Das Sternentor

Stephen Robinett

„Das Sternentor“ von Stephen Robinett hat nichts mit der bekannten Fernsehserie oder Emmerichs Films zu tun. Auch wenn die Idee eines Tor zu den Sternen als Alternative zur bemannten Raumfahrt eine relevante Rolle spielt. Der 1941 in den USA geborene Robinett hat seit 1969 vor allem technisch orientierte Kurzgeschichten mit einem Schwerpunkt beim „Analog“ Magazine veröffentlicht. Neben „Das Sternentor“, dessen Neuauflage der Apex Verlag gerade veröffentlicht hat, erschien im Heyne Verlag noch „Ein Mann mit Verantwortung“, der allerdings eher wie ein illusterer Episodenroman daher gekommen ist.

 Eine gekürzte Version des Buches erschien ebenfalls im „Analog“ Magazin, allerdings noch unter dem Pseudonym Tak Hallus. Auch wenn Stephen Robinett auf eine Reihe von Pseudonymen zurückgegriffen hat, ist um sein Werk nicht zuletzt aufgrund seines frühen Todes mit Anfang sechzig auf eine Handvoll von Romanen mit nur den beiden oben erwähnten Arbeiten als Übersetzung sowie mehr als zwei Handvoll Kurzgeschichten beschränkt.

 „Stargate“ sollte wahrscheinlich noch weiter zu einem ganzen Zyklus ausgebaut werden. Das Ende – um vorweg zugreifen – bietet entsprechende Möglichkeiten an. Es ist aber auf der anderen Seite auch relativ konsequent und basiert wie viele seiner Arbeiten auf einer wissenschaftlichen Erklärung, welche den spannungstechnischen Aufbau bis dahin relativiert.

 Die Grundidee könnte eine Variation der Transporter aus der „Star Trek“ Serie sein. Dabei spielt die Geschichte bis auf die angesprochenen Raumschiffe und den Transmitter nahe an der Gegenwart. Es gibt zwar eine Raumstation im Orbit, aber aus heutiger Sicht entspricht diese eher der internationalen Raumstation als manchem futuristischen Gebilde. Mittler ist mit Robert Collins ein ganz gewöhnlicher Mensch. Gerade hat er seinen Job verloren und will die Verlobung auflösen,  da er sich nicht mehr in der Lage sieht, seine holde Jura studierende Braut angemessen zu ernähren.

 Ein ehemaliger Kollege verschafft ihm quasi einen gigantischen Posten. Er soll an einer der geheimnisvollsten und dabei auch modernsten Erfindungen der Menschheit – dem angesprochenen Sternentor basierend auf der Jensontechnik – nicht nur mitarbeiten, er soll die Gruppe nach dem geheimnisvollen Tod des wichtigsten Kopfes leiten. Die Technik wird den Lesern in einem erstaunlich pragmatischen, fast distanziert sachlichen Ton vorgestellt. Mit den Jenson Toren kann die Menschheit zumindest den Raum überwinden und quasi mittels Teleportation fremde Welten plündern. Das macht die gigantischen wie langsamen Frachtschiffe überflüssig.

 Robert Collins soll und muss das Projekt zu Ende führen, steht aber gleichzeitig zwischen zwei konkurrierenden Firmen und ihren exzentrischen Chefs. Die Spannungskurve ist lange Zeit relativ gleich. Die Frage nach dem Schicksal seines Vorgängers wird eher ambivalent behandelt, wobei die einzelnen Szenarien beginnend mit einem Arbeitsunfall über einen Autounfall mit Fahrerflucht und dem Diebstahl der Leiche sogar spannender sind als der technische Hintergrund. Stephen Robinett agiert eher ambivalent und belässt es bei Andeutungen. Dadurch wirkt dieser Handlungsbogen auch nicht abschließend genug entwickelt und die Spannung greift nicht auf die Haupthandlung über. Anstatt wie ein Spionage und vielleicht auch Sabotagethriller zu erscheinen, versucht der Autor in diesem einen Punkt auf zu vielen Hochzeiten zu tanzen.

 Am Ende soll er die Erde und das Sonnensystem retten, wobei das Sternentor selbst nur eine mittelbare Gefahr darstellt, sondern die Nutzung und Ausbeutung von anderen Welten, Sonnensystemen oder Pulsaren zu weit hergeholt erscheint. Mit seinem sachlichen Stil zeigt der Autor die entsprechenden Szenarien und anschließend in der eher intellektuellen Theorie die möglichen Folgen auf. Das Finale entpuppt sich anschließend auf einem erstaunlich einfachen Grund als Seifenblase. Dabei wird der Held vor ein moralisches Problem gestellt. Um das Sonnensystem zu retten, muss er in der Praxis den Schurken erschießen. Dazu kann er sich nicht überwinden, was folgerichtig das Ende des menschlichen Lebens bedeuten würde. Es wäre ein passendes Finale, aber Stephen Robinett hat ein wenig Mitleid mit seinem „Helden“ und fügt dem finalen Showdown die Naturwissenschaft hinzu. Trotzdem durchdenkt der Autor sehr konsequent Ursache und Wirkung. Er versucht einen originellen, aber auch pragmatischen Abschluss zu präsentieren, der die Chancen und Risiken des „Sternentors“ gegenüberstellt. Außer acht gelassen wird aber die Tatsache, das auch der normale Abbau mittels der gigantischen Raumschiffflotten im All deutlichen Gefahren in sich bürgt. 

 Damit soll aber nicht ausgedrückt werden, das „Das Sternentor“ kein mit Einschränkungen ungewöhnlicher oder spannender Roman ist. Manches erinnert an die Fernsehfilme der Woche des amerikanischen Fernsehens mit einer klassisch durchgeplanten Dramaturgie und einer Reihe von Nebenfiguren, denen der Erzähler, der Protagonist stellvertretend für die Leser oder Zuschauer begegnen muss.      

 Die Stärke des Buches liegt in der teilweise minutiösen, dann wieder oberflächlich pragmatischen Charakterisierung der einzelnen Nebenfiguren, denen der Erzähler begegnet. Das Spektrum beginnt mit Scarlyn Smith, einem Erfinder von Heinlein´schen Dimensionen, der zwar schon im Unruhe stand ist, aber viel mehr über das Projekt weiß, als er offenbaren möchte. Seine Freundin agiert sehr realistisch. Anfänglich verständnisvoll, dann abweisend und schließlich hysterisch. Dabei reagiert sie im Grunde nur auf ihren Partnern und dessen Herausforderungen in einem Job, dessen Schuhe lange Zeit viele Nummern zu groß sind. Im Gegensatz zu vielen anderen Autoren, die ihre weiblichen Figuren überzeichnen, unterspielt Stephen Robinett diesen Aspekt sogar ein wenig. Das sie Jura studiert, ist eher eine Beimischung. In seinem zweiten Roman „Ein Mann mit Verantwortung“ wird Stephen Robinett einen nicht unbedingt zynischen, aber sehr pragmatisch impulsiv agierenden Anwalt in den Mittelpunkt der Handlung stellen. Beide Figuren erscheinen aus mehreren Gründen ausgesprochen realistisch.

Hinzu kommen Konzernchefs mit sehr unterschiedlichen Interessen oder „Raumpiraten“, denen es eher um die eigene Beute als ein Überleben der Menschheit geht. An einigen Stellen erscheinen diese Übermenschen fast zu skizziert als das sie realistisch sind. Höhepunkt dieser Welle ist ohne Frage Horace Merryweather, der gute Robert Collins  führende Patriarch. Er ähnelt vielleicht am ehesten den dominanten allwissenden und immer pragmatisch agierenden Protagonisten, die Robert A. Heinlein über viele Jahre in unterschiedlichen Variationen, aber in der Figur des Lazarus Long kumulierenden Figuren entwickelt hat.

 Der Plot entwickelt sich ausgesprochen ruhig. Stephen Robinett legt zuerst auf einen technisch überzeugenden Hintergrund Wert. Nicht nur die Einarbeitungsphase Robert Collins, auch die seltsame Suche nach einem „Vorgänger“ sind für einen geduldigen Leser ausreichende Spannungselemente, um das Interesse aufrecht zu erhalten, den Plot aber auch vielschichtig zu entwickeln. Am Ende greift der Autor auf einige eher cineastische Kniffe zurück, um die Handlung am Leben zu lassen und ignoriert einige wissenschaftliche Tatsachen. Aber zu diesem Zeitpunkt zählt auch eher die große allumfassende Bedrohung als die Rettung der Welt mittels Ignoranz des Autoren. Vielleicht schiebt er seinen Protagonisten abschließend zu sehr in die eher fatalistische Heldenrolle, aber Collins ist kein James Bond, sondern vor allem ein Techniker, der die Gefahren aufgrund seines Wissens erkennen kann und muss. Das er schließlich vor dem angesprochenen moralischen Dilemma steht, ist eher ein konsequenter Abschluss dieses geradlinigen Romans, der in Ehren gealtert erscheint.

 Der Autor kümmert sich weniger um moralische Fragen, sondern zeigt zwei unterschiedliche Arten und Weisen, die Rohstoffe dort draußen zum Wohle der Menschheit zu plündern. Wie jede spektakuläre Erfindung zieht es auch wie die Motten zum Licht Verbrecher an. Dieser Handlungsstrang erscheint eher wie ein notwendiges Klischee, aber „Das Sternentor“ ist im Gegensatz zu vielen anderen Science Fiction Geschichten hinsichtlich des grundlegenden Konzepts erstaunlich bodenständig. Die Protagonisten suchen nicht die Wunder dort draußen, sondern haben eine konkrete Mission. Das hebt den Roman aus der Masse vergleichbarer, aber deutlich abenteuerlichere angelegter Stoffe heraus. Stilistisch ein wenig sperrig, aber insgesamt durch die Kompaktheit auch heute noch gut zu lesen ist „Das Sternentor“ im direkten Vergleich zu „Ein Mann mit Verantwortung“ auf der einen Seite ambitionierter, aber unterhaltungstechnisch auch ein wenig distanzierter. Eine Wiederentdeckung ist der Stoff auf jeden Fall wert.        

DAS STERNENTOR - Der Science-Fiction-Klassiker! - Stephen Robinett

Apex Verlag

Sprache: Deutsch

ISBN: 9783748550518

Format: Taschenbuch

Seiten: 276