenig gegenüber bekannten Kulturen individuell verändert und vor allem mit eher eindimensionalen Protagonisten ausgestattet wird hier viel Potential vielleicht auch in positiv komischer oder satirischer Hinsicht verschenkt. Im Auftaktband konzentrierte sich Holger M. Pohl ein wenig mehr auf die Gesellschaft.
Zusammengefasst bereitet „Welt am Faden“ die finale Auseinandersetzung solide vor. Es werden keine Antworten angeboten, sondern noch mehr Fragen auch hinsichtlich der endgültigen Hintermänner angeboten. Einige solide geschriebene Actionszenen vor allem in der zweiten Romanhälfte stehen den in erster Linie von ambivalent zu interpretierenden Verschwörungsdialogen und den wechselnden Zweckgemeinschaften gegenüber. Auf der anderen Seite muss dem Autoren der Vorwurf gemacht werden, dass er zum Teil insbesondere Stammlesern der Serie ständige Wiederholungen präsentiert; Fakten aus unterschiedlichen Perspektiven aber nicht relevant extrapoliert mehrfach aufwärmt, den eigentlichen Plot bis auf einige wenige Szenen am Ende nicht vorantreiben will und wie schon angedeutet den Raum der Trilogie nicht nutzt, um tiefer in diese Gesellschaft einzudringen und sie sich als Autor im „Ikarus“ Universum mit allen Freiten einer neuen Welt zu Eigen macht. Daher ist „Welt am Faden“ schwächer als der Auftaktroman „Im Schatten des Mondes“ und verschenkt trotz einiger guter Szenen sehr viel Potential vor allem in der ersten Handlungshälfte.
Atlantis Verlag