Steve Costigan- Seemann und Boxer

Robert E. Howard

Robert E. Howard hat sich immer hinter martialischen Posen und seinen heroischen Geschichten versteckt. Er träumte sich mehr und mehr in die Welt seiner überdimensionierten und nicht selten barbarischen, aber gerechten Protagonisten.  Obwohl er sich mit dreißig Jahren das Leben genommen hat, hinterließ er ein umfangreiches Werk in fast alle populären

Pulpgenres. Bislang haben vor allem die Boxergeschichten wenig Beachtung gefunden. Dabei hat Robert E. Howard seit 1929 insgesamt mehr Geschichten um Sailer Steve Costigan und seinen Begleiter – eine Bulldoge namens Mike – verfasst als bis auf „Conan“ um jeden anderen Protagonisten. Ein weiter wiederkehrender Protagonist in anderen Geschichten ist der

Seemann Dennis Dorgan.

 

Der Blitz Verlag veröffentlicht in diesem Sammelband die ersten fünf chronologisch publizierten Storys. Costigan ist eher eine der lustigen, aber niemals lächerlichen Figuren aus der Gegenwart, der an Bord eines alten Frachters als amtierender Schiffschampion vor die Meeres Asiens befahren hat. Immer stolz darauf, ein Amerikaner zu sein, aber niemals einem Streit aus dem Weg gehend. Die Geschichten erschienen in Magazinen wie „Fight Stories“, „Action Stories“ oder dem kurzlebigen „Jack Dempsey´s Fight Magazine“. Auch wenn die Texte inhaltlich abgeschlossen sind und Rückblicke in erster Linie aus subjektiven immer verbal vorgetragenen Anekdoten bestehen, bauen die Texte aufgrund der wiederkehrenden Nebenfiguren auch ein wenig aufeinander auf.

In der ersten Geschichte „The Pit and the Serpent“ (1929 veröffentlicht) aka „Manila Mansluaghter“ entwickelt Howard auch gleich den Rahmen für die meisten Texte. Sailer Steve Costigan wird in einen anschließend ausführlich beschriebenen Faustkampf verwickelt, der nicht selten in improvisierten Arenen stattfindet. In der ersten Story kämpft er gegen den Schiffsboxmeister an eines anderen Schiffes, da die beiden Männer das gleiche Mädchen wollen. Diese kann sich nicht entscheiden, also sollen die Fäuste Schicksal spielen. Der Kampf wird wie erwähnt ausführlich beschrieben, er ist brutal und blutig. Die Gegner sind Costigan nicht selten durch ihre professionelle Erfahrung – Berufsboxer – oder ihre Kondition überlegen. Es ist der schiere Wille, niemals verlieren zu wollen, welcher Costigan treibt und ihn mindestens ein Unentschieden erreichen lässt. Wenn er sich gegen Amerikaner zur Wehr setzt, dann endet der Kampf meistens mit einer relativen Achtung vor dem Gegner und einem Schütteln der Boxhandschuhe am Ende. Ein wenig zu patriotisch erscheint es, wenn sich am Ende von „The Pit and the Serpent“ die beiden Opponenten gegenseitig ihrer Stellung als Amerikaner versichern. In einem Meer von Gelben.

„The Bull Dog Breed“  aka „You got to Kill a Bulldog“ läuft im Grunde nach dem gleichen Muster ab. Nur tritt ein Franzose nach Costigans Hund. Dieser wird in der ersten Geschichte noch nicht erwähnt, aber hier scheint er schon seit vielen Jahren an Bord zu sein. Der Hund ist auch der Grund, dass Costigan von seinem Schiff vorerst abmustert, da es für ihn wichtiger ist, seinem Hund die Treue zu halten als auf einem Frachter zu arbeiten, auf dem dieser nicht willkommen ist. Auch hier nimmt der Kampf eine gewisse Breite der Geschichte ein. Wieder beschreibt Howard die Auseinandersetzung ausgebrochen realistisch, wobei Costigan übermenschliche Schläge einstecken kann und immer noch einen relativ lockeren Spruch auf den Lippen hat. Das Ende ist aber zwiespältiger. Zum einen wehrt sich parallel als Hinweis auf den Titel seine Bulldoge gegen einen überlegenen Wolfshund und besiegt den genauso wie Costigan aus diesem Kampf als Sieger hervortritt. Über seinen Gegner, den Franzosen erfährt er erst nach dem Sieg einiges. Wieder ist es der rohe Wille, der ihn erfolgreich sein lässt.

 Die Kehrtwendung am Ende hinsichtlich seiner Heuer wirkt ein wenig konstruiert, aber Howard möchte den inzwischen etablierten Background seiner Geschichten nicht zerstören.

Während die ersten beiden Geschichte in Manila spielen, kehrt Steve Costigan auf einem längeren Landgang in „Sailor´s Grudge“ aka „Costigan vs. Kid Camera“ in die USA im Allgemeinen und Los Angeles als Hauptstadt der Filmproduktion im Besonderen zurück. Wieder steht ein Mädchen als Ausgangspunkt im Mittelpunkt der Geschichte. Wie bei Howard typisch wird sich gleich überstürzt in das Mädchen verliebt. Nur hat ein Vormund etwas dagegen- Hinzu kommt, dass anscheinend ein Stuntdouble für einen Schauspieler am Set eines Boxerfilms etwas dagegen hat, das ein einfacher Seemann nach dem Mädchen greift. Wie Costigan gibt es nur eine Möglichkeit, er muss irgendwie sich auf das Set stehlen. Am Besten in der Rolle des Stuntmans, der mit dem Gegner vor laufender Kamera das Duell austragen soll.  Natürlich hält sich Costigan nicht an das Drehbuch oder den Regisseur. Es ist ein humorvoller Blick hinter die Kulissen des frühen Hollywoods. Der Kampf ist wieder extrem brutal, hinzu kommt, das die Angebetete in der ersten Reihe sitzt. Das Ende unterscheidet sich aber deutlich von den bisherigen Geschichten. Costigan wird in doppelter Hinsicht als Narr entlarvt, der nur seinem Dickkopf folgt und mehr Schaden anrichtet als er gut machen möchte. Wichtige Szenen müssen aus dem Film geschnitten werden und auch der potentielle „Schurke“ entpuppt sich als jemand anders. Hier stellt sich aber die Frage, ob Robert E. Howard für ein nicht unbedingt überzeugendes Ende nicht auch einen Teil der anfänglichen Exposition geopfert hat. 

 

In „Fist and Fang“ or „Cannibal Fists“ arbeitet die Ich- Erzählerstruktur gegen den Plot. Natürlich ist es interessant zu hören, dass Costigan dieses Mal einen Boxkampf gewinnen muss, um erschossen zu werden. Was hinter dieser lakonischen Bemerkung steht, wird der Leser am Ende einer abenteuerlichen Story erkennen, die nicht mit einem glorreichen Sieg des Boxchampion des Frachters endet. Auf Togo setzen sich Costigan und sein Kumpel zu einer nahe gelegenen Insel ab, wo sie auf einen alten Rivalen treffen, den Costigan in den USA im Ring blamiert hat. Dieser hat sich inzwischen an die Spitze eines wilden Stammes geschwungen und will sich an Costigan rächen. Dieser soll um die Art seines Todes boxen. Der Plot ist stringent und wie bei Howards Abenteuergeschichten laviert sich der Texaner am Rande des Rassismus entlang, in dem er die Amerikaner als überlegen darstellt, während die primitiven Wilden es nicht verdienen, selbst auf ihren Inseln zu leben. Der Boxkampf ist deutlich brutaler und intensiver als die Duelle in vielen anderen Costigan Geschichten, dafür ist das Ende auch martialisch. Zum ersten Mal siegt der Boxer nicht, sondern erhält aus zwei Ecken Hilfe in letzter Sekunde.

 

Die beste Geschichte unabhängig vom fast pathetisch theatralischen Ende ist die Novelle „The Iron Man“ oder „Fall Guy: Iron Man“. Es spielt auch kein Steve Costigan mit. Der übergeordnete wie neutrale Ich- Erzähler kann nicht gemeint sein. Am Ende muss der im Mittelpunkt stehende junge Boxer gegen einen Mike Costigan antreten. Ob es sich um einen Fehler handelt, lässt sich nicht mehr feststellen. Durch den gemeinsamen Nachnamen ordnet auch die Delphi Gesamtausgabe diese Geschichte dem Zyklus um die Abenteuer des Seemanns Steve Costigan zu und nicht der zwei Handvoll unabhängiger Boxgeschichten, die Robert E. Howard in den Jahren veröffentlicht hat.

Es ist eine typische „Rocky“ Geschichte. Durch einen Zufall wird ein talentierter, aber ungeformter Boxer auf einem Schaukampf entdeckt. Der gewiefte Manager will ihn unter seine Fittiche nehmen und ausbilden. Dieser lehnt ab. Jahre später treffen sich die Beiden wieder. Der Boxer will jetzt unbedingt kämpfen und sehr viel Geld verdienen. Auch zu Lasten seiner Gesundheit. Der Manager hat keine Erklärung dafür. Im Gegensatz zu vielen anderen Dramen versucht der Geschäftsmann den ungestümen „Iron Man“ zu stoppen, ihm zu zeigen, wie er über viele Jahre weiterkämpfen kann und nicht in kurzer Zeit zu Lasten seiner Gesundheit möglichst viel Geld sammeln muss. Über weite Strecken manipuliert Robert E. Howard die Leser geschickt. Die Charaktere sind unzugänglich. Erst kurz vor dem Finale – er will es mit vier unterschiedlichen Boxern in kurzer Zeit aufnehmen – werden die ein wenig theatralischen Zusammenhänge deutlich gemacht und der Leser erkennt, dass hinter der Fassade des geldgierigen Sportlers ein Mensch mit Träumen, Wünschen, Gefühlen und vor allem einem so bodenständigen Ziel steht, das es überrascht. Howard verzichtet auf ein dunkles Ende und versucht ein wenig allerdings auch am Rande des Klischees das Melodram zufrieden stellend zu beenden.   

Durch die Länge kann Howard das Boxgeschäft im Allgemeinen und die harte Ausbildung junger Talente im Besonderen beleuchten. Auch wenn die Kämpfe im Mittelpunkt der Geschichte stehen, nimmt sich der Autor ausreichend Zeit, um eine anscheinend gut recherchierte Milieustudie der mittleren Boxer irgendwo zwischen Armut und der Sucht nach dem sportlichen Durchbruch zu zeichnen. Sie verdienen zu Lasten ihrer Gesundheit relativ viel Geld. Die Summen sprechen eher für die Elite als einen unbekannten No- Name. Am Ende kommt die Erkenntnis, das es Wichtigeres als das schnelle Geld gibt.

Es ist die Zeichnung der einzelnen Protagonisten beginnend mit dem Ich- Erzähler, welche den Text aus der Masse herausheben. Steve Costigans Machosprüche fehlen und der Hintergrund ist realistisch eindrucksvoll entwickelt. Wer gerne sich mit Robert E. Howards Boxergeschichten auseinandersetzen möchte, findet hier einen idealen Einstieg.

 

Der Sammelband mit den ersten vier echten Steve Costigan Storys sowie der angesprochenen eher Charakterunabhängigen Novelle ist vor allem Lesern zu empfehlen, die sich intensiver mit Howards umfangreichen nicht phantastischen Werk beschäftigen möchten. Wie die Sammelbände mit seinen Westerngeschichten unterstreichen sie positiv Howards erzähltechnische Dynamik und sein Auge für Action, sie wirken aber weniger übertrieben wie einige seiner Heroic Fantasy Arbeiten. In der Masse wirken vielleicht die Boxszenen ein wenig eintönig, die Originaltexte sind ja in verschiedenen Magazinen über einen längeren Zeitraum publiziert worden, aber sie faszinieren auf ihre ureigene Art und Weise.

 

Band 06, Abenteuer-Roman
ISBN: Exklusiv nur im BLITZ-Shop
Seiten: 184 Taschenbuch

Künstler: Rudolf Sieber-Lonati
Künstler (Innenteil): Rudolf Sieber-Lonati

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