Auch wenn der Titel an die ebenfalls in der Hugh Walker Reihe erschienene Romansammlung “Der Parascout“ erinnert, verbindet die insgesamt vier langen Arbeiten nur das Institut. Hugh Walker hat für den 1998 veröffentlichten Roman keine Charaktere aus den Steinberg Werken übernommen. Wer in der deutschen Fernsehgeschichte zurück schaut, wird vielleicht auch ein wenig das Gefühl haben, positiv gesprochen eine moderne Variante von Rainer Erlers berühmten „blauen Palais“ in den vier Romanen erkennen zu können.
Im Vorwort sowie während des Serienexposes im Anhang erhält der Leser einen Einblick in die Grundidee. Zusammen mit Martin Eisele sollte Hugh Walker eine neue Romanserie im Bereich des vor allem in den neunziger Jahren dank der „X- Files“ Mystery Genres konzipieren. Angeblich gibt es auch ein umfangreiches Manuskript für einen Auftaktroman. Sollte es rechtlich möglich sein, den Stoff vielleicht überarbeitet zu publizieren, wäre es ein echter Höhepunkt für die „Hugh Walker“ Reihe.
Das Expose „Parabrain“ gibt einen Einblick in die Grundideen, Figuren und Hintergründe dieser nicht realisierten Serie. „Die Totenweckerin“ zeigt auf, dass Hugh Walker vor allem im Bereich des Tempos und der Action auf dieses Expose zurückgegriffen hat. Das Tempo des ganzen Romans ist ohne negativ zu erscheinen deutlich höher als in vielen seiner Horrorarbeiten. Bei den „Parascout“ Werken um Steinberg legte Hugh Walker bis auf den letzten Band „ Der Teufelsmacher“ sehr viel Wert auf eine Balance zwischen Hintergrund, Tempo, einzelnen Schockszenen und schließlich in zwei der drei Werke auch einen ökologischen Hintergrund.
„Die Totenweckerin“ wirkt deutlich cineastischer. Teilweise subjektive Rückblicke sollen den Hintergrund vor allem der wichtigsten Protagonisten Joan Parker erläutern. Im Gegensatz zu einer bzw. zwei anderen tragischen Frauenfiguren des Horrorgenres „Carrie“ und vielleicht in Anlehnung an das junge Mädchen aus „Firestarter“ – beides gelungene Stephen King Werke - hat sie zwar keine Erinnerung an ihr früheres Leben, aber ständige Alpträume verdeutlichen ist, über welche übernatürlichen Fähigkeiten sie verfügt.
Hugh Walker beginnt das Buch mit der Überführung des Mordes dieser sympathischen Figur. Während sich Joan Parker nicht an die Situation erinnern kann, weiß der Leser, dass es sich entweder nur um einen tragischen Unglücksfall oder eine falsche Verurteilung handeln kann. Ihre Kräfte werden von den natürlich ruchlosen Militärs gefördert. Anscheinend kann sie unter bestimmten, von Hugh Walker allerdings ambivalent beschriebenen Voraussetzungen Tote wieder ins Leben zurückholen. Dabei wechseln sich eine Reihe von Erweckungsszenen ab. Das Militär probiert es mit katastrophalen Folgen an gerade getöteten Soldaten , in einer anderen relevanten Szene ist in einem kürzlich verstorbenen Jungen nichts mehr „Lebendiges“, um eine Erweckung durchzuführen. Wie angesprochen geht Hugh Walker nicht auf die Details ein, sondern bleibt vielleicht bewusst, aber nicht immer gänzlich zufriedenstellend vage.
Im zweiten Teil des Romans sind es nicht nur Tote, welche zumindest kurzzeitig allerdings auch zu einem eher einseitigen Leben erweckt werden können, sondern Joan Parker kann zumindest an ihren jeweiligen „Orten“ Geister beschwören, welche sich unter die Menschen mischen. Dieser Handlungsstrang gipfelt in einer fast bizarren Party, an deren Ende eine Flucht vor bewaffneten Männern in schwarzen Autos genauso steht wie eine Versammlung verschiedener Geister, die sich mit sichtlichen Vergnügen unter die jungen Leute mischen.
Die Action kommt aus dem Interesse unterschiedlicher Gruppen an Joan Parkers Fähigkeiten. Neben dem ruchlosen Militär scheint es sich um eine Handvoll Gangster zu handeln, welche auch die entsprechenden Handlanger ausschicken. Hugh Walker umschifft aber während des Showdowns die erwarteten Klischees und zeigt nicht zum ersten Mal in seinem Werk, das sich auch zumindest die Handlanger der Verbrecher ändern können.
Der Plot ist ausgesprochen stringent aufgebaut. Die Rückblicke verschmelzen mit der Gegenwartshandlung. Der Bezug zu den Parascout Arbeiten erfolgt über die Nennung des Instituts und den Agenten Ray Wolf, der neben seiner eigenen Fähigkeiten Joan Parker vor allem in Sicherheit bringen und zum in San Francisco gelegenen amerikanischen Ableger des Forschungsinstituts bringen möchte, wo ihre Fähigkeiten nicht nur positiv für die Menschheit, sondern sie als Persönlichkeit untersucht und beschützt wird.
Diese Flucht an die Westküste nimmt den zweiten Teil des Romans ein und ist vor allem durch Joan Parkers sehr effektives Einsetzen ihrer Geisterbeschwörungsfähigkeiten - offiziell heißt es weiterhin Totenweckerin – ausgesprochen kurzweilig und spannend beschrieben worden.
Der Roman lebt weiterhin von der sympathischen, aber niemals in Klischees abdriftenden Gruppe von Protagonisten, wobei Hugh Walker auf eine zu offensichtliche Romanze verzichtet. Der Autor hat sich aber sehr viel Mühe gegeben, über die Hauptfiguren hinaus dreidimensionale Nebencharaktere zu erschaffen.
Im Gegensatz zu den meisten seiner sonstigen Horror Romane spielt „Die Totenweckerin“ in den USA. Auf den ersten Blick reiht sich Hugh Walker damit entgegen seiner in Deutschland spielenden Horror Abenteuer in einen Trend ein, aber viele „deutsche“ Eigenheiten bis auf die intensiveren Actionszenen werden einfach eins zu eins in das Mutterland des Actionkinos übertragen.
Im Gegensatz zu den drei ebenfalls in den neunziger Jahren veröffentlichten „Parascout“ Abenteuern wirkt „Die Totenweckerin“ frischer und kurzweiliger , deutlich dynamischer geschrieben.
Der lose miteinander verbundene Zyklus um das „Parascout“ Thema schließt die Kurzgeschichte „Die wilden Leut“ ab. Während der Text weniger wild ist, wirkt die Patchwork Zusammenstellung des Textes eher abenteuerlich. Die Originalversion „Ge-Fanggen“ erschien erstmals 1996 und ist in der Werksausgabe nachgedruckt worden. Für die im „Nova“ Magazin publizierte Kurzgeschichte „Die wilden Leut“ hat Hugh Walker auf ganze Textpassagen aus seinem in „Der Parascout“ veröffentlichten Roman „Legende des Grauens“ zurückgegriffen. Das Science Fiction Thema mit der unbewussten Kontakt der Menschen zu einer fremden Lebensform erinnert ein wenig an den SF Roman „Das Signal“ . Aus den Waldgeistern der „Fängg“ sind anscheinend Außerirdische geworden, welche aber Menschen in deren schwachen Momenten übernehmen können. Hugh Walker selbst findet die SF Version besser als die mystische Langfassung in „Legende des Grauens“, wobei das ökologische Thema sehr gut zu der „Parascout“ Reihe passt und durch die utopischen Elemente relativiert wird. Auf jeden Fall ist die kurzweilig zu lesende Geschichte ein perfektes Beispiel für die seltene Art des Ideenrecycling, die Hugh Walker betrieben hat.
„Das Parascout- Institut“ vereinigt einen sehr gut alleine stehenden Romane und eine nur bedingt in den Rahmen gehörende Kurzgeschichte. Qualitativ sind die beiden Arbeiten überzeugend und die überzeugende Zusammenstellung durch den Verlag zeigt, wie ernst es ihnen mit einer möglichst kompletten Hugh Walker Werksausgabe ist.
- Taschenbuch: 184 Seiten
- Verlag: CreateSpace Independent Publishing Platform (10. August 2018)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 1722882417
- ISBN-13: 978-1722882419