Androiden Band 2 "Glücklich wie Odysseus"

Androiden Band 2, Titelbild, Rezension
Olivier Peru

Der zweite Band der vierteiligen, aber in sich jeweils abgeschlossenen Comic Reihe um Androiden als Freunde/ Helfer der Menschheit erzählt im Grunde eine Science Fiction Lesern bis auf einigen Nuancen gänzlich vertraute Geschichte und kann trotzdem an vielen Stellen aufgrund der liebevollen Details, der kleinen Ideen und schließlich dem visuellen Vorteil der Medien Film oder Comic im Gegensatz zu rein geschriebenen Wort überzeugen.

 Autor Olivier Peru mit seinem Zeichner Geyser und dem für die sehr realistischen Farben zuständigen Sebastien Lamirand haben sich Mühe gegeben, auf der einen Seite ein Epos zu entwickeln, das auf der anderen Seite auf der kleinsten persönlichen Ebene funktioniert. Der Titel „Glücklich wie Odysseus“ ist vor allem rückblickend ein schönes Wortspiel. Denn während Odysseus vor allem auf seinen Reisen gelebt/ gelernt und sich weiter entwickelt hat, müssen die wenigen Überlebenden eines Generationenraumschiffs erkennen, dass ihre weite Reise bis knapp außerhalb des Sonnensystems ihnen nur bedingt Frieden und Erfüllung geschenkt hat. Auf der Erde ist es am Schönsten.

 Olivier Peru entwickelt die Idee eines Generationenraumschiffs nach den neueren Ideen des Genres. Da ein Überlichtschneller Flug noch nicht möglich ist, werden die menschlichen Besatzungsmitglieder eingefroren. Zehn Jahr im Tiefschlaf bedeuten allerdings auch den Verlust eines Lebensjahres. Alternierend wird immer in der Theorie ein Teil der Crew aufgeweckt, um das Raumschiff zu steuern, während die anderen Besatzungsmitgliedern in den Kühlkammern ruhen. Kaum hat die Reise begonnen ist sie im Grunde auch schon zu Ende. Ein Meteoritenschauer beschädigt das Raumschiff schwer und zwingt die Besatzung zu einer Umkehr, die sie alle selbst in den Tiefschlafkammern nicht mehr erleben werden. Alleine ein an Bord geborenes Kind und schließlich seine Amme – ein Roboter, der gleichzeitig auch der wichtigste Erzähler und Mittler zum Leser ist – haben die geringe Chance, mit dem beschädigten Schiff zur Erde zurück zu kehren. 

 Wie eingangs erwähnt werden Science Fiction Lesern im Grunde alle Ideen bekannt vorkommen. Sie funktionieren aber trotzdem. Der Android ist nicht nur menschlicher Begleiter und schließlich auch indirekt Anführer/ Ratgeber; er ist das ultima mechanische Mittel der Vernichtung – im letzten Viertel der Geschichte muss Olivier Peru auf die Konfrontation zwischen Maschinen zurückgreifen -, während die Menschheit naiv und fortschrittsgläubig sich im Grunde schon selbst zu Grunde gerichtet hat. Diese fast „biologische“ wie direkte Technikfeindlichkeit ist einer der Aspekte der Geschichte, der sich wiederholt. Im All scheitern die Mitglieder der Expedition schließlich an einem kaum zu berechnenden, aber immer wieder gerne genommenen Meteoriteneinschlag.

 Auf der Erde hat die Medizin, die Perfektionierung der Genetik schließlich zur Ausrottung von mehr als neunundneunzig Prozent der Menschen geführt. Ohne eine depressive Stimmung zu verbreiten oder die Idee weiter zu extrapolieren, nutzt Olivier Peru das Androidenmotiv, um eine neue Leitrasse einzuführen. Dabei ist es der Kindroboter, der seine menschlichen Anvertrauten mit durchaus bekannten Ideen wie „Star Wars“, aber auch als roter Faden der “Odyssee“ immer wieder unterhalten, ablenken, aber auch intellektuell fördern kann. Es bleibt unausgesprochen, ob die Maschine zwischen Fakten und Fiktionen unterscheiden kann.

 Eine weitere Idee ist die Umsetzung der drei Robotergesetze von Isaac Asimov. Sie spielte auch im ersten Band eine relevante Rolle. In dieser zweiten Ausgabe der locker miteinander verbundenen Tetralogie geht es um einen gänzlich anderen Aspekt dieses Themas. Wenn muss ein Android den Anweisungen eines Menschen widersprechen und sie ignorieren, um vielleicht ein wenig egoistisch ihm zu helfen? Die Frage wird an Hand des ersten im All geborenen Menschen vorzüglich diskutiert, auch wenn das süßsaure Ende erkennbar ist. Die Botschaft wirkt ein wenig zu übertrieben präsentiert, aber dank der gelungenen graphischen Umsetzung mit eindrucksvollen naturalistischen Bildern kann der Leser/ der Betrachter diesen Teilaspekt immer am Rande des Kitsches auch gut verschmerzen.

 Der Killerandroid wirkt wie das zu Metall gewordene Klischee. Aber dieser Antagonist ist notwendig, damit die Story wieder erneuten Aufbau einer kleinen feinen Zivilisation unter Anleitung eines weisen Lehrers nicht ohne Probleme abläuft. Spannungstechnisch ist es ein bedingtes Element, da alle Figuren in diesem Comic eher pragmatisch gezeichnet worden sind und der Funke nicht wirklich überspringt. Damit soll auf der anderen Seite nicht ausgedrückt werden, dass der Leser keine Beziehung zu den einzelnen Figuren aufnehmen kann, aber angesichts der Dimensionalität des ganzen Plots fehlt ihnen der zündende Funke, das Besondere.

  Es ist in mehrfacher Hinsicht eine „Coming of Age“ Geschichte. Der letzte und einzige zur Zeit der alten Erde geborene Mensch muss erkennen, dass selbst ein Moment am Ziel wichtiger ist als eine lange Reise. Die Androiden erkennen, dass sie aus der Rolle der Nannys herausgewachsen sind und zu „Göttern“ werden, deren Wissen den Menschen die einzige Chance gibt, längerfristig nicht nu zu überleben, sondern erneut eine Zivilisation aufzubauen. Natürlich auf den Trümmern der alten ersten Welt, symbolisiert durch die gigantischen Leiber der abgestürzten Generationenraumschiff, die wie Ikarus, aber nicht Odysseus der Sonne zu nahe gekommen sind.

 Der Bogen des Plot ist nicht nur breit gespannt, er ist ohne Frage auch ambitioniert ohne gleich belehren zu wollen. Am Ende schließt sich ein interessanter Kreis und wie der inzwischen vertraute Erzähler ahnt der Leser, dass es eine Art langfristiges Happy End geben könnte. Interessant ist, dass die Idee der unterlichtschnellen Siedlungsraumschiff mit einer fast klassischen Post Doomsday Geschichte verbunden worden sind. Natürlich ist diese Idee im kleineren Format mit größeren Auswirkungen auch in Arbeiten wie den alten wie neuen „Planet der Affen“ Filme in verschiedener Hinsicht adaptiert worden, aber Olivier Peru agiert direkter, ein wenig romantischer und verklärter, um seine Story zu erzählen.

 Auch wenn sich die Geschichte aus den mehrfach angesprochenen Versatzstücken des Genres zusammensetzt, liest sie sich flott, teilweise zu kompakt angesichts der immer wiederkehrenden gewichtigen Themen und wird durch die vor allem in technischer Hinsicht exzellenten, aber die einzelnen Gesichtszüge der Menschen im Gegensatz zu den Androiden vernachlässigenden  Zeichnungen sehr gut begleitet.

 Da klassische Science Fiction Comics ohne Superhelden oder überdimensionale Schurken inzwischen selten geworden ist, sollten sich Genrestammleser diese Reihe anschaffen. Nicht selten ist die Hommage an die bekannteren Werke fein in die Handlung eingesponnen, während die groben Querverweise eher zum Schmunzeln anregen. Positiv ist, dass der Autor den Grundlagen Isaac Asimovs neue Ideen abgewinnen und vor allem dessen Thesen auch in überraschende Richtungen extrapolieren kann. Hier liegt die eigentliche Stärke dieser irgendwie bekannten und doch wiederum auch neuen wie originellen zweiten „Androiden“ Story.    

ISBN:
978-3-95839-569-5
Erschienen am:
18.02.2018
Autor
Olivier Peru
Zeichner
GeyseR
Übersetzer
Swantje Baumgart
Einband
Hardcover
Seitenzahl
52
Band
2 von 4
Kategorie: