Unter den mehr als vierhundert Perry Rhodan Planetenromanen gibt es nur wenige Kurzgeschichtensammlungen. Und unter diesen wenigen Storyanthologien auch nur eine Handvoll, in denen ein Autor ein Thema aus verschiedenen Perspektiven betrachtet hat. Ernst Vlcek sollte mit „Die dunklen Jahrhunderte“ auch in dieser Hinsicht einen Meilenstein setzen.
Arndt Ellmer versuchte sich im Dezember 1980 mit der Sammlung „Weg in die Unendlichkeit“ am 36. Jahrhundert, als für die damalige Zeit der Perry Rhodan Serie die Menschheit einmal die Erde verlassen musste, um dann innerlich verändert wieder zurückzukehren und festzustellen, dass sich auf menschlicher Seite nicht viel innerlich verändert hat.
„Wege in die Unendlichkeit“ stellte Arndt Ellmers Debüt im Rahmen der Perry Rhodan Planetenromane dar. Insgesamt sechs Kurzgeschichten unterschiedlichen Inhalts hat der gebürtige Wolfgang Kehl zusammengestellt.
„Im Reich der Kaiserin“ ist dabei der humorige Beiträge. Im Auftrag der Kaiserin von Therm ist Perry Rhodan mit seinen Getreuen im Reich der Feyerdaler unterwegs. Bei einem erfolgreichen Abschluss der Mission soll Perry Rhodan die Koordinaten der Erde erhalten. Bei der Landung auf dem Planeten namens Pech- strähne geht allerlei schief. Humor ist nicht unbedingt Arndt Ellmers originäre Stärke. Der Plot ist zu kurz, um sich wirklich zu entfalten, Gucky findet die Pointe viel zu schnell und dazwischen präsentiert der Autor einige wenige Szenen, die Slapstick Humor enthalten, aber konstruiert erscheinen.
Sehr viel besser ist die zweite Geschichte „Die Heimkehrer“. Die Menschheit ist bereit, die entvölkerte Erde wieder für sich zu erobern. Vom Planeten Gäa brechen nicht nur Menschen, sondern ganze Firmen auf. Eine clevere Diebesbandes versucht von den Heimkehrern zu profitieren und die gestohlenen Waren/ Maschinen an Firmen auf der Erde zu verkaufen. Auf der Erde haben die ehemaligen Besitzer von Immobilien das Problem, dass ihre Häuser wie nach der Wende besetzt sind und die neuen Bewohner die Eigentümer nicht anerkennen. Arndt Ellmer baut mit dem Mutanten Boyt Margor noch eine zweite Handlungsebene ein. Dieser wirkt aber zu stark konstruiert und nimmt den beiden anderen Spannungsbögen die Luft zum Atmen. Das Finale findet in einem der besetzten Häuser statt und wäre ausreichend gewesen, um diese anfänglich bizarre Geschichte zufrieden stellend abzuschließen.
Die Titelgeschichte „Weg in die Unendlichkeit“ berichtet von der Übergabe der SOL an die Solaner und den zwischen den Terranern und den an Bord des Fernraumschiffs geborenen Solanern, die teilweise groteske Züge angenommen haben. Eifersüchteleien, Eitelkeiten und schließlich auch Herrschaftsansprüche. Arndt Ellmer konzentriert sich in dieser Geschichte nicht nur auf die Nebenfiguren, sondern beschreibt, wie schwer es Perry Rhodan fällt, sich vom Fernraumschiff zu trennen, ohne die Gewissheit zu haben, dass die Solaner dem Schiff auch würdig sind. Diese sehen es ganz anders und wollen sich nur trennen. Die Novelle ist ausgesprochen kompakt und viele Ideen können nur angerissen werden. Aus heutiger Sicht wirkt der Text wie ein Zeitraffer aus einer der besten, wichtigsten und mit Willy Voltz immer in einem engen Zusammenhang stehenden Epochen der Serie. Es ist typisch, dass eine neue Art der Schule den Übergang vom Alten zum Neuen symbolisiert. Die Loslösung von den typischen Unterrichtsklischees und der Idee, im Stellarium eins mit dem Universum zu werden. Neben der dreidimensionalen Charakterisierung einer Reihe von noch heute bekannten Nebenfiguren schafft es Arndt Ellmer, die Besonderheiten des Fernraumschiffs dem Leser noch einmal oder damals immer wieder vor Augen zu führen. Auch wenn das Ende der Geschichte wie ein Abschied wirkt, wissen die Leser inzwischen, dass sich die Pfade der Solaner und der Terraner in der langen, damals noch zu schreibenden Zukunft immer wieder kreuzen werden.
„Der Hobby- Basar“ könnte bis auf das nihilistische Ende eine weitere Humoreske sein. Die Versorgung vieler Planeten ist im Jahre 3587 und zwei Jahre nach dem Abzug der Laren weiterhin instabil. Vor allem die Agrarplaneten sind auf neue Maschinen angewiesen, um die Ernte einzubringen und andere Welten zu versorgen. Die Springer haben diese abgeschieden gelegenen Welten geplündert. Arndt Ellmer schildert das karge Leben auf dem Planeten Woomera. Anscheinend sind die Bestellungen von landwirtschaftlichen Maschinen ins Nichts gelaufen. Julian Tifflor hat aber eine brillante Idee und schaltet mit dem Hobby- Basar zwei Unternehmer ein, die auf eine zumindest in der Gegenwart bekannte Idee setzen. Damit ist zumindest für kurze Zeit die existentielle Grundlage verschiedener Planeten gerettet. Allerdings fragt sich der Leser, wie diese wahrscheinlich in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts im Entstehen begriffene Idee über die Jahrtausende verschüttet gegangen sein könnte. Stellt sie doch neben der Autarkie der eigenen Industrie eine der besten Möglichkeiten dar, Maschinen über Entfernungen zu transportieren. Der Spannungsaufbau der Geschichte ist fast phlegmatisch, die Lösung wirkt wie eine „Deus Ex Machina“ Variante und kaum ist der Erfolg gesichert, endet der Text buchstäblich explosiv.
„Die Rückkehr des Zauberers“ bezieht sich auch auf eine wichtige Szene innerhalb des „Bardioc“ Zyklus. Arndt Ellmer beschreibt sie im Laufe des Spannungsbogens noch einmal, aber die tragischen Verwicklungen machen den Reiz der Anekdote aus. Ein kleiner Junge auf einem abgeschiedenen Planeten muss erkennen, dass seine Mutter hinsichtlich des Schicksals seines Vaters gelogen hat. Der Versuch, seine Weste nicht unbedingt rein zu waschen, aber in dessen Fußstapfen zu treten, endet auf eine tragische Art und Weise. Arndt Ellmer versucht auf eine Verurteilung der einzelnen Protagonisten. Die Mutter steht vor einer schwierigen, fast unmöglichen Entscheidung. Die Idee des Zauberers war in der zugrunde liegenden Sequenz notwendig. Es ist eine der wichtigen Entscheidungen, die Perry Rhodan zum Wohle der Menschheit und gegen die langjährigen Freunde treffen muss.
Die letzte Geschichte ist gleichzeitig auch die letzte Mission der beiden Mutanten Dalaimoc Rorvic und Tatcher a Hainu. „Erinnerungen an die Erde“ ist ein roter Faden, der die Sammlung durchzieht. Die beiden so exzentrischen Charaktere sollen vordergründig die mehrdimensionale Strahlung in einem Sonnensystem erkunden. Am Ende treffen sie auf eine verfremdete Erde. Oder handelt es sich bei dieser Mission um viel mehr. Rorvic und a Hainu sind Protagonisten, welche die Leserschaft stets gespalten haben. Klamauk oder notwendige Ergänzung des aus talentierten Exzentrikern bestehenden Mutantencorps. Wahnsinn als Methode, Improvisation als Plan und die geheimnisvolle Kaffeekanne als Allzweckwaffe. Arndt Elmer macht in seiner Geschichte die Figuren noch einmal lebendig. Kaum ist der Leser von ihrem selbst zerstörerischen Verhalten angenervt, öffnet sich der kosmische Vorhang ein letztes Mal. Wie es sich für die Geschichten der beiden Mutanten gehört, wechselt Arndt Ellmer die Perspektive und lässt das Geschehen ausschließlich aus der intimen Ich- Perspektive sich entwickeln. Natürlich aus der Perspektive a Hainus. Eine Reihe von grotesk erscheinenden Szenen wie der plötzlichen Verwandlung seines Vorgesetzten in eine Art graue Masse werden relativ schnell wieder aufgelöst und sollten wahrscheinlich eine passende Hommage auf die besten Geschichten der beiden Unzertrennlichen darstellen. Das Tempo der Story ist ausgesprochen hoch. Eine Vorarbeit ist nicht notwendig, da alle Leser dieser Epoche die beiden aus ihrer Sicht wichtigsten Mitglieder des Mutantenkorps kannten und liebten (oder hassten).
„Erinnerungen an die Erde“ schließt diese Storyanthologie auf eine melancholischen Note. Zu viele lieb gewonnene Charakter hat die Serie in diesen Augenblicken verloren. Aber wie die anderen Texte dieses besondern Planetengeschichtenbandes zeigen sie die detaillierte Auseinandersetzung des Jungautoren mit einzelnen, aus seiner Sicht nicht ausreichend behandelten Aspekten der Serie und den Versuch, ohne das Gesamtkonstrukt zu unterminieren einzelne Schicksale ausführlicher, emotionaler und vor allem persönlicher zu beschreiben. „Weg in die Unendlichkeit“ ist ein guter Einstieg in das „Perry Rhodan“ Universum für Arndt Ellmer gewesen. Die einzelnen Geschichten fügen sich gut ineinander, auch wenn an keiner Stelle ein Handlungsfaden in die nächste Geschichte fortgeführt wird. Durch den ungewöhnlichen Aufbau ragt „Weg in die Unendlichkeit“ positiv aus der Masse der Planetenromane zusätzlich heraus.
Pabel Verlag
Taschenbuch, 160 Seiten