"Laienspiel" ist der vierte Krimi um den Allgäuer Ermittler Kluftinger. Im letzten Band "Seegrund" ging es um das Nazierbe, in "Erntedanke" um einen psychopathischen Massenmörder und im bislang besten, die Region treffenden Krimi der Serie "Milchgeld" um Erpressung und Lebensmittelbetrug. "Laienspiel" ist nicht nur von den Untertiteln der einzelnen Kapitel startend anders. Diese bilden einen Countdown. Es ist der Versuch, den Terrorismus im Vorwege der Europameisterschaft 2008 in diese beschauliche Region zu tragen. Aus Kluftinger wird trotz mehr als einer Verfolgungsjagd im Vergleich zu den ansonsten Solo auftretenden „sportlichen“ Höhepunkten eines Kluftinger Romans deswegen kein James Bond, aber die einzelnen Antagonisten sind spärlich gezeichnet und vor allem der Versuch, mittels Technik und Mut schließlich nicht nur ein Bombenattentat, sondern zwei separate Anschläge zu verhindern, erinnert sehr stark an die letzten nicht unbedingt voneinander zu unterscheidenden Agentenabenteuer. Spätestens mit "Laienspiel" geht aber auch der Kontrast zwischen dem dörflich naiven Kluftinger und der großen Welt endgültig auseinander. Entweder sind - was unglaubwürdig erscheint - die Terroristen nur naiv und dumm oder der Zufall ist ein deutlich wichtigerer Faktor als er zuerst erscheint.
Im Vergleich zu den letzten Kluftinger Romanen lohnt es sich, mit dem eigentlichen Plot zu beginnen. Kluftinger wird zu einem mysteriösen Selbstmord gerufen. Ein Mann hat sich in seiner eher als Unterschlupf dienenden Wohnung erschossen, nachdem österreichische Beamte ihn über die Grenze verfolgt haben. Es stellt sich heraus, dass der Tote vorher mehr und mehr dem Islam verfallen ist und sich vor allem mit dem Bau von Bomben beschäftigt hat. Neben den beiden Österreichern muss Kluftinger Beamte vom BKA ertragen, von denen er mit einer jungen Frau schon einmal eher leidlich zusammengearbeitet hat. Das Spezialteam verfolgt die wenigen Spuren zu einer Waffenschleuserorgansation, während auf dem gecrackten Computer eine Uhr rückwärts läuft. Es besteht schnell der Verdacht, dass diese islamische Gruppe einen Anschlag im Dreiländereck plant, wo erstens Kluftingers Ort sein Laienspiel aufführt, in Österreich die Europameisterschaft mit einem wichtigen Spiel stattfindet und in Bregenz auf der Seebühne die Fernsehübertragungen vor Livepublikum stattfinden. Sehr viel Zeit bleibt den Beamten nicht. Wie schon angesprochen lebt der eher auf den ersten Blick für die Allgäukrimis befremdlich erscheinende Fall weniger von den geradlinigen, auf die üblichen Klischees - spektakuläre Flucht, eher gescheiterte Observation und verstockte Verdächtige - hinauslaufenden Ermittlungen, sondern den intermediären Beziehungen zwischen den Teams. Da wäre das Verhältnis zwischen den Österreichern und Deutschen. Gegenseitiger Respekt und Arroganz, das "besser Deutscher" sein. Das Autorenduo definiert dabei die Nebenfiguren sehr gut und ihnen gelingen auch einige Höhepunkte. Unrühmlich ist allerdings, dass Kluftingers Sekretärin plötzlich wieder ohne weitere Erklärungen solo ist und den örtlichen attraktiven Staatsanwalt anscheinend vergessen hat. Bei den Gegnern trifft der Plot aber auf eindimensionale Figuren. Die Islamisten - hinter der Fassade eines Männervereins agierend - erfüllen wirklich alle negativen Erwartungen. Die Frauenfeindlichkeit, die absolute Kontrolle der noch im Bekehrungsprozess befindlichen Männer und schließlich die Organisation des Attentats. Natürlich ist es schwierig, im Fahrwasser der Anschläge des 11. Septembers, in London und Spanien aus dieser Prämisse Spannung aufzubauen. Vor allem weil die Autoren übertreiben und das Laienspiel in den Mittelpunkt der Ereignisse rücken. Wenn eine bislang bedeutungslose Nebenfigur ihre fünf Sekunden des Ruhms unmittelbar vor Kluftingers Augen erhält, dann wirkt das aufgesetzt. Überdeutlich ist zu spüren, dass die Autoren sich nicht mit Normalitäten zufrieden geben wollten. Dabei hätte der Fall differenzierter geplant und vor allem eine abschließende, das Geschehen ein wenig auf den Kopf stellende Pointe eingeplant werden können. Obwohl nach einem anfänglich sehr langsamen Beginn - wieder ist der Leser dem Kommissar deutlich voraus - das Tempo nicht nur gesteigert wird, sondern der Countdown doppelten Druck auf die Protagonisten ausübt, will sich keine wirkliche Spannung aufbauen, da die Autoren bislang die Regeln des Krimis im Allgemeinen und der realistischen Schilderung im Besonderen - es gab keine erfolgreichen Attentate auf Fußballspiele und Laienspiele - nicht verletzen wollen. So wirkt der Spannungsaufbau eher wie die Quadratur des Kreises. Im Vergleich konnte "Milchgeld" mit seinem brandaktuellen, aber auch für die Region so typischen Themas deutlich besser punkten.
Die private Handlungsebene ist befriedigender angelegt, aber nicht vollständig abgeschlossen. Zum einen fügt Kluftinger niemanden Schaden zu. In Bezug auf die dienstlichen Ermittlungen "verläuft" er sich in einem Internetcafe auf den Pornoseiten und läuft rot an, als ihn ein potentieller Zeuge zu einem der Mittäter macht. Wegen des verdächtigen Verhaltens an einem öffentlichen Ort. Seine Frau möchte ihn zu einem Tanz Auffrischungskurs schleifen. Zusammen mit den Langhammers, die tänzerisch sehr viel gemacht haben. Die Begegnung mit der Tanzlehrerin, Kluftingers Verhalten zwischen Abneigung und schließlich geballter Brust gehört zu den besten Szenen des Buches. Der Umzug seines Büros nahe an das Rotlichtviertel und die "ich bewahre alles auf" Haltung ist dagegen so menschlich, so sympathisch für den eher unbedarften Kluftinger, das andere schwächere und nach dem vierten Band auch sich zu stark wiederholende Szenen mit dem aus der Zeit gefallenen Polizisten ausgeglichen werden. In den Bereich des Slapsticks könnten Langhammers Vermutungen gehören, zwischen Kluftinger und Erika stimmt etwas nicht mehr. Einmal hebt eine Kollegin in seinem Dienstwagen ein zwischen dessen Beine gefallenes Handy wieder auf, das zweite Mal kommt Kluftinger nach einem kurzen Gespräch mit einer Prostituierten aus einer schmalen Gasse, in der er wegen des neuen Büros seinen Wagen parken musste. Beide Situationen beobachtet Langhammer, der seinem "Freund" unbedingt helfen will. Nur klären die Autoren diese Missverständnisse angesichts des zunehmenden Tempos der Handlung zu wenig auf. Und schließlich ist das Laienspiel mit dem exzentrischen Regisseur und einem immer zwischen Dienst und Pflicht - Ermittlungen und Auftritten - hin- und hergerissenen Kluftinger ist roter Faden, der den Roman nicht einmal schlecht bis auf das angesprochene rückblickend überzogene doppelte Ende zusammenhält.
In "Laienspiel" ist Kluftinger nicht der einzige naive Ermittler, der von den modern operierenden Terroristen bis zum großen Gegenschlag förmlich an die Wand gespielt wird. Die Konstellation der Figuren vom wieder überzogenen Chef bis zu den Spezialisten des BKA, den sinnfrei erscheinenden "Brain Storming" Besprechungsrunden mit wechselnden Runden bis zu den leider eindimensionalen Antagonisten - die größte Schwäche des Buches - rundet Kluftingers Irrgang durch die Tücken des Alltags sehr gut ab, während auf der Handlungsebene zu viel zu einfach und vor allem zu wenig nachhaltig originell erzählt wird. Auf der anderen Seite wird das Eindringen des internationalen Terrorismus in das friedliche Allgäu so oft überbetont, dass es mit einigen uralten Witzen fast um die Wette um die am wenigstens originelle Wendung streitet.
- Taschenbuch: 368 Seiten
- Verlag: Piper Taschenbuch; Auflage: 18 (1. August 2009)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3492254829
- ISBN-13: 978-3492254823