Der Hammer Gottes

Arthur C. Clarke

Der Heyne Verlag hat wie bei den letzten Romanen Arthur C. Clarkes auf eine Einreihung in seine Science Fiction Reihe verzichtet und publiziert mit “Der Hammer Gottes” den Katastrophenroman aus der Feder des britischen Schriftstellers im allgemeinen Programm. 

Auf dem deutschen Titelbild prangt als Co Autor Mike Mcquay, der nach einem kurzen Treatment Clarkes einige Jahre später den Roman “Stärke 10” verfasst hat. Aber im ausführlichen Nachwort Arthur C. Clarkes und auch den amerikanischen/ britischen Originalausgaben wird nur Arthur C. Clarke als Autor genannt. Für diese These spricht auch, das der Roman mit knapp über zweihundert Seiten ausgesprochen kompakt ist, während alle Kooperationen mit verschiedenen Autoren deutlich umfangreicher sind. 

Laut Arthur C. Clarke erhielt der Autor die Aufforderung, 1992 eine Kurzgeschichte für die Time zu schreiben. Im  gleichen Jahr begann die NASA mit ihrem neuen Raumüberwachungsprogramm Spaceguard. Arthur C. Clarke selbst hat diese Idee schon in seinem 1973 veröffentlichten und prämierten Roman “Rendezvous with Rama” eingeführt.  Damit “Der Hammer Gottes” authentischer wirkt, weist der Autor ironisch auf einen obskuren Science Fiction Roman hin, welcher die Grundlage des NASA Programms ist, auf welchem Clarke mit “Der Hammer Gottes” seine Geschichte aufbaut. Die Kurzgeschichte erschien schließlich unter dem gleichen Titel wie der Roman in der “Beyond the Year 2000” Ausgabe vom October 1992, als erst die zweite literarische Arbeit in der Geschichte des renommierten Magazins. 

“Der Hammer Gottes” setzt sich mit dem Thema eine Bedrohung der menschlichen Zivilisation durch einen Killermeteoriten auseinander, dessen Einschlag auf die Erde die gleichen Folgen hat wie der Himmelskörper, welcher vor vielen Jahrmillionen Jahren die Dinosaurier ausgelöscht hat. Das Thema ist innerhalb der Science Fiction immer wieder hochgekocht. Vor Arthur C. Clarkes Buch erschien unter anderem die Kooperation zwischen Larry Niven und Jerry Pournelle. Ihr “Luzifers Hammer” eroberte die Bestsellerlisten. “Meteor” zeigte, das die politischen Grenzen überwunden werden müssen, um eine globale Bedrohung zu verhindern. Nach Clarkes Buch sorgten unter anderem “Armageddon” mit Bruce Willis, aber auch der im gleichen Jahr veröffentlichte Film “Deep Impact” für Interesse der Öffentlichkeit. 

“Der Hammer Gottes” ist aber unabhängig von den noch anzusprechenden Schwächen ein typischer Arthur C. Clarke Roman seiner Spätphase. Schon in seinen ersten Büchern hatten die Leser das unbestimmte Gefühl, als wenn dem Autoren der Hintergrund, die Entwicklung einer realistisch technischen Zukunft mit einer ordentlichen Portion Optimismus dem klaren Menschenverstand gegenüber wichtiger ist als eine nachhaltig originelle Handlung. “Der Hammer Gottes” wäre in dieser Hinsicht einer der schwächsten Romane Clarkes, denn die Auseinandersetzung mit dem Meteoriten Kali und damit auch dem Schutz der Erde findet relativ spät - im letzten Viertel des Buches - statt und wirkt deutlich weniger aufgeregt, aber auch aufregend als bei den schon angesprochenen thematisch vergleichbaren Büchern oder Filmen. 

Kommandant der Mission ist Robert Singh, den der Leser gleich im Prolog mit seiner Familie kennenlernt. An Bord eines Raumschiffs soll er Kali mit sanftem “Stößen” und einer Art Bohrer leicht ablenken, so dass er schließlich die Erde um mehrere hundert Kilometer verfehlt. Im Gegensatz zu vielen anderen von Clarke minutiös geplanten Romanen ist es dieses Mal nicht nur die reine Wissenschaft, welche den Unterschied macht. Dadurch erscheint das Ende des Buches deutlich flacher, im Grunde auch improvisierter als es insbesondere der mittlere Abschnitt des Buches verdient hat. Den Clarke kommt wie bei einigen seiner anderen Romane ins Philosophieren und stellt mit zahlreichen Beispielen seinen Lesern die Frage, ob der Mensch per se überhaupt sein Überleben verdient hat. 

Auf der sozialen Ebene entwickelt der Autor nicht nur eine Kultur auf dem Mond, sondern beschreibt auch die Schwierigkeiten der Kolonisierung des Mars. Auf dem Mond gibt es zu olympischen Spielen, deren Extrapolation quasi in einem Nebensatz an die Auftaktsequenz von Ian MacDonalds “Luna” erinnert.  Clarke geht nicht auf die Details ein, aber er ist einer der Autoren, der sich mit einer Familienplanung im All auseinandersetzt. So muss Robert Singhs Sohn auf der Erde geboren werden, damit er überhaupt irgendwann in der fernen Zukunft wieder auf die Erde zurückkehren kann. Aus gesundheitlichen Gründen ist es den im All oder auf dem Mond/ Mars geborenen Menschen nicht möglich, die Erde zu besuchen. Später führen Singh und seine Frau eine freundschaftliche, wie offene Beziehung, weil sie sich auseinandergelebt haben. Nicht einfach, als Kommandant eines Raumschiffs auf dem Mars oder später im All seine Frau die Treue zu halten, die wiederum lange Jahre nur auf der Erde arbeitet. Alle diese Themen streift Clarke im ersten Drittel des Buches bei einer Art sozialen Exkursion, erzählt in einem humorvoll distanzierten Stil. 

Religion spielt immer wieder eine hintergründige Rolle in seinen Büchern. Religion ist nicht gleichbedeutend mit Fanatismus, aber die Gefahren kommen immer wieder aus den nicht konformen Ecken: der Anschlag auf Rama oder die Bombe im Fahrstuhl zu den Sternen seien hier stellvertretend genannt. Auch ein Makenzie muss bei seiner Heimkehr zur Erde erkennen, das Glauben nicht immer alles ist. Hier erschafft Arthur C. Clarke mit dem Chrislam eine “perfekte” Mischung aus Christentum und Islam für die Computergeneration.  In der Kooperation “Stärke 10” nimmt sich Clarke zusammen mit Mike McQuay dieser Idee noch einmal an und zeigt das Risiko eines Bürgerkriegs zwischen dem fanatischen amerikanischen Islam und den erzkonservativen weißen “Herrschern” der USA. Hinsichtlich den Ideen des Islam verweist Clarke in “Der Hammer Gottes” nicht nur auf die frühere Toleranz, sondern auch die Ironie, das sich viele Farbige in den Islam flüchten, welcher in den Jahrhunderten zuvor der Glauben der grausamen Sklavenhändler gewesen ist. 

Das Computer inklusiv perfekt nachgebauter künstlicher Wesen keine neue Idee für einen Roman aus dem Jahr 1993 sind, muss nicht bestritten werden. Viel interessanter erscheint, dass Clarke bei seinen technisch sozialen Exkursionen immer das Wohlbefinden der Menschen im Auge hat und Technik mit positivem Fortschritt gleichsetzt. Nur das Militär stellt für ihn einen Rückschritt da und es wundert niemanden, das es auf Clarkes Erde ein generelles Waffenverbot gibt. Nur Ein-Schuss-Waffen dürfen  privat wie von den Regierung besessen und angewandt werden. 

An Bord des Raumschiffs findet sich als Unterstützung der menschlichen Besatzung eine künstliche Intelligenz. Sie trägt den Namen David. Keine Abkürzung wie HAL 9000, berühmt berüchtigt vor allem eher aus Kubricks Verfilmung denn Clarkes Kurzgeschichtenvorlage.  Aber David arbeitet nicht gegen die Crew, sondern tatsächlich mit den Menschen an Bord. 

Der Kreis lässt sich noch deutlich erweitern. “Der Hammer Gottes” ist weniger eine Doomsday Geschichte als ein positiver Streifzug durch Arthur C. Clarkes umfangreiches Werk, in welchem er alte Ideen der Gegenwart anpasst - die Besiedelung von Mond und Mars hat der Brite ja in den fünfziger Jahren schon durchgespielt - oder Themen aus seinen bisherigen Büchern wieder aufgenommen und technisch auf den neuesten Stand gebracht hat. 

Das Buch wirkt dadurch eher wie ein nicht chronologisches Sammelsurium aus verschiedenen Ideen, die Clarke unbedingt noch einmal erwähnen wollte. Zusammengehalten von Robert Singh, der wie viele andere der Nebenprotagonisten eher pragmatisch eindimensional als sympathisch erscheint. Auch wenn Clarke die Technik als unbedingten Helfer der Menschheit sieht, ist es ihm in seinen nie gelungen, wirklich dreidimensionale und gute Charaktere zu entwickeln, die in seinen dreidimensionalen Szenarien gut leben, manchmal auch nur überleben können. 

Zu den Schwächen gehört ohne Frage das höflich gesprochen passend pragmatische Ende. Ihm fehlt die Erhabenheit, die Anmut, welche Romane wie “Fahrstuhl zu den Sternen” und wenige Jahre später wahrscheinlich von Mike McQuay auf die emotionale Spitze getrieben “Stärke 10” auszeichnen sollte.  Vielleicht stellt das Finale eine Art Kompromiss dar. Technik kann nur mit einem Schuss Hoffnung und Glauben funktionieren. Aber diese Einstellung erwartet ein Leser nicht am Ende eines Arthur C. Clarke Romans. 

In erster Linie wird “Der Hammer Gottes” Arthur C. Clarke Anhänger erfreuen, die sich eher mit Clarkes Ideenreichtum als seinen klassischen Fähigkeiten als Erzähler auseinandersetzen möchten. Der Plot wird vor allem in der ersten Hälfte in den Hintergrund gedrückt. Er ist vielleicht nicht einmal bis auf die nur bedingt funktionierende Spaceguard originell. Aber zwischen den Zeilen finden sich sehr viele interessante philosophische Exkurse, welche die Lektüre als eine Reise durch ein futuristisches Sonnensystem unabhängig von den angesprochenen Schwächen interessant machen. Aber Clarke ist eben ein intellektueller Autor, der mehr in den Weg denn das Ziel verliebt ist.  

  • ASIN ‏ : ‎ B00IHDQACO
  • Herausgeber ‏ : ‎ Heyne Verlag (25. Februar 2014)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Dateigröße ‏ : ‎ 945 KB
  • Text-to-Speech (Vorlesemodus) ‏ : ‎ Aktiviert
  • Screenreader ‏ : ‎ Unterstützt
  • Verbesserter Schriftsatz ‏ : ‎ Aktiviert
  • X-Ray ‏ : ‎ Nicht aktiviert
  • Word Wise ‏ : ‎ Nicht aktiviert
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe ‏ : ‎ 178 Seiten
  • UNSPSC-Code ‏ : ‎ 55111505
  • Der Hammer Gottes: Roman