Ewig und ein Tag

Anthony Horowitz

In seinem Nachwort spricht Anthony Horowitz von Ian Fleming fragmentarisches Vorlage für eine nicht realisierte James Bond Fernsehserie, welche der Autor geschickt in diesen im Grunde allerersten 007 Roman, aber nicht notwendigerweise in das erste chronologische James Bond Abenteuer eingebaut hat. Auch bei seinem James Bond „Trigger Mortis“ hat Horowitz auf nicht veröffentlichte Fragmente Ian Flemings zurückgreifen können.

Es handelt sich bei „Forever and A Day“ auch nur bedingt um ein Prequel zu „Casino Royale“. Es gibt keine Notwendigkeit, dass nicht mehr Abenteuer zwischen „Forever and A Day“ und „Casino Royle“ spielen können. Im Prolog erhält James Bond die Lizenz zum Töten, zusätzlich wird erklärt, warum er sich die „007“ im Grunde ausgesucht hat. Die Grundvoraussetzungen hat Daniel Craig schon im Prolog zu „Casino Royle“ erklärt. Neben der überragenden Ausbildung muss ein Agent seiner Majestät zwei Menschen töten. Zwei Aufträge erfolgreich ausführen.

 Ausgangspunkt von „Forever and A Day“ ist der Mord an einem britischen Agenten aus der Doppelnullabteilung an der französischen Riviera. Anscheinend kannte er seinen Mörder, denn er ist aus nächster Nähe erschossen worden. M schickt James Bond auf seine erste Mission. Er soll den Mord aufklären und im Grunde auch rächen. Ein Schlüssel könnte die geheimnisvolle attraktive Sixtine sein, die im Zweiten Weltkrieg für die Briten gearbeitet hat, inzwischen aber als Freiberuflerin finanziell unabhängig geworden ist.

 Noch mehr als bei „Trigger Mortis“ hat Anthony Horowitz eine sehr undankbare Aufgabe. Jeder Menschen auf der Welt scheint James Bond zu kennen und sein erster Auftrag wird wie alle anderen Missionen unter einer Prämisse leiden. Egal wie stark man ihn bedroht oder wie schwierig/ aussichtslos die einzelnen Situationen sind, James Bond wird und muss überleben. Viele weitere Aspekte seiner Persönlichkeit sind Literatur- und Kinogeschichte. Daher muss der Autor auf eine subtile Art und Weise die einzelnen markanten Züge in die Geschichte einflechten, ohne das Tempo zu vernachlässigen.

 Aufmerksame Kinogänger werden spätestens ab der Mitte des Buches an jemand ganz anders denken. Chow Yun Fat aus der „A Better Tomorrow” Trilogie. John Woo hat diesen charismatischen Grenzgänger zwischen im Grunde eigener Ordnung und Gewalt in zwei Filmen etabliert. Im dritten Teil „Love and Death in Saigon“ wird schließlich von den Fans nicht unbedingt unumstritten vom Produzenten der ersten beiden Filme im Regiesessel Tsui Hark dessen Vorgeschichte erzählt. James Bond wie auch Chow Yun Fat werden von charismatischen Frauen angelernt. James Bond natürlich auch im Bett. Sie übernehmen viele Aspekte dieser interessanten Frauen in ihrem späteren Leben. Es ist eine besondere Art, ihnen und ihren jeweiligen Rollen Respekt zu zollen. Daher ist das Ende des vorliegenden Buches keine Überraschung, sondern nur konsequent. Es ist nur die Frage, welche Dinge James Bond für seine späteren Missionen, aber auch seinen Lebensstil übernehmen wird.

 Aus dem inzwischen umfangreichen James Bond Kanon hat Anthony Horowitz eine andere Idee entliehen und quasi in die fünfziger Jahre mit dem langen Schatten des Zweiten Weltkriegs zurück transportiert. Ian Fleming hat eine vergleichbare Idee in „Leben und Sterben lassen“ entwickelt.

 Der Weg dahin wird im Grunde durch zwei Antagonisten gekennzeichnet. In klassischer Ian Fleming und damit auch Kinomanier ist der korsische Gangster Scipio ein Freak. Sein Körper ist gigantisch, aufgeblasen durch einen Angriff in seiner Jugend. Er ist brutal und rücksichtslos. Im Gegensatz allerdings zu den vielen Verfilmungen und einigen von Ian Flemings Romanen erscheint seine narzisstische Persönlichkeit und sein Hang, nicht nur Warnungen auszuteilen, sondern auch erst beim zweiten Mal die Gegner auszuschalten, geplant. Anthony Horowitz liefert im Epilog eine überzeugende Erklärung und glättet dadurch eine Reihe von konstruiert erscheinenden Passagen.

 Sein zweiter Gegner ist der Millionär Wolfe. Er hat seine beiden Söhne im Zweiten Weltkrieg an einem Tag verloren, sein Vermögen hat er aber in Film gemacht. In Filmmaterial. Es ist fast schade, dass die Konfrontationen zwischen James Bond und Wolfe sich auf Machogeplänkel in Wolfes südfranzösischer Villa beschränken. Er scheint die treibende Kraft bei einem perfiden Plan zu sein. Positiv ist zusätzlich, dass Anthony Horowitz die Geschichte wieder auf die schurkischen Pläne der sechziger und siebziger Jahre zurückführt, während der Leser angesichts der wirklich überdeutlich platzierten Hinweise mehrfach in eine ganz andere im Grunde terroristische Richtung denkt.

 Der Plot ist klassisch strukturiert. Mehr oder minder unauffällig schleicht sich James Bond manchmal ein wenig tapsig an die beiden Feinde heran. Madame Sixtine ist dabei eine helfende Hand, auch wenn sie anscheinend mit Wolfe liiert ist. Während des Showdowns, der wirklich spektakulär ist, übernimmt James Bond wieder die instinktive und improvisierte Kontrolle, aber auf dem Weg dahin ist es die mit Humor und vor allem Sex Appeal ausgestattete Frau, welche den zukünftig besten britischen Agenten in den Schatten drückt. Das beginnt bei ihrer ersten absichtlichen Begegnung im Casino. James Bond studiert sie und ihr Spiel, um plötzlich von einer weiteren Wendung überrascht zu werden. Gegen Ende erscheint diese Szene ein wenig konstruiert, da die Casinos vor allem an der französischen Küste Madame Sixtine kennen müssten. Erweitert wird diese erste Begegnung noch um einen früheren Einsatz James Bond, der auch übertrieben erscheint. Es ist schließlich auch Madame Sixtine, welche James Bond das Leben rettet.

 Die anschließenden verschiedenen Actionszenen inklusiv zweier Gefangennahmen sind gut geschrieben worden. Routiniert wechselt der Autor das Tempo. Wie bei Ian Fleming sind die zusätzlichen Erklärungen weder belehrend noch lähmen sie den Handlungsverlauf. Sie dienen dazu, den normalen Lesern die Marotten der Oberschicht und ihre dekadenten Spiele zu erklären. Das Finale ist dagegen überzeugend und glaubwürdig. Der Weg dahin ist voller kleiner Triumphe, aber auch Tragödien.

 In einem Punkt kehrt Anthony Horowitz aber zu den frühen Ian Fleming Romanen zurück. James Bond ist ein absolutes Werkzeug der Krone, dessen Mission es ist, Menschen zu töten und nicht unbedingt Gerechtigkeit walten zu lassen. Es wird deutlich gemacht, das diese Menschen den Tod verdienen. Im Epilog schließt sich der Kreis, in dem James Bond zum ersten Mal ohne die Sanktion seines Chefs handelt, um einen Fall endgültig abzuschließen. Spätestens in diesem Moment ist aus dem jungen Bond die bekannte Killermaschine geworden. Allerdings gibt es auch andere Momente. James Bond hat Mitleid mit Unschuldigen, die auf oder durch seine Missionen ums Leben kommen. Er kann zwischen „gut“ und „böse“ noch differenzieren, wobei vor allem auch die Argumente Ketten der betreffenden Personen im Grunde pervertierte Interpretationen der historischen Möglichkeiten, wenn auch nicht immer Wahrheiten sind.

 „Forever and A Day“ ist ein überwiegend kurzweiliges frühes James Bond Abenteuer, das sich mehr an die markanten Ian Fleming Romane ohne dessen rassistische Entgleisungen anlehnt und auf der einen Seite gut den jungen ungestümen James Bond einführt, auf der anderen Seite aber auch nachhaltig aufzeigt, dass dieser Bond für sein Alter schon entsprechend weit ist. Exotische Hintergründe wie die französische Riviera zu einer Zeit, als dort ausschließlich die Reichen und Mächtigen gastierten; zwei charismatische aber auch sehr unterschiedliche Antagonisten und eine faszinierende erfahrene Frau an der Seite des britischen Agenten, die in vielen Punkten durch ihr Lebenserfahrung, aber auch Entschlossenheit den jungen James Bond die Shows stiehlt. Das mag Zufall sein, aber es ist der Schuss Würze, der „Forever and A Day“ zu einem der besten neuen James Bond Romane seit John Gardners lange zurückliegenden Zeiten macht.

  • Taschenbuch: 400 Seiten
  • Verlag: Cross Cult; Auflage: 1 (2. Dezember 2019)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 386425759X
  • ISBN-13: 978-3864257599

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