Herausgeber Robert na´Bloss schreibt in seinem Nachwort, dass es in „Pyromania“ nicht nur um Military Science Fiction Geschichten oder vielleicht sogar indirekt kriegsverherrlichende Storys geht, sondern wie der Untertitel deutlich ausdrückt, um Texte, bei denen nur ein guter Grund einen guten Krieg gibt. Ein längerer Text in Romanlänge konnte für die Anthologie nicht berücksichtigt werden.
Dabei spielt es keine Rolle, ob die Geschichten abgeschlossen sind oder nicht. Die Ausgangsprämisse ist wichtig. Allerdings hat der Herausgeber dann Gnade walten lassen, denn in vielen Texten spielt der Kriegsgrund erstens keine Rolle oder zweitens gibt es noch keinen richtigen „Krieg“.
Die „Story Center“ Anthologien haben teilweise eine etwas längere Produktionsphase. Daher sind von den zwölf Geschichten inzwischen drei Texte in anderen Anthologien bzw. „Nova“ teilweise vor einigen Jahren erschienen.
Detlef Klewer eröffnet mit einem Nachdruck den Reigen. Der Titel „Mammons Diener“ ist Programm. Es wird das Schicksal zweier Söhne unterschiedlicher Familien geschildert, die sich aus unterschiedlichen Gründen gegen die Eltern wenden und schließlich am Ende des Plots zusammenkommen. Der Autor spannt einen breiten Bogen mit dem konstruierten Beginn die Auseinandersetzung und endet im Schützengraben. Technologische Entwicklungen werden unterminiert, weil das Geld fließen muss. Dabei präsentiert der Autor nicht unbedingt neue Ideen, sondern greift auf zentrale Punkte der antimilitärischen Literatur zurück. Auch die Schicksale der beiden jungen Männer lassen sich frühzeitig erahnen, wobei vor allem die Handlung des Sohns aus reichem Hause nicht gänzlich schlüssig erscheinen. Ein anderer Weg wäre zielführender gewesen.
Markus Cremers „Notruf von Varietas“ überzeugt eher durch den exzentrischen Hintergrund mit Raumpiraten, von „Segeln“ angetriebenen Raumschiffen und schließlich der Notlandung auf einem besonderen Planeten als der eigentlichen Handlung, die zu wenig Momentum entwickelt. Es sind die vielen kleinen Bemerkungen, beginnend mit der besonderen Flaschenpost, welche die Story ansprechend begleiten und aus denen sich wahrscheinlich eine umfangreichere Novelle oder vielleicht sogar ein Roman ableiten lassen könnte.
Auch Paul Sankers „Des Elfenkönigs Kinder“ ist eine Kurzgeschichte, die in dieser Form nur mit sehr viel gutem Willen des Lesers funktioniert. Eine bahnbrechende Erfindung von Forschern auf einem der Monde führt schließlich zu einer fatalen Kettenreaktion, deren Ende der Leser viel früher erkennt als die Charaktere. Vor allem die unsinnigen Handlungen des Herrschers und seiner eigenständig wie naiv handelnden Besatzung ermöglichen erst die Pointe.
„Planet Null“ von Michael Rosploch präsentiert auch eine Bedrohung, die nicht mehr unter Kontrolle gehalten werden kann. Der Autor öffnet das Spektrum seiner Handlung relativ schnell, was den Plot hektisch erscheinen lässt. Die Ausgangsbasis ist nicht unbedingt originell oder innovativ, sondern wurde im Genre schon mehrfach verwandt. Aber durch die familiären Beziehungen der Charaktere untereinander wird der Leser effektiver in das Geschehen einbezogen.
Die Titelgeschichte „Pyromania“ von Stefan Lochner und Petra Gugels „Heimweh“ präsentieren ihre Plots in einem eher ambivalenten, teilweise humorvollen Stil. Beide Geschichten wirken aber nicht konsequent genug entwickelt. Stefan Lochners Protagonist soll die Wurzeln eines Konfliktes untersuchen, obwohl er lieber als Schmuggler und Pirat sein Geld verdient. Diese Idee wird im Laufe der tempotechnisch hohen, aber mit nicht immer zutreffenden flapsigen Dialogen ausgestatten Novelle hin und her geschoben. Der Running Gag sind zwei attraktive Polizistinnen mit sechs Armen, die später ihr Raumschiff zur Verfügung stellen. Der Verlust der eigenen Crew wird aber abgestreift. Petra Gugels Story leidet unter den wenig zugänglichen Protagonisten. Der Auftakt erscheint ein wenig schwerfällig und die eigentliche Handlung wirkt vor allem im letzten Abschnitt bis auf die Pointe konstruiert. Dafür sind ihre Dialoge natürlicher und ihr gelingt es auch, das vom Herausgeber angeblich eingeforderte Konzept von Ursache sowie Wirkung besser umzusetzen als Stefan Lochner, der improvisierend von der Leber her weg eine Weltraumklamotte niedergeschrieben hat, die aber teilweise nicht lustig wirkt und damit ihre Wirkung verfehlt.
Eine er besten Geschichten der Anthologie ist „Jatronisches Gambit“ von Enzo Asui. Der Auslöser eines Krieges – ein Rohstoffembargo, das nicht die gewünschte Reaktion auslöst – wird genauso beschrieben wie die Arroganz der scheinbar Übermächtigen. Die Pointe ist vielleicht ein wenig zu früh zu erkennen, aber bei einer Kurzgeschichte ist es auch schwer, falsche Spuren zu legen.
Wiebke Pfohls „Atemluft“ komprimiert einige Ideen auf sehr wenig Raum. Dabei nutzt die Autorin eine Reihe von Klischees des Genres, beschreibt auch einen Pakt, der plötzlich aus dem Ruder läuft und präsentiert mit dem offenen Ende im Grunde eine Ausgangsbasis für weitere Geschichten. Die Spannungskurve leidet ein wenig unter der Kürze des Textes.
Nele Sickel setzt sich in „Vaterland“ nicht nur mit der zu leichten Verklärung von kriegen durch die Kinder auseinander, sondern folgt dem Tenor der Anthologie, in dem sie den Ursprung der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen den Menschen und den von der Erde vertriebenen Erkrankten ausführlich beschreibt. Wechselnde Perspektiven geben den Lesern einen besseren Überblick über das ganze Geschehen, wobei die Ausgangsperspektive des Plots ein wenig zu ambitioniert erscheint. Der Erkrankung ist zu einfach beschrieben, die wirtschaftlichen Folgen angesichts des gewählten Weges zu ambitioniert und vor allem zu wenig nachhaltig ausgearbeitet.
„Die ewigen Töne“ von Marlin Gerritt ist eine komplexe Geschichte, die durch den distanzierten Stil und ohne Dialoge auskommend basierend auf Missverständnissen zwischen zwei verschiedenen Völkern. Die Autorin zeigt Aktion und Reaktion auf. Die zeitliche Abfolge durch die gigantische Entfernung zwischen den beiden Sonnensystemen wird mit fehlender Dynamik beschrieben. Die Pointe impliziert plötzlich Möglichkeiten, die rechnerisch eher unwahrscheinlich erscheinen, aber den stoisch naiven Dickkopf der Menschen unterstreichen sollen.
Der sperrige Stil wirkt kontraproduktiv und die fehlende Balance aus Inhalt und erzähltechnischer Dynamik in Kombination mit einigen heute nicht mehr originellen Ideen verschenkt die wirklich überzeugende Ausgangsidee. Eine komplette Neuüberarbeitung in Form einer Novelle oder besser noch eines Romans würde den ewigen Tönen gerechter werden.
Der erste Nachdruck aus "Nova" stammt aus der Feder Victor Bodens. Die Geschichte erschien in der Nummer 28 unter dem Titel "Das Subradesaster". In "Pyromania" wird der Text unter dem ursprünglichen Titel "Anonyme Desaster" veröffentlicht. Der Plot beginnt humorvoll exotisch, bevor der Tenor dunkler wird. Ein Botschafter der Erde muss auf einem sehr lebensfrohen Planeten eine Mission erfüllen. Auf dieser Welt gibt es keine Geheimnisse, alles wird offen gelegt. Das kann der Erde mit ihrer paranoiden Geheimniskrämerei nicht gefallen. Aktion und Reaktion wirken gegen Ende ein wenig zu stark konstruiert, aber der Autor baut eine süffisante Pointe ein, die nicht nur den arroganten Protagonisten trifft, sondern aufzeigt, dass die Fremden öfter klüger sind als Mensch glaubt.
Ein weiterer Nachdruck schließt „Pyromania“ ab. Auf seiner Homepage hat Marc Späne von der Ausschreibung für diese Anthologie berichtet und die Erstveröffentlichung erfolgte aufgrund der Verzögerungen zuerst in „Nova“ 26. Es handelt sich um einen unterhaltsamen Text mit einem bitterbösen, vielleicht ein wenig zu stark konstruierten Endes. Ein vermeintlicher Flaschenöffner wird während eines Empfangs herumliegend mit genommen, vielleicht sogar gestohlen. Diese Entwendung löst eine diplomatische Krise zwischen der Erde und der neuen Erde aus, die sich kontinuierlich hoch schaukelt. Aufgrund der Konzeption des Textes ist das Ende wenig überraschend und folgerichtig. Die Dialoge sind köstlich, die Verzweiflung des betroffenen Crewmitglieds wirklich greifbar, aber Marc Späni versucht zu viel Handlung auf zu wenig Raum zu verteilen, so dass der ganze Text ein wenig zu distanziert erscheint.
Nicht alle Geschichten handeln von Weltenbränden, intergalaktischen Kriegen oder den entsprechenden Wurzeln der Konflikte. Daher wirkt das Spektrum sehr viel breiter und ansprechender als vom Herausgeber prognostiziert. Beginnend mit einem schönen Titelbild Lothar Bauers ist das dritte „Story Center“ des Jahres 2020 inhaltlich ein wenig schwächer als „Nummern“ und „Kaltes, klares Wasser“, aber trotzdem zeigt die Anthologie das Potential der themenbezogenen „Story Center“ Ausgaben auch in der Zukunft.
Robert na’Bloss (Hrsg.)
PYROMANIA. DAS WELTENBRENNEN
Nur ein guter Grund gibt einen guten Krieg
Story Center
AndroSF 112
p.machinery, Winnert, August 2020, 252 Seiten, Paperback
ISBN 978 3 95765 195 2 – EUR 15,90 (DE)
E-Book: ISBN 978 3 95765 893 7 – EUR 7,99 (DE)