Der 1984 in Lippstadt geborene Sebastian von Arndt präsentiert mit seinem 2021 veröffentlichten Roman „Wächter der Verbotenen“ eine Tierfantasy basierend auf der Tradition von Richard Adams, aber vor allem auch den tierischen Urban Fantasy Stories eines Gary Kilworth oder eines David Petersen. Auch das Miniaturenspiel „Maus und Mystik“ hat die Handlung beeinflusst.
Sebastian von Arndt lebt inzwischen mit seiner Familie in Münster und arbeitet als Sonderpädagoge an einer Förderschule.
Auch wenn die Geschichte nur knapp einhundertvierzig Seiten Umfang hat, etabliert der Autor den Hintergrund des Plots relativ stringent. Der Erlkönig ist gefallen. Damit haben die magischen Wesen ihren Schutzpatron verloren. Sie leben in den Städten im Untergrund. Inzwischen sind sie teilweise zu Legenden geworden. Geschützt werden sie nur durch Mitglieder der Organisation der Wächter der Verbotenen. Wie viel Zeit zwischen dem Verschwinden des Erlkönigs und dem Einsetzen der Handlung vergangen ist, kann der Leser nur schätzen. Aber normalerweise braucht es länger, bis die mystischen, noch vorhandenen Wesen vergessen erscheinen. Vor allem, weil ein kleiner Teil der Menschen immer wieder an ihre verborgene Anwesenheit erinnert wird.
In der Stadt ist seit einiger Zeit ein Sammler von Kuriositäten unterwegs. Er verfügt über umfangreiche Informationen und nimmt die magischen Wesen gefangen. Eine Hexe hilft ihm. Sie will ihre Widersacher am liebsten alle ausrotten.
Im Keller seiner Villa hortet er die Wesen, um sie auf heimlichen Auktionen verkaufen zu können. Sollte das Vorhaben nicht gelingen, werden die Wesen getötet. Zu den neuesten Opfern gehören ein Feenkind und ihr Freund, der seine Gestalt wandeln kann.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht Leander, eine Maus. Sie geht auf zwei Beinen und ist genauso intelligent wie ein Mensch. Natürlich gibt es wegen ihrer Größe Einschränkungen, aber die meisten Hindernisse bei der Suche nach den Verschwundenen können durch Verstand überwunden werden. Leander ist keiner klassischen Detektivfigur nachmodelliert. Er ist ein Held wider Willen, nicht der strahlende Ritter, aber das einzige Tier in diesem Roman, das sich erstens der Herausforderung stellt und zweitens – damit der Plot glaubhaft bleibt – auch gegen eine Hexe und ihren menschlichen Helfer antreten kann. Es ist erstaunlich, dass die einst mächtigen Fabelwesen anscheinend durch den Tod des Erlkönigs die meisten ihrer Fähigkeiten eingebüßt haben. Aber der Autor muss derartige Kompromisse eingehen, damit die auf zwei Ebenen erzählte Handlung funktioniert.
Es ist nicht der einzige Kompromiss dieses kurzweilig zu lesenden Romans. Auf der einen Handlungseben wird das Schicksal des Feenkindes natürlich in den Händen eines grausamen Menschen beschrieben. Sebastian von Arndt geht nicht in alle Details, er überschreitet nicht die Grenze zwischen einem geradlinigen Abenteuer in der Disney Tradition und Richard Adams teilweise unangenehm realistischen Tier Phantasien. Keine Sekunde zweifelt der Leser daran, dass die Rettung gelingen wird. Der Roman bezieht seine Spannung eher aus dem „wie“, denn dem „ob“.
Leander ist das genaue Gegenteil. Wie die unzähligen Mäuse in Romanen oder Cartoon/ Zeichentrickfilmen verfügt er nicht nur über den entsprechenden Mut und die schon angesprochene Intelligenz, sondern auch das entsprechende Ego.
Durch die wechselnden Handlungsebenen kann Sebastian von Arndt das Tempo seiner Story hochhalten, auch wenn Leander als Figur rückblickend fast zu wenig Raum bekommt. Das Feenkind in seinem Gefängnis ist weniger interessant, weniger dreidimensional dargestellt und ihre lange Zeit passive wie leidende Rolle kommt Fantasylesern aus einigen anderen Texten bekannt vor. Nicht plakativ bekannt, aber die Mechanismen des Genres werden in dieser kurzen Geschichte weder neu erfunden noch originell ausgeweitet. Dazu bleibt der Autor zu sehr an einzelnen Versatzstücken kleben, kann sich vor allem mittels einzelner Sequenzen dann wieder zum nächsten inhaltlichen Höhepunkt retten.
Neben den beiden Figuren spielt der Hintergrund der Geschichte eine wichtige Rolle. Solche Tierphantasien funktionieren weniger im Hier und jetzt. Die meisten Autoren – siehe auch „Die Strahlen des Herrn Helios“ – greifen auf das viktorianische Zeitalter zurück. Hier treffen für die Tiere hilfreiche Technik und der Aberglauben der Bevölkerung gut aufeinander. Es ist glaubhaft, wenn ein Leander mit seiner Intelligenz und nur wenigen rudimentären Waffen einen Sieg davonträgt. In der Gegenwart mit seiner High Tech und vor allem der Beweglichkeit der Protagonisten wäre das weniger glaubwürdig, schlicht unmöglich.
Sebastian von Arndt versucht, die verschiedenen Legenden in die laufende Handlung einfließen zu lassen, ohne dass sie den stringenten, aber stellenweise auch vorhersehbaren Plot erdrücken. Das ist ein schmaler Grat, auf dem sich der Autor bewegt. An einigen Stellen will er fast zu viel, wenn er munter den Erlkönig, die Feen, Hexen und schließlich auch noch einen Gestaltwandler munter mit einer klassischen Tierfantasy mischt. Weniger wäre an einigen Stellen mehr gewesen und eine sorgfältige Ausarbeitung der verschiedenen Herausforderungen hätte der Geschichte auch gut getan. Manches geht trotz oder vielleicht wegen der Konzeption der Story zu „leicht“ von der Hand. Dabei bezieht sich diese Leichtigkeit auf die beschriebenen Abläufe innerhalb des Buches und weniger die einzelnen Versatzstücke, die stilistisch zufriedenstellend bis stellenweise dank der guten Dialoge überzeugend aneinandergereiht worden sind.
Zusammengefasst ist „Wächter der Verbotenen“ – der Titel wirkt dramatischer als es die laufenden Erklärungen hinsichtlich der Verbote wirklich sind – eine solide kurzweilige Unterhaltung mit allen Stärken, aber auch Schwächen dieses Fantasy Subgenres. Leser von Richard Adams, im Kern dunkle Geschichten werden vielleicht enttäuscht werden. Aber wie „Die Strahlen des Herrn Helios“ oder die angesprochenen Geschichten von Gary Killworth, vielleicht auch ein wenig wie der vor vielen Jahren im Fabylon Verlag veröffentlichte Roman „Pakt der Mäuse“ aus der Feder Uwe Gehrmanns geht es vor allem um Pflichterfüllung bis zur Opferung des eigenen Lebens, um Freundschaft und schließlich auch um Liebe. Alles klassische Themen der Fantasy. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Protagonisten (aber nicht die Antagonisten) Menschen oder Tiere sind. In dieser Hinsicht wird Sebastian von Arndt beginnend mit dem schönen Titelbild Tithi Lundthongs sein Publikum finden und für die Romanlänge auch an sich binden.
Sebastian von Arndt
WÄCHTER DER VERBOTENEN
Außer der Reihe 49
p.machinery, Winnert, Juli 2021, 142 Seiten, Paperback
ISBN 978 3 95765 252 2 – EUR 12,90 (DE)
E-Book: ISBN 978 3 95765 843 2 – EUR 3,99 (DE)