„Triaden“ ist in mehrfacher, nicht unbedingt negativer Hinsicht wie eine der berühmten russischen Puppen. Der Fugenroman besteht aus drei Episoden, die in den Jahren 1937- der Ausbruch des Krieges zwischen Japan und China- , 1945 – der Abwurf der Atombombe und das Ende des Zweiten Weltkriegs – sowie der Gegenwart – das Jahr 1997 wahrscheinlich – spielen. Die erste Geschichte ist zum ersten Mal in der Anthologie „Revelations“ von Douglas A. Winter publiziert worden. Gegenüber der deutsche Erstveröffentlichung in der Anthologie „Offenbarungen“ hat der Übersetzer Hanns Riffel den Text für die Neuauflage in seinem Verlag noch einmal sorgfältig durchgesehen.
Interessant ist die Struktur des Buches. Aus der ersten Geschichte wird eine Figur in den mittleren Abschnitt übernehmen, der dritte Text übernimmt jeweils eine Figur aus der Auftaktepisode und dem mittleren Abschnitt. Phantastische Elemente finden sich vor allem in der Form von Andeutungen in erster Linie im letzten relevanten Abschnitt der Geschichte. Die beiden Autoren machen nicht deutlich, ob es wirklich eine Art Schutzengel in schwarz gibt oder sich die von zahllosen Krisen gezeichneten Protagonisten diese Vision nur einbilden. Im Grunde spielt es auch keine Rolle, denn diese kontinuierliche Coming of Age Geschichte benötigt keine übernatürlichen Ideen. Im Gegensatz zum Klappentext handelt es sich bei „Triaden“ auch um keinen Krimi, keinen Thriller. Der Begriff „Triaden“ ist hinsichtlich seiner Bedeutung bei kriminellen Organisation auch falsch gewählt. Auch wenn Gewalt immer wieder eine Rolle spielt, geht es nicht um den Aufstieg in diesen Hierarchien. Sie spielen allenfalls in der ersten Story eine bedeutende, aber immer passive Rolle. In den beiden in Hollywood im Allgemeinen und hinter den Kulissen der Traumfabrik im Besonderen spielenden Texten treten keine Gangster im wahrsten Sinne des Wortes auf. Sexuelle Ausbeutung sei hier ausgenommen.
Aber die drei ineinander fließenden Texte brauchen auch keine im Grunde kriminaltechnische Handlung. Sie leben von der individuellen Entwicklung der einzelnen Protagonisten, wobei im Grunde nur auf den letzten Seiten eine Figur eine aktive Entscheidung treffen kann und dadurch aus dem Schatten der unglücklichen Beziehungen tritt. Bis dahin sind alle wichtigen Protagonisten beginnend mit den beiden Schülern der Peking Oper Lin Bai und Ji Fung vor allem Getriebene. Nicht nur von den Ereignissen der Kriegsjahre, sondern ihren eigenen Gefühlen und einer sie kontinuierlich ausnutzenden rücksichtslosen Gesellschaft.
Ein wichtiger Aspekt ist Sexualität. Es gibt eine Reihe von Sexszenen, aber keinen heterosexuellen Akt. Im Mittelpunkt stehen homosexuelle Beziehungen. Wer vor dieser Art von Sex und dem entsprechenden Geschlechtsakt zurückschreckt, für den ist Triaden beginnend mit der Vergewaltigungen der Peking Opera Schüler durch ihren brutalen Meister nichts. Die einzige „normale“ Beziehung inklusiv einer bevorstehenden Hochzeit ist im Grunde eine Farce. Hollywood möchte übertönen, dass einer ihrer wichtigsten Stars in Wirklichkeit schwul ist und der aufkommende neue Stern – es gibt Anspielungen auf Marilyn Monroe, welche wahrscheinlich Christa Faust als für den mittleren Abschnitt verantwortliche Autorin gegen Ende negiert – anscheinend unbewusste Frauen wie Männer lieben kann.
Und trotzdem haben die einzelnen von ihrer Zeit getriebenen Figuren auch die Chance, glückliche Beziehungen führen zu können. An einigen Stellen steht ihnen die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit im Wege, bis schließlich fast eine „Deus Ex Machina“ Lösung am Ende der Gegenwartsepisode präsentiert wird. An anderen Stellen ist es die chaotische Zeit, welche die Liebenden schließlich für immer trennt.
Während der erste Teil der Geschichte fast eine griechische Tragödie im Gewand der Peking Oper ist, überzeugen die beiden anderen Abschnitte durch ihre tiefblickenden satirischen Hollywood Anfeindungen. Der Leser muss sich allerdings auf die Vielzahl vor außergewöhnlich gut charakterisierten und fein geschnittenen Protagonisten einlassen, um diese mehr als sechzig Jahre umfassende Geschichte in ihrer emotionalen Tiefen wie auch Bandbreite verstehen zu können. .
Beginnend mit den dunklen Abgründen der Peking Opera und endend auf dem Set eines C Science Fiction Films spannen die beiden Autorein einen sehr breiten Bogen. Bis auf das konsequente, stimmige und vielleicht ein wenig kitschig verklärte Happy End zeigen sie immer wieder auf, dass wahre Liebe nur von kurzer Dauer ist und unter großen teilweise persönlichen Opfern errungen werden muss. Lin Bai und Ji Fung werden von ihrem Lehrmeister nicht nur körperlich drangsaliert, sondern auch missbraucht. Das Ende der Peking Opera folgt im Gleichschritt mit dem Auftauchen des Jazz und schließlich den Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs und dem Untergang der dekadenten Stadtstaaten Hongkong und Shanghai als Horde des Lasters. Interessant ist, dass Ji Fung Vergangenheit lange Zeit im Dunkeln liegt. Als er sein eigenes Schicksal erkennt und den einzigen Weg wählt, der auch ihm auf den jungen Leib geschrieben worden ist, schließt sich auf den ersten Blick ein Kreislauf.
Christa Faust und Poppy Z. Brite doppeln dieses Ereignis im feurigen Finale der 1945 spielenden Geschichte. Wieder versucht Jimmy seinen Gefühlen mit Feuer und Flamme Luft zu verschaffen. Da dieser Episode auf der „männlichen“ Seite ein interessanter Gegenspieler fehlt, wirkt das Mittelteil des Fugenromans ein wenig in der Luft hängen. Die aus „Farewell my Love“ bekannten tragischen Versatzstücke der Peking Oper spiegeln sich in der Liebesgeschichte zwischen dem sich männlich gebenden Hardboiled und Drehbuchautor Blake sowie der nur auf den ersten Blick jungen wie naiven Schauspielerin eben nicht aus dem Hinterland der USA, sondern dem Vorhof Los Angeles nur bedingt wieder.
Vielleicht wirken die verschiedenen Sexszenen ein wenig erotischer, deftiger als die zu distanziert beschriebenen homosexuellen Liebessequenzen vor allem in dem allerdings deutlich überzeugender erzählten und stilisierter beschriebenen ersten Abschnitt , aber den zynischen selbst verliebten Figuren fehlt die verletzliche Tiefe. Selbst Ji Fung in seiner neuen Rolle als japanischer schurkischer Nebenarsteller in B oder C Kriegsfilmen gewinnt erst später in diesem Abschnitt an Dreidimensionalität.
Auf der anderen Seite aber gehört die zynische Abrechnung mit dem Hollywood und seinen Machos – ihre Schatten würden Weinstein heute erblassen lassen – zu den besten Sequenzen des ganzen Buches. Die Gier nach dem schnellen Dollar, die Versklavung talentierter Schauspieler durch lange und komplizierte Verträge und schließlich die allgegenwärtige Paranoia der Amerikaner selbst in den letzten Kriegsjahren vor dem japanischen Feind im eigenen Bett geben dieser Episode das notwendige Flair und lassen sie moderner und gegenwärtigerer erscheinen als die nur acht Jahre vorher in einer gänzlich fremden, inzwischen untergegangenen Welt spielende Geschichte.
Im letzten Abschnitt schließt sich in mehrfacher Hinsicht der Kreis. Auch wenn sie keine wichtige aktive Rolle mehr spielen, treten die ehemalige Autorin Blake und Ji Fung alias Jimmy noch einmal auf. Sie führen mit langer Hand einen jungen homosexuellen Asiaten, der dabei ist, zumindest in der Theorie Hollywoods mittels C Filmen zu erobern. Die am Set spielenden Episoden mit den verkoksten Darstellern und Regisseuren, den überforderten Kiddies als Tricktechniker und der tödlichen Ignoranz dem Medium Film gegenüber stehen dem Enthusiasmus, dem Elan des gerade aus Hongkong kommenden Jake gegenüber. Mit kindlicher Naivität spricht er von den harten Dreharbeiten in Asien, bei denen aber alle ein Ziel gehabt haben: aus den vorhandenen Mitteln einen „guten“ Film zu machen. Jake steht sich im Grunde selbst im Wege, wird schnell wie fast alle Charaktere dieser Fugengeschichte in eine (Geschlechter-) Rolle gedrängt, die er gar nicht annehmen möchte. Während sich aber die anderen Protagonisten mehr oder minder widerwillig dahin treiben lassen, bricht er schließlich allerdings durch eine schon angesprochene „Deus Ex Machina“ Lösung aus dem Käfig aus und rettet seinen persönlichen Prinzen.
„Triaden“ ist wie angesprochen kein Thriller, aber auch kein emotionales Melodram. Liebe geht immer einher mit Verlust und Schmerz. An jeder Ecke kann der auch familiäre Wahnsinn lauern. Aber dank der vielen gut gezeichneten Protagonisten; der an keiner Stelle belehrend erzählten historischen Ereignisse und vor allem dem selbstironischen Blick hinter die Kulissen Hollywoods ist dieser kompakte, kurzweilig zu lesende Fugenroman nicht nur Anhängern Peppy Z. Brites ans Herz zu legen, Christa Faust zeigt vor ihren „Angel Dare“ Romanen deutlich auf, wo ihre literarischen Stärken liegen und zeigt sich dem exzentrischen Horrorautor mehr als ebenbürtig in dieser empfehlenswerten History Love Story.
Deutsche Erstveröffentlichung
Aus dem Amerikanischen von Hannes Riffel & Karin Will
Klappenbroschur | 220 Seiten |
ISBN 978-3-942396-13-4