Ruben Phillip Wickenhäusers im Untertitel als fieberhafte Höllentornovelle über ein finsteres Schweden bezeichnet wird von einem stimmungsvollen Titelbild des Autoren eingeleitet. Sechs Jahre lebt der promovierte Geschichtswissenschaftler in Schweden mit seiner Familie im Eisengebiet Bergslagen.. Es diese Landschaft mit seiner Einsamkeit, seinen Wäldern und Seen, aber auch den Hinterlassenschaft des industriellen Erzabbaus, welche der Autor vor allem im ersten Drittel seiner Novelle so treffend aus den Augen von Auswanderern charakterisiert.
Seit dem Jahr 2000 hat Wickenhäuser neben inzwischen fünf „Perry Rhodan Neo“ Romanen mit dem Jugendroman „Die Drachen kommen“ das Thema Wikinger sowie dem historischen Roman „Die Magie des Falken“ seine Passion für die Geschichte freien Lauf gelassen.
„Järgngard“ lebt sein von der Affinität des Autoren zu Schweden. Rainer und Annalisa wollen den typischen Auswandertraum leben. Sie haben sich ein altes verlassenes in den Wäldern gelegenes Haus gekauft und wollen von dort leben und arbeiten. Gleich am ersten Tag hat Rainer eine unheimliche Vision, er scheint ein Elchskelett in einer der zurück gelassenen Truhen erkannt zu haben.
Der Autor zeichnet ausführlich die Kontraste dieser Landschaft auf. Die Einsamkeit, die Idylle, Wälder und Seen. Auf der anderen Seite die vergessenen, mit Wasser vollgelaufenen Stollen, die oberirdischen Hinterlassenschaften des Erzabbaus und schließlich auch noch die Maschinen. Vor allem die Stollen ziehen den aktiven Höhlenforscher Rainer wie magisch an.
Einer der ersten Einkäufe in der kleinen Stadt in der Nähe – knappe zwanzig Kilometzer entfernt ist in Schweden immer noch Nähe – zeigt die Besonderheiten des schwedischen Lebens. Neben dem sündhaften teuren Alkohol nur gesalzene Butter und das Brot wirkt auch eher wie für Ewigkeiten konserviert. Mit ein wenig Humor und immer einem Augenzwinkern gegenüber den Lesern werden die kleinen Mühen einer Auswanderung kurz skizziert.
Der eigentliche Plot beginnt mit dem Fund eines verstörten Jungen am Straßenrand. Der Junge hat natürlich ein Geheimnis, das sich erst nach und nach offenbart.
Handlungstechnisch folgt der Autor in der zweiten Hälfte allerdings auch den Mechanismen des Genres. Natürlich muss sich Rainer wegen einer vergessenen Tasche von der Gruppe Einheimischer absetzen und des Nachts seinen Weg zurück finden. Mit einer entsprechenden Exkursion. Natürlich kommt es zu einer seltsam erotischen Anziehung zwischen dem Jungen und Annalisa. Am Ende sind auch die Dorfbewohner nicht unbedingt das, was man erwartet. Vielleicht die geringste Überraschung angesichts der wenigen agierenden Protagonisten.
Der Autor zieht bis zum feurigen Finale das Tempo deutlich an. Der Leser kann sich wie die Protagonisten nicht sicher sein, ob die Ereignisse real oder Visionen sind. Einzelne Szenen erscheinen bizarr. Wie der Kampf um die Glaskapillare am Ende einer erotischen Alptraumsequenz. Aber der Autor nimmt sich an einer Stelle Zeit, den mystischen Hintergrund zu erläutern und damit die Leser in diese nordische Sagen/ Mythenwelt einzuladen. Es gibt zwar am Ende noch einen kleinen Hinweis, der absichtlich das Geschehen verallgemeinern wie verharmlosen soll, aber dieser kommt angesichts der zahllosen „Fakten“ fast zu spät.
Es ist auch nicht unbedingt notwendig, in einer gruseligen Geschichte alles rational zu erklären. Aber Robert Phillip Wickenhäuser überfrachtet auf der einen Seite den Plot, auf der anderen Seite wie mit Rainers Überlebenskampf unter der schwedischen Erde wirkt vieles zu mechanisch, zu konzipiert als aus dem Moment heraus entwickelt. Damit verliert die Geschichte am Überraschungsmoment. Der Leser beginnt sich abseits des Handlungsstrangs zu oft von den eher nebensächlich eingestreuten Informationen ablenken zu lassen, auch die plötzlich aufkommenden irdischen Begierden wirken im Gesamtkontext der Novelle zu breit und zu plakativ aufbereitet. Unabhängig von der Tatsache, dass Wilkenhäuser als Autor in den beiden Momenten zu wenig Fingerspitzengefühl entwickelt und keine erotische Atmosphäre aufgebaut wird.
Fas offene Ende auf der einen Seite, der hektische Abschluss auf der anderen Seiten lassen den Leser zwar nicht im Regen stehend, aber irgendwie aus der Handlung geworfen zurück. Natürlich wollte der Autor den Plot schließlich geradlinig auf das spätestens in Variationen seit „The Wicker Man“ vertraute Finale zu laufen lassen, aber dem Ende fehlt der finale Kick. Vielleicht hat sich der Autor auch durch die zugrundeliegenden schwedischen Sagen unter Druck gesetzt gefühlt und versuchte deren Ideen in einer modern erzählten Novelle zu konsequent umzusetzen.
Zusammengefasst ist „Järgngard“ eine solide geschriebene, dank der persönlichen Erfahrungen des Autoren in Schweden auch gut hintergrundtechnisch recherchierte kurzweilige stimmungsvolle Unterhaltung , die inhaltlich an einigen Stellen vor allem in der zweiten Hälfte ein wenig zu mechanisch vorhersehbar im Groben, aber nicht den zu wenig extrapolierten Details abläuft.
P. Machinery, Paperback
96 Seiten