Im Überformat präsentiert p. Machinery mit „Die fantastischen Welten der Zukunft“ einen umfangreichen Streifzug durch die Themen der Science Fiction, verfasst von Robert Hector. Der 1956 geborene Internist und Sportmediziner schreibt seit vielen Jahren nicht nur über die Perry Rhodan Serie, dazu kommen wissenschaftliche Artikel zuerst im Perry Rhodan Report, inzwischen in verschiedenen Magazinen, sondern mit dem vorliegenden Band hat er seiner jahrzehntelangen Liebe zum Science Fiction Genre Ausdruck gegeben.
Robert Hector ist ein kritischer Begleiter der Perry Rhoden Serie und dadurch auch der Science Fiction.
In der Einleitung definiert der Autor die Grenzen seiner Studie. Im Gegensatz zu zahlreichen Utopisten fängt für Robert Hector wohlwollen die moderne Science Fiction mit Jules Verne oder H.G. Wells , im eigentlichen Sinne erst mit Hugo Gernsback und seinen „Amazing Stories“ an. Die industrielle Revolution ist der Schrittmotor für die Science Fiction. In dem geradlinigen Vorwort etabliert der Autor einige Leitplanken, auf welche er wieder im Laufe der folgenden Kapitel zurückfällt. Der Klappentext spricht von „Was sie schon immer über Science- Fiction wissen wollten, aber nie zu fragen wagten“. Und hier liegt vielleicht auch die größte Stärke und die größte Schwäche dieses Buches.
Im Gegensatz zu seinen Artikeln bzw. Büchern über die Perry Rhodan oder die „Maddrax“ Serie ist Robert Hectors Publikum irgendwo da draußen, aber nicht bei den Fans, welche wie er seit vielen Jahren das Genre im Herzen tragen. Beginnend mit der Einleitung präsentiert Robert Hector einen in der Masse erdrückenden, aber in der Tiefe auch oberflächlichen Streifzug durch die Science Fiction, der sich vor allem an die potentiellen Leser wendet, die ab und zu das Genre berühren, aber keine tiefergehende Beziehung zu ihm haben. Langjährige Fans finden zu wenige wirklich neue Informationen und der Versuch, möglichst alles irgendwie zu erschlagen, nimmt den wichtigen Passagen die notwendige Tiefe, damit „Faszination Science Fiction“ wirklich ein relevantes Nachschlagewerk werden könnte.
Der Aufbau ist Standard. Im ersten Abschnitt wird „Die Geschichte der Science Fiction“ beginnend mit den Vorläufern der SF und Mary Shelley kurz und mit einigen Beispielen versehen zusammengefasst. Zu viele Autoren haben sich an diesem Sujet versucht. Brian W. Aldiss zweimal mit „Der Millionen-Jahre-Traum“ und der erweiterten Fortsetzung „Der Milliarden-Jahre-Traum“. Robert Hector kann diesen beiden in Ehren ergrauten, aber exzellent geschriebenen Büchern in diesem Kapitel keine neuen Informationen hinzufügen. Im Gegensatz zu Brian W. Aldiss versucht sich Robert Hector an einer gewissen distanzierten Neutralität. Sicherlich die richtige Grundlage für einen Sachbuchtext. Aber wenn ein Autor die Genrefans ansprechen möchte, dann muss er über sich hinauswachsen und eigene Thesen aufstellen, sie gegen potentielle Kritik verteidigen und vor allem auch originelle Ideen hinzufügen, damit der Text nicht aufgewärmt erscheint und interessante Leser mit dem entsprechenden Fachwissen aus der Lektüre etwas Neues für sich mitnehmen.
Der zweite große Abschnitt „Themenbereich der Science Fiction“ gelingt ein wenig besser. Im direkten Vergleich zu der Chronologie des ersten Kapitels kann Robert Hector die einzelnen Themen ein wenig freier zu kleinen Gruppen ordnen und entsprechend abhandeln. Die Überschriften sind eine Art Geleit.
Jede Literaturgattung braucht ihre Autoren. Und so widmet sich Robert Hector im dritten Abschnitt nach Geburtsjahr geordnet den aus seiner Sicht wichtigen und noch nicht so wichtigen Autoren. Hier zeigt sich eine weitere Schwäche dieser ganzen Arbeit. Robert Hector will zu viel und liefert zu wenig. Die Biographien kann der Leser in verschiedenen Lexika lesen; die wichtigsten Werke notfalls im Internet nachschlagen. Natürlich werden die Autoren und ihre Romane und Kurzgeschichten hier quasi en bloc präsentiert. Jules Verne, H.G. Wells, Olaf Stapledon, dann Arthur C. Clarke und Isaac Asimov mit ihren jeweiligen drei Regeln bzw. Gesetzen; Robert A. Heinlein oder Margaret Atwood sind auch nachvollziehbar.
Poul Anderson erhält genauso viel Platz wie Douglas Adams. Dazwischen findet sich mit Catharine Asaro eine Newcomerin (zwei Zeilen). Peinlich wird es bei Michael Bishop, John Brunner , Algis Budrys, Octavia E. Butler. Da hilft es auch nicht, dass Robert Hector die anscheinend Altersrangfolge mit Douglas Adams plötzlich mitten in dem Kapitel ändert und auf das Alphabet zurückgreift. Das wirkt leider unprofessionell.
Am Ende ist ein interessierter Leser frustriert. Im Internet mit Wikipedia an der Spitze finden sich ausführliche Portraits mit erstens mehr Informationen und zweitens auch einer Werksschau. Was nützt mit ein unvollständiger Satz mit einigen vagen unbegründeten Thesen, dazu ein ohne Begründung ausgesuchtes Romanwerk des Autoren? Nichts. Das hilft nicht mal Einsteigern des Genres und zeigt, das eine vernünftige Vorstellung der wichtigsten Autoren mit den entsprechenden Begründungen hilfreich gewesen wäre. Diese kleinen Essays finden sich auch in diesem Kapitel. Sie werden allerdings ad absurdum geführt durch die zahlreichen Auslassungen trotz Namensnennung, welche in der Masse frustrierend wirken. Auf Stanislaw Lem und Philip K. Dick geht Robert Hector noch einmal in einem gesonderten Kapitel ein. Vollkommend unnötig, da ausreichend Platz in dieser Rubrik gewesen wäre. Höchstnotpeinlich ist übrigens die Anzahl deutscher Autoren, die Robert Hector aufführt. Null ist keine Zahl. Kein Kurd Laßwitz, kein Herbert W. Franke und kein Wolfgang Jeschke. Am Ende des Buches gibt es in der gleichen Gliederung noch den Bereich “Science Fiction in Deutschland”, in welchem Robert Hector wirklich alle im übrigen Teil des Buches angesprochenen Themen noch einmal sklavisch durchexerziert. Das reicht bis zu den Magazinen und dem Fandom… Da finden sich dann auch die deutschen Autoren. Warum der Autor diese harte Trennung durch führt, erschließt sich nicht wirklich, da die deutsche Science Fiction immer in Interaktion anfänglich mit der amerikanischen Pulp SF, später mit dem aus Großbritannien kommenden New Wave getreten ist. Selbst die Perry Rhodan Serie als ein auf den ersten Blick rein deutsches Produkt hat “international” inhaltlich angefangen. Eine Verknüpfung dieser beiden wichtigen Abschnitte hätte die Studie übersichtlicher erscheinen lassen.
Nach einem Viertel des Buches wendet sich Robert Hector dem Science Fiction Film zu. In der Theorie, denn nach einer entsprechenden Definierung des Genres und einer Chronologie inklusive der entsprechenden Meilensteine bleibt der Leser staunend zurück. „Dark Knight Rises“, „Der Hobbit“ oder „iron Man 3“ werden erfasst, kurz beschrieben und nicht einmal bewertet. Dabei schreibt Robert Hector selbst, dass er die Meilensteine ausführlich gesondert vorstellt. Oberflächlich wäre leider der richtige Begriff. Noch einmal, angesichts der Menge von Informationen, die Robert Hector im Grunde ungefiltert auf ein nicht definiertes Lesepublikum einprasseln lässt, lassen sich Kürzungen und Auslassungen nicht vermeiden. Es kommt immer auf die Definition an, welche der Autor selbst zulässt. Weniger wäre viel mehr gewesen. Wenn ich ein Publikum (hier geht es eher um die visuellen Menschen) mit vielen Spielarten der Science Fiction vertraut machen möchte, dann muss ich einen Schritt zur Seite treten und in Form von Essays wichtige Aspekte ausführlich und begründet vorstellen. Eine Reihe Auflistung von allen phantastischen Filmen (nicht jeder phantastische Film ist Science Fiction) ist ungenügend und langweilt schnell den Leser. Andere Nachschlagewerke haben diese Aufgabe seit Jahren übernommen und leisten gute wie eigenständige Arbeit. Die Schwächen ziehen sich aber weiter durch. Robert Hector hat nicht viel Ahnung vom Science Fiction Film und wiederholt auch bei den wichtigsten Persönlichkeiten nur bekannte Phrasen.
„Science Fiction im Fernsehen“ umfasst immerhin “The Big Bang Theory“ und „Games of Thrones”. Neben einer ausführlichen und kurzen Auflistung der wichtigsten Fernsehserien kommen wieder die Gamechanger in den Ring. Einzelne Serien und Serienkomplexe werden ausführlicher vorgestellt, wobei hier wieder die Betrachtung relativ ist. Nicht ausführlich genug, um Interessierte zu begeistern und zu oberflächlich für die Stammzuschauer oder Nerds. Interessant ist, dass Robert Hector dann in der Präsentation der Star Trek Fernsehserien und Kinofilme einige sekundärwissenschaftliche Exkurse einfügt und erklärt. Dreht ein Leser den Spieß um, dann könnte das Star Trek Kapital auch als alleinstehender Artikel bestehen. Für welches Zielpublikum steht auf einem anderen Blatt. Aber leider trifft auch dieser Abschnitt den Titel „Faszination“ nicht wirklich. Hinzu kommt, dass Robert Hector wieder möglichst nach allem zu greifen sucht, was Phantastik und weniger Science Fiction ist. Damit führt sich der Autor selbst am Nasenring durch seine imaginäre Arena.
Neben dem schon angesprochenen - statischen - deutschen Block geht der Autor auf nicht einmal zehn Seiten auf die SF in anderen Ländern ein. Platz hätte es gegeben, wenn er auf die Auflistung aller HUGO Preisträger verzichtet hätte. Es hätte ausgereicht, die wichtigsten Preise der Science Fiction und deren Bedeutung in einem der Essays aufzuführen.
Das Robert Hector es auch anders kann zeigt sich viel zu spät in der kurzen Vorstellung kosmologischer Spekulationen mit Olaf Stapledon, de Chardin, Robert Wilson und Greg Egan. Am Buch ist Robert Hector deutlich besser und setzt sich mit den Bedeutungen auseinander. Leider kommt dieses vorfinale Kapital zu spät.
Es ist schwer, die Fleißarbeit Robert Hectors nicht anzuerkennen. In der Zeit vor dem Internet wäre es wahrscheinlich perfekt gewesen. Aber im Grunde ist es in der vorliegenden Form eine in mehrfacher Hinsicht aus der Zeit gefallene und nicht nur dadurch vergebene Liebesmüh. Das Buch hat in dieser Form nur bedingt ein Zielpublikum und wird immer im Schatten der beiden Aldiss Werke stehen, in denen interessierte Außenseiter wie auch Kenner des Genres neue Aspekte finden. Robert Hector ist kein Brian W. Aldiss. Das muss er auch nicht sein. Aber wenn ich mich mit der Faszination der Science Fiction auseinandersetze, muss weniger eine Daten und Faktensammlung (natürlich unvollständig und mit einer schrägen Auswahl) im Mittelpunkt stehen, sondern eine Auseinandersetzung mit einer Literaturgattung, welche der Autor auch schätzt. Sonst macht das Buch weder für Neulinge - zu viele Schwächen und Lücken - oder Fans - bis auf einen minimalen Teil nur Datenrecycling und eine Handvoll origineller Ansichten - keinen Sinn. Und diesem Buch fehlt leider das Herz, die angesprochene Faszination für die Science Fiction.
- ASIN : B0CNBZMH7Y
- Herausgeber : p.machinery (14. November 2023)
- Sprache : Deutsch
- Taschenbuch : 480 Seiten
- ISBN-10 : 3957653614
- ISBN-13 : 978-3957653611